Konzertbesprechungen 2017

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Ryan Adams (Berlin, 17.7.17) - Balagan (Berlin, 23.8.17) - The Baron Four (Berlin, 24.3.17) - The BeatORGANisation (Berlin, 15.4.17) - Berlin Beat Explosion (Berlin, Tag 1: 15.9.17, Tag 2: 16.09.17) - Bikes (Berlin, 10.2.17) - Black Lips (Berlin, 4.11.17) - Black Magic Tree (Berlin 25.3.17) - Blind Butcher (Berlin, 19.2.17) - Bobkat 65 (Hamburg, 21.4.17) - Nick Cave & The Bad Seeds (München, 2.11.17) - Kid Congo & The Pink Monkey Birds (Berlin, 15.11.17) - The Courettes (Berlin, 12.5.17) - Les Darlings (Berlin, 12.5.17) - Death Valley Girls (Köln, 7.2.17) - Demon's Claws (Berlin, 23.8.17) - The Diamond Family Archive (Berlin, 17.10.17) - Einstürzende Neubauten (Berlin, 14.11.17) - Fotzen Power Germany (Berlin, 18.2.17) - Fred & Toody (Köln, 9.2.17) - The Fuzztones (Berlin, 3.11.17) - Garageville (Hamburg, Tag1: 21.4.17, Tag2: 22.4.17) - Ghost Lee (Berlin, 3.11.17) - Holly Golightly (Köln, 9.8.17) - The Gories (Berlin, 06.07.17) - Häxxan (Berlin, 06.07.17) - The Headlines (Berlin, 8.7.17) - The Jackets (Hamburg, 21.4.17) - Kaczka (Köln, 10.7.17) - Komplikations (Berlin, 3.3.17) - Küken (Berlin, 10.2.17) - Lianne Hall (Berlin, 17.10.17) - The Masonics (Hamburg, 22.4.17) - The Membranes (Berlin, 6.9.17) - Missing Souls (Berlin, 24.3.17, Hamburg, 22.4.17) - Muscle Barbie (Berlin, 3.3.17) - Needle Exchange (Berlin, 10.2.17) - Os Noctàmbulos (Hamburg, 22.4.17) - The Pacifics (Hamburg, 21.4.17) - The Pale Lips (Köln, 10.7.17) - Thee Penny Dreadfuls (Hamburg, 22.4.17) - Anax Dryander & His Polyversal Souls (Berlin, 23.2.17) - Powersolo (Villingen, 1.4.17, Berlin 25.3.17) - Pram (Köln, 4.5.17) - Fee Reega (Berlin, 17.10.17) - Reverend Beatman (Berlin, 28.1.17) - Ringostarwars (Berlin, 18.2.17) - The Roaring 420s (Berlin, 16.9.17) - Royal Trux (Berlin, 4.8.17) - Saba Lou (Köln, 8.8.17, Berlin, 4.11.17) - Scum Babies (Berlin, 3.3.17) - Ty Segall (Berlin, 24.8.17) - Sick Horse (Berlin, 18.2.17) - The Sick Rose (Hamburg, 21.4.17) - TV Smith (Köln, 24.1.17) - Steal Shit Do Drugs (Köln, 7.3.17) - The Stangs (Berlin, 16.9.17) - Les Synapses (Berlin, 15.4.17) - UK Subs (Köln, 24.1.17) - The Urges (Berlin, 15.9.17) - The Wrong Society (Berlin, 6.1.17, Berlin, 15.9.17)

Mi. 15.11.17

Kid Congo & The Pink Monkey Birds - Berlin, Urban Spree (ca. 120 Zuschauer)
Er war hübsch, er war jung, er war sympathisch, er war da: Der Chicano Brian Tristan in den späten 70ern LA's. Er konnte nichts, doch sie brachten es ihm bei. Und der Rest ist Historie. Ich hätte nicht wirklich gedacht, dass er alleine klarkommt, doch die Pink Monkey Birds sind ein hervorragende Band in ihrer zweiten Inkarnation, denn The Kid folgte seinem Lebensgefährten wegen dessen Job ans andere Ende der Staaten.
Doch auch die Ostküsten-Version der Birds funktioniert herausragend und lässt den guten Mann in seinem Draculaumhang und der Schmiere im Gesicht wunderbar dastehen. Er macht nicht viel ausser einen schlitzohrigen Entertainer zu geben, lustig und nicht aufgeblasen, aber die Songs sind abwechslungsreich und meist erlesen durcharrangiert/instrumentiert. Ein sehr schönes, unterhaltsames Konzert.
(Ralf, 15.1.18)

