Rush
- Rush (Mercury, März 1974) LP
Der schrecklichste Kauf des Monats. Die kanadischen Rush als sie
noch klein waren, zu einer Zeit, wo der Boden für den Progrock,
den sie später machten, eigentlich längst geebnet war.
Unverständlich. Hier sind sie noch ganz dem Heavy-Rock verbunden,
ohne die Intelligenz, Komplexität und inhaltliche Tiefe ihrer
späteren Werke. Wir hören jede Menge "Yeahs"
und "Allrights", triefende Trivialität. Ich war,
entgegen meiner sonstigen Gründlichkeit, sogar so respektlos
nicht mal die zweite Seite anzuhören. Die erste liess keine
Hoffnung aufkommen, dass hintendran noch was Spannendes passiert.
Angesichts der Massen ähnlicher Bands dieser Zeit ein Wunder,
dass die einen Plattenvertrag bekommen haben. Da waren sie bei Mercury
sehr prophetisch und geduldig und müssen wohl irgendwie geahnt
haben, dass daraus mal was wird, nämlich eine der besten und
erfolgreichsten Progrockbands der späten 70er Jahre. Respekt!
Man muss allerdings noch dazu sagen, dass die Band das Album zunächst
selbst auf einem eigenen Label veröffentlichte und dies hier
bereits der Re-Release ist, der jedoch noch im selben Jahr folgte,
da Rush einen sehr aufopfernden Manager hatten.
Aber der erste Song sagt ja schon, was Rush noch vor sich hatten:
"Finding My Way".
Rush gibt es ja heute noch. Über die Jahre haben sie wohl viele
Veränderungen durchgemacht. Die erste fand in den späteren
70ern statt, als sie Yes und King Crimson entdeckten. Also ganz
im Ernst. Da hab ich ja selbst Yes und King Crimson früher
entdeckt. Nichts destotrotz haben sie dann den ProgRock sehr eigenwillig
mit ihren Hardrock Wurzeln vermurgelt. Mir persönlich gefällt
"Permanent Waves" (1980) am Besten. Eigentlich noch besser
als "Hemispheres" von 78, das ich als Kind sehr geliebt
habe. Obwohl, Hemispheres ist auch super.
Nun noch etwas recherchierte Information aus ungesicherten Quellen:
In den 80ern haben sie dann wohl viel mit Synthesizern rumgemacht,
in den 90ern den Alternative Rock eingebaut, ohne jedoch ihre eigene
Rush'sche Integrität zu verlieren. Heute sind sie wohl wieder
mehr zu ihren Wurzeln, zum Rockigen zurückgekehrt.
Der Progrock der 70er Jahre ist ja bis heute recht verpönt
und wird oft verlacht. Die Trendwende durch den Punk hat Bands wie
Rush als Feindbilder freigegeben und bis heute nicht wieder re-etabliert.
Das möchte ich hiermit anregen, denn gerade Rush kann man,
muss man aber nicht mögen. Insbesondere Geddy Lees Stimme,
die sehr penetrant und weiblich (auf diesem Album noch äusserst
Robert-Plant-inspiriert) klingt, ist oft der Stolperstein, den viele
Leute bei Rush niemals überwinden. Wenn man einmal darüber
weg ist, wird man mit intelligentem, sehr detailliert durchkomponiertem
und sozial eingestelltem Rock verwöhnt, zu dem man durchaus
auch stehen kann.
Da Kickin Ass sich aber auch als Verbrauchermagazin versteht, sei
man also vor diesem ersten Album gewarnt, wenn man Rush ProgRock
erwartet.
(Ralf, 28.8.11)
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