Konzertbesprechungen
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Beatrevolver (Berlin, 23.3.19) - Berlin Beat Invasion (Berlin, 06.,07.09.19) - Boogarins (Berlin, 30.7.19) - Carnivore Club (Berlin, 30.7.19) - The Cavemen (Köln, 8.10.19) - The Colour Collection (Berlin, 07.09.19) - Joseph Boys (Berlin, 8.6.19) - Gewalt (Ulm, 24.5.19) - Giant Sand (Berlin, 27.11.19) - GhostLees (Berlin, 12.01.19) - Die Goldenen Zitronen (Berlin, 1.5.19) - Ionian Death Robes (Berlin, 17.2.19) - Ignatz Höch (Berlin, 17.2.19) - The Jack Cades (Berlin, 06.09.19) - Komplikations (Berlin, 23.02.19) - Los Malinches (Berlin, 06.09.19) - The Monsters (Berlin, 19.6.19) - The Morlocks (Berlin, 12.01.19) - Thurston Moore Group (Berlin, 3.11.19) - Motorpsycho (Berlin, 18.10.19) - The Mourning After (Berlin, 06.09.19) - Mute Swimmer (Berlin, 17.2.19) - Painted Air (Berlin, 18.5.19) - Pale Lips (Berlin, 23.02.19) - The Shook-Ups (Berlin, 23.3.19) - Les Synapses (Berlin, 07.09.19) - Wild Evel And The Trashbones (Berlin, 18.5.19) - The Woggles (Berlin, 07.09.19)

   
Mi. 27.11.19
Giant Sand, Touchy - Berlin, Bi Nuu (ca. 400 Zuschauer)
So, jetzt muss ich zugeben, dass ich Giant Sand und deren Mastermind Howe Gelb nur aus Magazinen kannte. In den 80ern wurden die überall in den Himmel gelobt und das taten auch meine Begleiter des heutigen Abends, im Raucherraum, während die Vorband Touchy unten dudelte (was man 3 Sekunden begutachtete und sich dann zum Lungen- und Lebervorglühen zurückzog) ... nicht wissend, dass die Basis von Touchy Gelbs Tochter und deren Mann sind, die denn auch während Giant Sand ein paarmal randurften.
Ein familiäres Stelldichein sozusagen, wäre da nicht der Drummer Tommy Larkins gewesen, der als einziger noch den typischen Gang-of-Weirdos-Charakter verkörperte, den Giant Sand eigentlich immer ausmachte. Larkins ist auch einer der vielen vielen berühmten Weggefährten die Howe kürzer oder länger begleiteten. Später spielte er bspw. mit Jonathan Richman.
Was Howe für mich interessant macht, ist sein Charakter, auch seine Stimme, seine Coolness, die nicht gerade unprätentiös aber dennoch sympathisch ist. Greift er in die Gitarre klingt es immer leicht schräg (leicht bedeutet im Sinne von Kickin Ass: könnte mehr sein) aber trotzdem gut. Das fällt besonders bei dem einen Song auf, bei dem er erstmal alles von sich legt und so tut, als würde er sich jetzt zur Rente zurückziehen, scheinbar von der Bühne schlappt, seine Kinder spielen lässt und dann im zweiten Drittel des Song plötzlich wieder da steht, seine Klampfe umschnallt und mit einem knarzenden Solo einsteigt, als müsste er den Song retten ... was er dann tatsächlich auch getan hat.
Er sprach sogar mehrmals von der Rente und davon, dass man nun doch mal den Kindern die Bühne überlassen sollte, doch so wenig mich dieses Konzert in Reue versinken liess, diesem langweiligen Alt-Country-Indie-Rock nicht schon früher Gehör gegeben zu haben, so sehr war wollte ich ihm zurufen: "Wegen mir kannst du den Kindern die Bühne überlassen ... aber nicht denen, die grade draufstehen!"
Ich habe mich wirklich, auch hinterher noch, gefreut, ihn mal live gesehen zu haben, aber eigentlich war es ein eher beklagenswertes Ereignis, das traurig machte. Und das fanden auch meine Begleiter.
(Ralf, 7.10.20)
So. 03.11.19 Thurston Moore Group - Berlin, Festsaal Kreuzberg (ca. 500 Zuschauer)
Früher waren bei Sonic Youth ja wirklich nur Nerds im Publikum. Nur so Typen, die so aussahen wie die von der Band und völlig entkoppelt in einem Paralleluniversum zwischen Platten, Konzerten, Kneipendiskussionen, Gitarren und Proberaummuff auf einem Detailniveau vegetierten, das nur wenigen Auserwählten zu verfolgen möglich war.
Heute stehen nicht nur die mitgebrachten Damen im Publikum, die eigentlich lieber zu Ville Vallo gegangen wären, heute sind offensichtlich grundsätzlich mehr Menschen bereit, sich eine Stunde Feedbacks und Gitarrengewichse anzuhören, ohne die Augen zu verdrehen.
Kunststudentische Rock'n'Roll-Mädchen mit Brillen und Strickzeug in der Jutetasche stehen neben Bouncerochsen und deren Püppchen mit Stöckelschuhen und gebrochenen Nasen. Sonic Youth ist heute en vogue. Sehen und Gesehen werden, Sekt schlürfen, so tun als würde man die Aufführung interessant finden.
Und dazu sei erwähnt: Es gab keinen Song, keinen Gesang, nicht nur Krach, aber vorallem musikalische Abstraktion.