Di. 14.11.17

Einstürzende Neubauten - Berlin, Columbiahalle (viiiiel zu voll!!!)
Die Ironie springt ja geradezu durch einen durch: Greatest Hits der Einstürzenden Neubauten!
Folglich aber: Ist die erste Platte, die ich mir nicht kaufen werde. Für ein paar Remasters?!? Dennoch: Hat wohl einen ganz schönen Rummel ausgelöst, denn zum ersten Mal seit den 80er Jahren konnte ich mich auf einem Neubauten Konzert nicht frei bewegen. Als ich zu den Zugaben nach hinten ging, wurde erst klar WIE unerträglich voll das war. Quasi bis zum Ausgang standen die Leute total gequetscht. Ich möchte nicht wissen, wieviele zugelassen sind, aber 200-300 Leute hätte man mindestens draussen lassen müssen, um wenigstens hinten etwas Luft zu haben. Für 20 Euro hätte ich mich so vielleicht noch zufrieden gegeben, aber für FÜNFZIG ... !!! Dabei hatte ich eh lange überlegt, wie ich so nen Eintrittspreis vor mir selbst rechtfertigen könnte.
Und wenn man dann im Gespräch nach dem Konzert Urteile hört wie: ".. das kracht einfach nicht mehr" oder "die Leute sind ja kaum abgegangen" oder während des Konzerts wieder hunderte von laut quatschenden oder verzweifelt partygeilen Leute ertragen muss, dann merkt man, dass die Werbetrommel wieder mal die Halbinteressierten mit auf den Plan gebracht hat.

Bitte hier ein beleidigendes Wort Eurer Wahl eintragen, für Menschen, die 50 Stutz für ein Konzert bezahlen das sie nicht interessiert oder sie keinen Blassen haben, was sie erwartet und deswegen hinterher enttäuscht sind (und dies auch noch lauthals kundtun):

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Aber selbst wer 1994 das letzte Mal auf einem Konzert war, wie unsere Gesprächspartner im Raucherhof, sollte sich erinnern können, dass schon damals keine Wände mehr durchbohrt wurden und keine glühenden Späne ins Publikum schossen. Die Verfeinerung ihrer Methoden haben die Neubauten vom ersten Tag bis heute konsequent verfolgt und sind damit nachwievor die Front der Anarchisten und Avandgardisten der deutschen populären Musikkultur. Mir gerade recht, wenn alle, die davon nichts wissen wollen, sich die nächsten 20 Jahre wieder mit anderen Dingen beschäftigen und Techno oder Nick Cave hören. Wer bei den Neubauten Gefahr und Chaos sucht, hat definitiv übersehen, dass wir 2017 haben.
Der Preis, die schlechte und völlig überfüllte Location und die uninteressierten, störenden, aber auch vom Sardinenleben genervten Leute beiseite gelassen, sahen wir die Neubauten letztlich unverändert. Ich fand es wie immer richtig super. Wie öfter brauchen sie ein paar Songs um richtig in den Fluss zu kommen, das Timing wackelt vielleicht sogar etwas, die Intensität baut sich erst auf. Doch spätestens nach einer halben Stunde hat man das vergessen, dann ist es ein Gewitter, voller knisternder Spannung, explodierender Stille und dem erleichternden Ausbruch, kontrolliert aber immer spannend. Es langweilt mich, wenn ich wieder mal erzähle, dass sie seit 30 Jahren meine Lieblings-Liveband sind und ich sie wenigstens einmal im Jahr sehen muss, um meine Grundzufriedenheit zu wahren. Diese Zufriedenheit allerdings wird in Gefahr geraten, sollten sich Neubauten Konzerte weiterhin in diesem Preissegment abspielen. Dann bin ich raus.
(Ralf, 30.11.17)