"I haven't seen the guy, yet", sagte der Mixer vorher. Scheint's kam nur die Bassistin kurz rüber und meinte, sie würden etwa eine Stunde spielen. Kein Soundcheck. Thurston war bestimmt noch kulturell unterwegs. Das merkte man, als sie die Bühne betraten. Er musste sich schon erstmal ein zwei Minuten an die Umgebung gewöhnen, schnorrte ein Plektrum beim Compagniero James Sedwards, den "award-winning" Superguiterrorist von den englischen Experimentalisten Nought, ein kurzes Wörtchen an die My Bloody Valentine Bassistin Deb Googe und den immer bereiten Steve Shelley, ein wenig orientierungsuchendes haarewehendes Nachlinksnachrechts, zehn Sekunden Andacht, dann ging es los.
Und ich fands eigentlich ziemlich geil. Beide Gitarristen hatten 12saitige. Sie mussten zwar alle auf den Maestro schauen, der deutlich kopfnickend die Wechsel einleitete, aber wenn die freien Kurven gemeistert waren, hookten sie sich bombensicher in die Riffs. Es gab ruhigere, harmonischere Passagen, richtige Bombeneinschläge vom Bass, auch mal wiederholende Elemente und gegen Ende eine viertelstündige Feedbackorgie vom Feinsten. Wenig, was man mit Sonic Youth nicht schon hoch- und runterexerziert hätte, aber die einstündige Instrumentalkomposition mit eingebauten Impovisationsparts war das Besondere. Ich fands nett, das gesehen zu haben. Thurston wird älter, aber er bleibt ein Schelm und seine Haare wehen immer noch gleich ums Köpfchen wie in den 80ern.
(Ralf, 29.12.19)
Do. 18.10.19 Motorpsycho - Festsaal Kreuzberg (ca. 500 Zuschauer)
Ich mag ja Progrock, lieber aber die 70er-Bands, solange sie nicht zu aufgeblasen sind. Die Progbands, die dem Alternative-Rock entsprungen sind, eher nicht. Daher gingen Motorpsycho ziemlich glatt an mir vorbei. Ich hatte mal ne Platte. Aber nachdem sie mir nach zweimaligem Hören nicht zusagte, hab ich sie wieder verkauft. Nachdem mein neuer Mitbewohner Martin mich fragte, liess ich mich aber natürlich trotzdem gerne drauf ein. Vorher noch kurz in eine jüngere Platte reingehört, die dann aber nur Ängste beschwor, dass es ziemlich metal wird, was sich dann aber glücklicherweise kaum bestätigte.
Und dann der Schock ... und hier hätte geholfen, noch besser zu recherchieren: Neben dem Wikinger-Triumvirat schlappte - quasi ohne Vorwarnung -  mein Lieblingsgitarrist der Neuzeit auf die Bühne, Reine Fiske, der vorallem mit den schwedischen Dungen mein Herz erobert hat. Dass er Motorpsycho schon für mehrere Produktionen begleitet hatte, öfter auch live, war mir völlig entgangen. Unverhofft kommt zwar nicht oft, aber diesmal brachte es den Abend schon bevor der erste Ton gespielt wurde, auf ein ganz anderes Level und ich verlor ziemlich die Kontrolle über meine eintrainierte Coolness. "Reine Fiske!!!! Das ist REINE FISKE!!!" schrie ich wild meinen Begleitern zu, die, als TOTALE Motorpsycho-Cracks eher leicht pikiert waren, dass ich als Ungeweihter eine derart überzogene und eigentlich auch fehlgeleitete Begeisterung für ein eher "unbedeutendes" Detail äusserte.
Ich liess mich davon aber nicht beeindrucken und harrte gutgelaut der Dinge. Da Dungen bislang nur 4 Auftritte und diese schon vor etlichen Jahren, in Deutschland gespielt haben, hatte ich leider nie Gelegenheit sie live zu sehen, auch Fiske bislang nicht, der ansonsten durchaus in mehreren anderen Bands spielt, aber in Motorpsycho eben nicht als festes Mitglied. Wie auch immer ... wegen mir konnte es losgehen.
Dass Motorpsycho auch mal drei Stunden spielen, war mir bereits zugetragen worden, ich hatte aber heimlich gehofft, dass sie das nicht immer machen. Weit gefehlt! Zweieinhalb Stunden regulär und eine halbe Stunde Zugaben brachten meine Begleiter zu glühenden Lobesreden, aber mir ist das schlichtweg zu lang. Wie sagte schon Klaus Schulze? "Die Perfektion liegt in der Quantität." Hat er das wirklich so gesagt? Wenn ja, dann verstehe ich das in diesem Zusammenhang schon. Für die Fans ist diese Ausprägung aber geliebtes Programm. Zudem spielen sie wohl jeden Tag auch ein anderes Set, was ich dann doch für extrem bemerkenswert halte ... so es denn tatsächlich stimmt.
Musikalisch bringen die Norweger das auch solide über die Bühne. Man hat tatsächlich das Gefühl, für diese Jungs gibt es nur Musik, sonst nichts, und das 10 Stunden jeden Tag. Die Songs sind lang und komplex und es ist schon phantastisch, wie sie sich das merken können. Für meinen Geschmack war es erträglich, nur die Akkustiksachen gerieten fast schon etwas schmalzig und, dass sie gesanglich nicht allzu top sind, kann man verschmerzen, da ohnehin meist gedudelt wird. Wir sind hier ja auch nicht im Land der professionellen Kritikbehörde sondern für uns hier darf man auch mal was schlecht machen.
Am Besten fand ich eine sehr lange, fast Tangerine Dream Ära Zeit/Atem-mässige Passage, bei der Fiske das Mellotron bediente. Ich bin dann am Ende natürlich auch ganz vor gegangen und hab ihm zugekuckt, wie er während der Zugabe drei oder vier kleine Underberg-Fläschchen leerte. Wenn man bedenkt, dass er nur einen Job als Halbtagsspringer bei denen hat, finde ich seine Leistung sogar am beeindruckendsten. Gut gemacht, Reine.
(Ralf, 26.11.20)
Di. 08.10.19 The Cavemen (NZ) - Köln, Sonic Ballroom (ca. 40 Zuschauer)
Die Cavemen aus Neuseeland sind sowas wie das vollendete Glück. Happiness und Herzwärme, Wohlgefühl und Entspannung stellen sich gleichermassen ein. Die Cavemen sind ein Glückhormon, die Formel für vollendete Seeligkeit. Zur nachhaltigen Wirkung wende man die Cavemen täglich an.
Die Packungsbeilage sagt allerdings: Dies mag nicht zutreffen für Zeugen Jehovas, Jürgen Fliege und Michelle Bolsonaro.
(Ralf, 9.10.19)
   
   
Fr. 06.09.19,
Sa. 07.09.19
Berlin Beat Invasion 2019 - Berlin, Marie Antoinette (ca. 200 Zuschauer)
Die Berlin Beat Invasion ist quasi das Schwester-Festival des Garagevilles in Hamburg, auch wenn sie sich nicht gemeinsam organisieren. Es geht immer los mit einem Abend in irgendeiner Bar, wo DJs zum Vorglühen einladen. Dann kommen zwei Hauptabende mit Livebands in einer größeren Location (woanders muss ich mich immer auslachen lassen, wenn ich von einem "großen" Liveclub spreche, in den dann gerademal  250 Leute reingehen) und am Sonntag gibts nen Ausklang auf einer Bootsfahrt, wieder mit DJs oder manchmal auch kleiner Kapelle.

Der Live-Freitag bot Folgendes:

The Jack Cades (UK)
Dafür, dass sie ja fast schon sowas wie eine Supergroup der aktuellen britischen Garage-Szene sind, war der Auftritt für mich doch sehr enttäuschend. Ich finde jede ihrer anderen Bands besser und hätte von dem Promi-Paar Mike Whittaker (The Baren Four, Thee Vicars) und Elsa Grooveh (The Missing Souls) doch mehr Inspiration erwartet. Mole, ein weiterer Meilenstein und vielleicht der beste Musiker den die Garageszene momentan zu bieten hat, trägt offensichtlich nicht mehr als seinen Drums-Part bei, denn auch seine anderen Bands (The Embrooks, The Baron Four) haben bessere Songs als die Jack Cades zu bieten. Ich war wirklich sehr gespannt, ehrlich gesagt, so gespannt wie bei keiner Band des Festivals und vielleicht waren auch nur die Erwartungen zu hoch. Das Problem bei den Jack Cades bin also eher ich selbst, hehehe. Trotzdem Fazit: langweilig.




Los Malinches (ES)
Spanische Band mit Garage, Surf and “Psicodélico”, wie er in den späten 60er überall in Lateinamerika gespielt wurde. Mit dem Drummer als Hauptakteur, Sänger und Entertainer eine lustige Kombi. Songs und Darbietung wussten zu überzeugen, leider bin ich aber kein allzugroßer Fan weder von Surf noch von dem ganzen Lateinamerika-Kram. Ich mag die spanischen Bands der 60s-Szene, ehrlich gesagt, am wenigsten. Auch der ganze Texmex und Co., das ist nicht so mein Ding. über die hier möchte ich aber nichts Schlechtes sagen. Die waren sympathisch und unterhaltsam. Die Coolness kam nicht aufgesetzt rüber sondern hatte ne ordentliche Portion Selbstironie.


The Mourning After (UK)
Werden als legendäre Gang gehyped, da sie zwischen 1987 und 1999, also schon vor längerer Zeit aktiv waren und hier und da gute Gigs an Land ziehen konnten. Ich fand sie auch ok und sympathisch, aber wenig catchy, etwas hüftsteif und auch wenig originell, will sagen, es wundert nicht so ganz doll, dass man wenig von ihnen gehört hat.


Das Liveprogramm am Festival-Samstag:

The Colour Collection (NL)
Ganz neue Band aus Eindhoven, die hier ihren ersten Gig in Deutschland hatte. Ich fand sie ausgezeichnet. Auf einer Orgel, die viel Melodie machte und von einer 66er-12string-Byrds-Gitarre gekontert wurde, bauten sie ihre stimmigen Kompositionen auf, darunter eher zurückhaltende Rhythmik, so dass der Punk der Band eigentlich das Mädchen an Gitarre und Gesang war.


Les Synapses (F)
Ich liebe diese Kombo aus Le Havre über alles. Für die tanzfreudigen Partypeople war das aber leider der psychedelischen Kost zu viel. Auch die GoGoGirls konnten den Rhythmuswechseln nur schwer folgen. So leerte sich der Saal zu meiner Freude. Das mainstreamigere Publikum, das die einfacher verständlichen Botschaften liebt, durfte sich jetzt eine Pause gönnen. Das sind ja dann die Leute, die über die DJs reden, wenn man sich über das Programm des Abends unterhält. Lustig, wie man sich manchmal falsch verstehen kann.
Bei den Synapsen also diesmal nur noch die wahren Gourmets im Saal. Tat ihnen keinen Abbruch und beeindruckte sie überhaupt nicht. Die wissen auch schon seit 20 Jahren wo sie hingehören, nämlich ins Nirgendwo, aber dafür werden sie immer eine Legende sein, auch wenn sie vielleicht keine Nachahmer finden werden. Das wäre das Coolste überhaupt ... wenn junge französische Bands anfangen würden, mit French-Psychedelic-Beat berühmt zu werden und in Interviews bei Letterman "Les Synapses" als ihre Wurzeln nennen würden.



The Woggles
(USA)
Wow, das erstemal in Berlin, dass ich Rudi Protrudi auf einem Konzert sehen konnte. Natürlich war er nur (wenigstens) wegen den Woggles gekommen, schätze ich mal, denn während den anderen Bands bekundete er offensives Desinteresse und laberte irgendwelche Kids voll, die willig waren, ihm zuzuhören. Dazu breitete er seine halbmeterlangen Fransen der Wildlederjacke um sie wie ein Dracula kurz vor dem Biss.
Manfred gönnte ihm ein kurzes Gespräch in der öffentlichkeit, dann ging es los. Die Alltime-Fave-Party-Kings mit dem Schmiss und der Erfahrung von 30 Jahren 60-Garage-Rock'n'Soul. Immer noch eine der besten (wenn nicht überhaupt DIE beste) Livebands der Nische. Ich habe sie ja schon hundertmal sonstwohin gelobt.
Zwei Gitarristen haben sie schon in den Sarg gerockt. Der eingesprungene Gitarrist Graham Day (The Prisoners, Solar Flares, Thee Mighty Caesars) ist ein Veteranenkumpel des verbleibenden, aus Atlanta stammenden Trios, konnte die Riffs aus dem FF und hätte vergessen lassen, dass er kurzfristig eingesprungen ist, hatte aber leider den einzigartigen Bewegungsstil seiner Bandkollegen noch nicht drauf, haha. Fast immer wenn Hagstrom seine Klampfe in den Himmel schob, hatte er seine grade unten und umgekehrt. Das nahm dem bedauernswerten Kerl aber keiner übel, denn er schmiss sich wirklich ins Zeug wie ein ganz großer Woggle. Diese speziellen Moves, diese Bewegungseleganz, der richtige Schritt im richtigen Moment, einmal ausholen, dann hoch mit dem Ding und so halten, dass man immer noch spielen kann ... das ist allergrößte Kunst und das hat man nicht von heute auf morgen drauf. Ich war sehr beeindruckt und da die Band eine derart sympathische Ausstrahlung besitzt, können sie eh nix falsch machen.
So haben sie also auch der Berlin Beat Invasion den würdigen Ausklang verschafft. Woggles: Love Forever!

(Ralf, 10.10.20)

Der zweite Abend der Beat Invasion gefiel mir deutlich besser als der erste und gab der Sache das Gefühl, wenigstens vom Programm her einer rundum gelungenen Veranstaltung beigewohnt zu haben.

   
   
Di. 30.07.19 Boogarins, Carnivore Club - Berlin, Kantine Berghain (ca. 150 Zuschauer)
Die brasilianischen Boogarins sind eine sehr besondere Entdeckung, die ich nur über Frank Sawatzkis Monats-Mix-Tape kennenlernte. Anfangs fand ich sie noch grenzwertig lahm, aber die einzige moderne Band, die ähnlich wie Dungen den 70er-Psychedelic-... naja...fast schon eher ...-Prog-Rock ausatmet, und zwar sehr sehr deckungsgleich.
Und wie man sich's versieht, spielen sie um die Ecke. Im Konzert dann doch auch mit Druck aber dennoch sehr weich, ich finde eigentlich sogar, dass ich bislang keine Band kennengelernt habe, die eine größere ähnlichkeit mit den von mir sehr geliebten Camel haben.
Ich gehe ja schon seit Jahren mit einer Liebeshymne auf Camel schwanger, Untertitel: "The Return of the Lame", hab nur noch nicht die Muse gefunden. Ebenso habe ich schon Stunden verbracht, die definitve Ode an Gentle Giant zu beginnen, leider wurde auch das bislang nicht fertig gestellt. Ah, freut euch, meine armen Seelen .... ich glaube, ich werde bald einen Ratgeber "Prog für Punks" schreiben, haha.
Boogarins fand ich wirklich sehr beeindruckend, vielleicht auch, weil es doch sehr anders ist, als viele der Konzerte die ich sonst besuche. Kein oder nur wenig Krach, auch für mich grenzwertig unerhörte Handwerkskunst, vorallem vom Drummer, was ich mir dann doch nur gutreden konnte, weil der so facettenreich war, insbesondere in der Dynamik, denn da schwächelten manche aus den 70ern.
Alle anderen waren aber sehr cool, der Sänger vielleicht etwas over im Acting, etwas zu viel sichtbares Gebiss für meine Toleranzgrenzen, vorallem aber, weil es Freude und nicht Frust ausdrückte, hahaha. Hat mir doch erst heute mein Freund Daniel von einem Mädchen erzählt, das er letztens traf und das mich aus meiner ganz frühen Jugend kennt ... also der Bereich, den man gerne im Dunkeln hält ... und die hätte gemeint, "der Ralf hat sich ja irgendwann ganz schräg entwickelt, was Musik betrifft. Der hörte dann immer Punk und so." Und daher denke ich nicht, dass ich den Freunden von Kickin Ass erzählen muss, dass "zuviel Gebiss aus Gründen der Freude" in diesem Land eher schlecht ankommt!
Komisch hier in der Kantine zum Berghain nur das Publikum. Ausser einem oder zwei älteren Genossen mit Fusselhaaren, verspeckter Leberweste und Bikerranzen habe ich niemanden entdeckt, dem ich Wurzeln in dieser Musik zugetraut hätte. Ich vermute mal, dass dies am Brasilianersein lag, denn die meisten schienen einfach nur wertfrei von musikalischen Aufträgen die Landsleute zu feiern. Ich gebe aber auch offen zu, immer mehr Probleme mit dem Fehlen jeglicher Differenzierungsmerkmale der heutigen Jugend zu haben. Ein Punk ist ein Punk, ein Ted ist ein Ted, ein Popper ist ein Popper, ein Rocker ist ein Rocker, ein Emo ist ein Emo, ein Gruftie ist ein Gruftie usw., all diese Klarheit der Abgrenzung gibt uns die Jugend heute nicht mehr. Sei so in Ordnung. Macht es uns allen aber schwerer.
Boogarins haben mir gut gefallen.
Carnivore Club fand ich merkwürdig. Hat mir nicht gefallen und kann ich auch überhaupt nicht einschätzen, weil da wieder keine Roots auszumachen sind, siehe Abgrenzungsdifferenzierung_HEUTE.
(Ralf, 7.10.20)
   
Mi. 19.06.19 The Monsters - Berlin, Cortina Bob (ca. 120 Zuschauer)
"The next song is even more stupid than the one before!" war nicht die einzige Aussage mit der die Monsters einen Laden mal wieder mit ihrem natürlichen Charme zum Kochen brachten. Aber was folgte entsprach total der Wahrheit und mir fällt gerade keine Band weltweit ein, die dem Etikett PRIMITIVE so herrlich entspricht und dennoch zu keiner Sekunde blöd oder langweilig wird. Ich frage mich immer nur wo die Punks sind, wenn mal das stattfindet, was sie interessieren müsste. Wahrscheinlich auf einem Konzert, bei dem "Post Hardcore mit Emo-Core "oszilliert"". Na denn wohlsein!
(Ralf, 20.6.19)
Fr. 08.06.19 Joseph Boys - Berlin, Schokoladen (ca. 40 Zuschauer)
Solide gespielter deutschsprachiger Punk dieser erfahrenen Veteranentruppe aus Düsseldorf. Interessantere kompositorische Finessen waren allerdings höchstens und auch nur äußerst gelgentlich der Gitarrenarbeit zu entnehmen. über die Länge der fast einstündigen Show dann mehr und mehr eintönig. Nichts Raues oder Rotziges im Klang.
Auch der Rhythmus, der nur zwei Geschwindigkeiten (Midtempo-Stampf und gelegentlich zwei Stockwerke schneller) anbot, dazwischen fast keine dynamischen Mittel, sowie die Einsilbigkeit des Sängers, über dessen Stimme leider überhaupt nichts Besonderes oder sonstwie Nettes bemerkt werden kann, trugen nichts gegen die fortschreitende Langeweile bei. Punk, wie er sich seit den 90ern nicht mehr verändert hat. Von Dead Kennedys bis NoMeansNo wird alles verarbeitet aber nichts Eigenes hinzugefügt.
Für die Texte mag das nicht gelten, doch die hab ich kaum verstanden. Wenn man sich das mal genauer aus den Studioaufnahmen anhört, ist das durchaus ok, auch wenn es sich weder inhaltlich noch künstlerisch von dem abhebt, was die deutschen Punktexter heute so insgesamt bieten. Leider fällt hier noch deutlicher auf, wie sehr sich die gesangliche Performance anhört, als würde einfach etwas vom Blatt abgelesen, das noch nicht mal die eigene Gefühlswelt ergreift. Intention, Geist und Spielfreude sind völlig in Ordnung, aber was fehlt, um es interessant zu machen, ist vorallem Persönlichkeit in der musikalischen Kreation und auch bei den darbietenden Menschen. Das kann man nicht erzwingen, aber so bleibt es eben nicht mehr als ... solide gespielter deutschsprachiger Punk.
(Ralf, 9.6.19)
Fr. 24.05.19 Gewalt - Ulm, Hudson Bar (ca. 40 Zuschauer)
Gewalt mal auswärts zu sehen, fand ich schon mal sehr spannend. Wie reagieren die Menschen anderswo darauf? Da ich die Hudson Bar aber kenne, wollte ich aber geradezu platzen aufgrund der Neugierde, wie sich das wohl anfühlt, wenn die die Rückwand des Ladens umblasen. Dazu müsste aber natürlich auch entsprechend PA-Material aufgestockt werden, da die hudson-übliche Ausstattung den Erfordernissen von Gewalt sicherlich nicht Genüge tun würde. Wie bindend wird wohl der Technik-Rider der Berliner Band um den manischen Idealisten Patrick Wagner (Ex-Surrogat) erfüllt? Oder haben die etwa keine Anforderungen an den Veranstalter formuliert, was ich eigentlich nicht ganz verstehen könnte, denn ohne die klanglichen Möglichkeiten kann sich Gewalt ja eigentlich gar nicht den nötigen Ausdruck verleihen. Oder doch?
Und natürlich gab es keine klanglichen Möglichkeiten und das führte zu minutenlangen Unterbrechungen, wie auch schon als ich sie das erste Mal im Schokoladen sah (aber wohl nichts darüber geschrieben habe, tztztzt). Sogar die mitgebrachte Mischerin, die aber kurzfristig an den Bass wechseln musste, weil die eigentlich Bassistin keine Zeit hatte und der eigentliche Ersatzbassist ebenfalls ausfiel, konnte die Situation trotz Hilfseinsatz am Mischpult nicht retten.
So spielten sie eben "akkustik", wie Wagner das formulierte.
Als sie sich dann aber abgefunden hatten, bewiesen sie, vielleicht auch sich selbst, dass eine mitreissende Performance auch ohne fehlenden Schalldruck möglich ist. Wagner hat seinen Wahnsinn nahbar gemacht. Das Publikum wird eingefangen und Gewalt macht auch im kleinen Schwäbischen Boden gut. Was eigentlich überhaupt nicht verwundert. Daher waren alle meine Fragen und meine Spannung sinnlos, denn die Antworten kannte ich schon vorher.
(Ralf. 6.10.19)
Sa. 18.05.19 Wild Evel And The Trashbones, Painted Air - Berlin, Wild At Heart (ca. 120 Zuschauer)
Painted Air aus Hamburg mit 60s-Rock, der etwas Psychedelic, etwas Surf und viel tarantino-rodriguez-eskem Charme einbringt. An den Drums der Hamburger 60s-Hansdampf Tripsi. Nicht nur ein guter Musiker und begnadeter DJ, sondern auch ein sehr lieber Kerl.
Wild Evel wieder mit einer feurigen Show. Sie haben den Rock'n'Roll definitiv nicht neu erfunden. Nicht ein Ton, der nicht nach tausend ausgelöffelten Konserven riecht, aber die Darbietung ist glühend und der Frontmann bringt die Theatralik, die den Unterschied ausmacht. Dazu ist er keineswegs ein Arschloch sondern hat seine Füße fest auf dem Boden der Selbstironie und Demut. Die Band brennt, Leute. Schaut sie euch JETZT an.
(Ralf, 6.10.19)
Mi. 01.05.19 Die goldenen Zitronen, Skills - Berlin, Festsaal Kreuzberg (ausverkauft)
... also wenn schon das Ambiente oder die Bands an sich einen genussvollen Abend erschweren, dann möchte ich wenigstens schnell trinken und rauchen können. Beides ist in Lokationen dieser Dimension schwer bis unmöglich, manche kriegen das halbwegs hin, die meisten eher nicht. Die Erschwernis steigt mit der Besucherzahl und erleiden den Katastrophen-Status, wenn das Ausverkauft-Schild draußen hängt.
Rauchen muss man in nem Laden dieser Dimension natürlich auch draussen, so dass ich mir, als ich ENDLICH mein erstes Bier in der Hand hatte, zur Erholung einen Stengel vor der Tür gönnte. Zurück positionierte ich mich schon mal strategisch günstig um eine kommende Flaute am Tresen abzupassen und sah mir das Geschehen der Vorband Skills aus der Ferne an. Band ist natürlich falsch. Das sind zwei Performance Künstlerinnen, die elektronische Livemusik dazu produzieren und meist gesellschaftspolitische Themen vertreten, im Rahmen eines Zitronen-Konzerts daher inhaltlich passen, musikalisch eher nicht. Und daher für mich auch eher aus der Ferne ausreichend.
Kam dann einer mit hochgezogenen Augenbrauen angewackelt, den Zeigefinger auf den Wartepulk am Ausschank, glotzt mich an und fragt mich, "dass dies wohl nicht allen Ernstes der einzige Ausschank sei", was einem ja dann so das Gefühl gibt, wenigstens nicht der einzige zu sein, dem das übelst aufstösst.
Auch wenn der Veranstalter gewechselt hat und der Umbau der Theke eine Verbesserung gebracht hat, ist das hier immer noch nicht nachvollziehbarer Schwachsinn, denn die könnten dreimal soviel Bier verkaufen, wenn überhaupt schon mal etwas mehr Personal da wäre.
Das Gedrängle kann ich leider auch nicht mehr ab, so dass es eigentlich gar keinen halbwegs akzeptablen Platz mehr gab im Saal und ich die Zitronen ausnahmeweise mit Zwangsabstand sah. Die neuen Songs müssen wiedermal erst bei einem ankommen, was aber nachwievor für deren Qualität spricht.
Als Fazit bleibt aber ein ärgerlicher Abend, siehe Eingangsnotiz. Mehr muss eigentlich nicht gesagt werden ... und das an einem Abend, an dem eine Band spielt, die langsam aber sicher (zumindest den heutigen Stand betrachtet) meiner eigentlichen deutschsprachigen Lieblingsband den Rang abläuft!!!
(Ralf, 6.10.19)
   
   
Sa. 23.03.19 The Shook-Ups!, Beatrevolver - Berlin, Wild At Heart (150 Zuschauer)
Beatrevolver aus Köln sind ein Vierer mit Orgel um die sympathischen Beat-Freaks Werner und Gunnar aus Köln, deren Remains-beeinflusster Beat-Punk erfreulicherweise nicht zu sehr an Genre-Klischees haftet sondern auch mal einen Melodien-Ausflug wagt. Besonders stehen ihnen die Balladen, finde ich.
The Shook-Ups! aus Liverpool sind eine Partykanone. Der Sänger ist eine Sean Bonniwell-Kopie, die an zappeliger Clownerie schwer zu überbieten ist. Nach seiner Statur zu schliessen, ist er nicht gerade ein Gesundheitsfanatiker, aber die Sorgen, dass er noch während der Show kollabieren könnte, wischte er mit einem Lachen zur Seite. Auch wenn er, bei allem was er macht, drei Striche im Roten ist, so wirkt es dennoch nicht gespielt. Der scheint einfach so zu sein und das macht es gut und angenehm unterhaltsam.
Aussergewöhnliche Musik haben sie nicht zu bieten, auch keine wirklich grossartigen Songs, aber sie feuern ihre solide 60s-Kost sauber runter und ihre Pluspunkte sind eben die Show, der Drive und der Enthusiasmus.
(Ralf, 24.3.19)
Sa. 23.02.19 Komplikations, Pale Lips - Berlin, Urban Spree (150 Zuschauer)
Komplikations, die mit einem Fuss in Deutschland und zweien in Beligen stehen, sind immer noch die radikalsten mir bekannten Synth-Punks nach den Screamers. Und genau wie jene haben sie ein echtes Drumset, was sie deutlich gefährlicher werden lässt denn alle jenen, die dem elektronischen Beat frönen (dem ich zudem noch nie etwas abgewinnen konnte ... ausgenommen vielleicht Big Black oder auch deren Epigonen wie Gewalt).
Sie sind herzerweichend aggressiv und ein wenig depri, aber weit entfernt von irgendwelchem pathetischen oder hängebackigem Gothic-Habitus. Hier zwinkert das Auge, die Selbstironie und der Holzhammerhumor des Punks sind allgegenwärtig und bewahren davor irgendwohin abzustürzen. Sie stehen, sie sind aufrecht, sie sind angepisst.
Dennoch hat's mich an diesem Abend nicht so geplättet wie die ganzen vorigen Male. Muss an mir gelegen haben, denn auch die Pale Lips fand ich heuer nicht sehr mitreissend. Die Pale Lips sind eine kanadische All-Girl-Truppe, die mit mehr als nur nettem 70s-Bubblegum-Punk eigentlich überzeugt, denn der Trash-Faktor ist auf einem angenehm hohen Level, dennoch sind sie gut und stilvoll genug, um dem Charmanter-Dilettantismus-Etikett zu entgehen. Die kriegen das über die Bühne ohne schmalzig oder peinlich zu werden, aber man muss schon in der Stimmung sein, unschuldigen Spass annehmen zu können, was bei mir diesmal wohl nicht zutraf. Zu ähnlich waren mir Riffing und Tempo von Song zu Song. Nicht mein Tag, Leute, denn beide Bands sind Hammer! Heute ist der Autor das Manko.
(Ralf, 23.4.19)
So. 17.02.19 Mute Swimmer, Ionian Death Robes, Ignatz Höch - Berlin, Donau 115 (30 Zuschauer, packed!)
Wenn man die allgemeine Trostlosigkeit im kreativen Schaffen der heutigen Musik betrachtet, ist auch der Folk nicht davor gefeit. Jeder Strassenmusiker jammert heute im selben vor ungefähr 25 Jahren geprägten Indie-Stil vor sich hin, was sich als ein weiterer Grund etabliert hat, dass ich Fussgängerzonen meide.
Nicht so Guy Dale, der Mensch hinter Mute Simmer. Guy folgt keiner Vorhersehbarkeit. Er vermag seine Songs in viele Gewänder zu kleiden und höchst unterschiedlich zu arrangieren, auch mit variablen Besetzungen und Instrumentierungen. Wiederholungen und damit Langeweile sind ausgeschlossen, denn Guy findet immer neue Wege.
Im Donau115 bediente er sich ausser Akkustikgitarre und Stimme keiner weiteren Mittel, doch dadurch konnte man seine ursprünglichen Qualitäten erspüren. Dazu zählt für mich als erstes seine völlig unprätentiöse Art, ein Publikum durch seine Ausstrahlung einzuwickeln. Seine wunderbare tiefe, leicht rauhe Stimme und der fast schon gespenstische Flow des Gitarrenpickings tragen die Songs, aber darüber schwebt die Fähigkeit, seine Emotionen offenzulegen.
Ich habe es schon öfter gesagt und es gilt nachwievor: Mein Zugang zu Kunst funktioniert nur über die Emotion. Da ist ein Rezeptor offen und wenn die Kunst noch so hochwertig ist, wird der passende Schlüssel nicht angeboten, dann rauscht das an mir vorbei und ich kann es nur mit dem Verstand würdigen und das ist mir zu wenig. Ich brauche Gefühle und sind wir im Spiel.
Guy zeigt seine Gefühle und beseelt nicht nur seine Musik damit, sondern seine ganze Performance, sein Standing, seine Ansagen und das ist keine Show, sondern das ist Natürlichkeit, schafft Sympathie und die schwappt über. Die Folge ist ein mucksmäuschenstilles Publikum und der Moment des Abends, als eines der anwesenden Mädchen beim Refrain so hörbar mitsummt, dass Guy vor lauter Ergriffenheit den Refrain noch zweimal wiederholt.
Ich könnte euch mehr erzählen über ungewöhnliche Akkordfolgen, überraschende Stop-and-Gos, über Dynamik, die von flirrender Stille bis zu Ausbrüchen führt, dass man das Holz der Gitarre wie das Gebälk eines alten Schiffes ächzen hört und Guys Ruf, der, Augen und die Stimme nach irgendwo gerichtet, noch die Vögel im Nachbarviertel aufflattern lässt.
Glücklicherweise gehen die Momente, in denen der Rezeptor geradezu überschwemmt wird, über meine bescheidene Kraft hinaus, das in Worte zu fassen. Mute Swimmer sei euch aber als besondere Ausnahme ans Herz gelegt, wenn ihr euch für Folk/Singer-Songwriter interessiert und mehr hören wollt, als das übliche Indie-Klischee.
Davor machten sich die Ionian Death Robes bereits daran, dem Abend Tiefe zu geben. Auch wenn sie auf das ominöse Laptop noch nicht ganz verzichten, das die beliebte Mischung aus düsterem Rauschen und Brummen als Teppich von sich gibt, so beweisen sie, dass sie auch alleine mit Flöte und Geige eine sehr dichte Atmosphäre schaffen können, mit einfachsten Mitteln, mit wenigen aber den richtigen Tönen und mit dem nötigen Einfühlungsvermögen. Die beiden Damen überzeugten vorallem aber auch mit einem klugen Händchen für die Länge des Sets, das nur aus zwei längeren Stücken bestand und damit den bereits überschrittenen Zeitplan des Abend entspannte.
Damit wäre auch alles das beschrieben, was Ignatz Höch fehlt, der als erster die Bühne, also die Ecke des etwa wohnzimmergrossen Donau115 in der die Künstler stehen, betrat. Ignatz würde ich als perfektes Beispiel für Outsidertum beschreiben, ob kalkuliert oder nicht, kann ich von diesem ersten Eindruck her nicht beurteilen. Die techno-inspirierte, vorproduzierte Musik aus dem Laptop ist sperrig, was ja mal nicht grundsätzlich schlecht ist, effektiv aber auch nicht wirklich gut. Dazu spricht und singt er ohne Phrasierung, ohne Orientierung an Tonhöhe oder Bindung an Gefühle, seine Texte, die er auf dem Klemmbrett vor sich abliest. Die Länge des Sets wirkte ebenso unsensibel wie eigentlich alles andere auch. Es fühlt sich fast schmerzhaft an und seine Aufregung ergreift mich derart, dass mir unwohl wird und ich nicht mal in der Lage bin, seinen Texten zu folgen. Der einzige Grund, warum Ignatz nicht zum ärgernis wird ist, dass er in seiner Unbeholfenheit nicht unsympathisch ist und wir hier ausserdem in Berlin sind, einem Ort der diese Dinge ermöglicht. Und das muss so bleiben! Dafür auch herzlichen Dank an das Stille Kammer Art Collective, das das Konzert veranstaltet hat.
(Ralf, 17.03.19)

Sa. 12.01.19 The Morlocks, Ghost Lee - Berlin, Urban Spree (200 Zuschauer)
... und ich hab geschrien! Wisst ihr wielange ich auf keinem Konzert mehr geschrien habe? Was letztes Jahr im Bassy, wie immer dort, ok aber bei weitem keine Sensation war, hat sich jetzt zu einer entpuppt. Das aktuelle LineUp der Morlocks ist ein Killer! Leighton Koizumi ist nachwievor ein superlustiger Entertainer und hat eine phantastische Stimme.
Die restliche Gang besteht aus den beiden Deutschen Bernadette Pitchi (Gee Strings) und Oliver Pilsner (The Magnificient Brotherhood u.a.), dem Sarden Marcello Salis und dem berüchtigten Niederländer Rob Louwers an den Drums. Insbesondere auch bei ihm fällt es schwer, sich vorzustellen, wie die Band vorher ohne ihn klargekommen sein kann. Diesen Abend zu toppen wird eine schwere Aufgabe für das junge 2019.
Dabei klagte Bernadette noch vorher über Equipment-Probleme am ersten Abend der Tour. Und wie lustig, dass es auch am heutigen Abend Schwierigkeiten gab, diesmal aber am Bass-Amp, der bei Ghost Lee noch fabelhaft funktionierte. Doch die fast halbstündige Aktion mit schliesslichem Komplettabbau des Stacks und Neuaufbau von vermutlich hinten im Laden rumliegendem Kram war quasi nicht nur unhörbar, nagte aber vorallem auch keineswegs an der Tatkraft der Wesen aus dem Dunklen mit dem unstillbaren Hunger auf die Eloy, hahaha. Recht so! Ich fand an der Zeitmaschine immer nur einen Fehler und das war das mögliche Happy End. Ich hätte mir gewünscht, die Morlocks hätten ihre Schreckensherrschaft ausgedehnt und diese langweiligen tumben Blondies alle aufgefressen.
Im Urban Spree legten sie jedenfalls los wie die Hunnen und frassen sich mit viel Können, tollen Kompositionen und einem perfekt abgestimmten Set in unsere Herzen. Die sind eigentlich schon so gut, dass den Sprung auf die grössere Bühne schaffen können. Ich bin gespannt.
Ghost Lee, die ich immer noch für ihren Smash-Hit 'Doubles' liebe, deren Psychedelic Rock für meine Begriffe aber immer noch zu wenig vom dem schöpft, was 'Doubles' vorgeschossen hat, bahnten dennoch solide den Weg für die aktuell in Düsseldorf verheimateten Menschenfresser. Das war wirklich ein sehr unterhaltsamer Abend.
(Ralf, 23.2.19)

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