Sa. 04.11.17

Black Lips, Saba Lou - Berlin, Festssal Kreuzberg
Ich weiss noch, dass ich die ersten beiden Alben der Black Lips damals in den USA bestellte, weil die noch nirgends in Deutschland zu kriegen waren. Das ist etwa 13 Jahre her. Beim Konzert heute standen neben meiner Begleiterin Li zwei ekelhaft tanzende und debilst gut gelaunte Mädchen, die damals Hemd und Hose noch an einem Stück hatten.
"Du kannst das bloss nicht aushalten." sagte Li auf meinen Kommentar, den ich hier nicht in Worten wiedergeben möchte und da man Worten Taten folgen lassen soll, zertrat ich einen der Luftballons mit der Aufschrift "Black Lips", die hier fröhlich durch die Menge gestupst wurden.
Ich bin mir noch niemals zu alt auf einem Konzert vorgekommen, aber am falschen Platz schon. Dass ich auf einem Konzert einer Band, die ich eigentlich liebe, am falschen Platz sein könnte, hätte ich mir nicht träumen lassen. Nun gut, eigentlich war der beginnende Hype um die Band der Grund, dass ich mich mit ihnen unwohl fühlte, weswegen die letzte Platte, die ich mir kaufte, dann auch gleich die dritte von 2005 war. Wenn man bedenkt, dass sie nun bei der achten Platte angekommen sind, war ich vielleicht tatsächlich der schlecht informierteste Gast im Saal.
Als ich die Black Lips das letzte Mal sah, waren der Drummer und der Gitarrist noch andere Leute und jetzt haben sie zusätzlich eine Saxophonistin, für deren Teilnahme es (abgesehen davon, dass sie die Freundin von Cole ist, wie ich später erfuhr) keinen offensichtlichen Grund gibt. Sie passt weder optisch noch musikalisch ins Bild. Die beiden anderen sind ok, auch wenn der ehemalige Drummer Jack natürlich nicht nur eine Live-Augenweide sondern auch ein wichtiges Sprachrohr der Band war.
Tatsache aber ist, dass die Jungs völlig unverändert sind. Der Erfolg scheint ihnen nichts anzuhaben. Jared und Cole, die, als alte Schulkumpels, eigentlich immer schon der innerste Kern der Band waren, sind noch genauso jugendlich unprätentiös und verspielt wie vor über 10 Jahren und wenn ich jemals einer Band gegönnt habe, berühmt zu werden, dann ihnen, auch wenn ich es niemals erwartet hätte, da ihr Sound so kaputt ist (weiss ja nicht, ob das auf den Platten immer noch so wüst klingt, schätze aber nicht, dass das extrem anders geworden ist).
Was für mich ebenfalls total unerwartet kam, ist, dass die Black Lips zu Stilikonen einer ganzen Generation wurden. Kids weltweit haben Teile ihres Kleidungsstils übernommen, Bands ihre ungestüme, unverbrauchte Art, sogar die hüppelnden Bewegungen und, dass die Gitarren wieder oben gehalten werden. Den Anfang dazu haben die Black Lips gemacht und die tun das, weil sie die Musik der 60er lieben und in den 60ern haben die Bands die Gitarren eben oben gehabt. Musikhistorie für Indie-Kids von heute (hüstel).
Tja, und nun steht man da, sieht ein paar Jungs auf einer Bühne und es fühlt sich an, als hätte man alte Freunde wiedergetroffen, die nun aber zur High Society gehören, the New Beautiful Kids. Eine Geschichte wie aus dem Kino: Vom Tellerwäscher zum Millionär, nur dass der Millionär wohl noch auf sich warten lassen muss.
Angesichts der Sympathie zur Band, deren Bodenständigkeit und der Einzigartigkeit ihres Schaffens, das sich auch nach dem Hype nicht verändert hat, gibt es aber nichts zu meckern. Da muss man dann halt mal auf die Zähne beissen und 14jährige Mädchen ertragen, die tanzen wie in der Disco und am nächsten Tag bestimmt auch wieder in ihre Disco zurückgegangen sind.
Wahrscheinlich alles halb so schlimm. Aber ich war hier definitiv fehl am Platz. Ein merkwürdiges Gefühl. Vor ein paar Monaten musste ich mich mal von einer 20jährigen anschnauzen lassen, der ich auf einem Konzert in einem besetzten Haus im Weg stand. Das ist, als würde eine respektlose Göre Jimi Hendrix in Woodstock auf den Stiefel latschen und ihn dann noch deswegen anpfeifen. Also nicht, dass ich mich mit Jimi Hendrix vergleiche oder der Meinung bin, ich wäre ein wichtiger Teil einer Szene (wobei jeder einzelne ein wichtiger Teil einer Szene ist), nein, es geht um das Gefühl, auf dem eigenen Grund und Boden nicht mehr willkommen, zumindest fremd zu sein. Und das wird jeder von Euch kennen.
Das Publikum der Black Lips ist einfach zu 99% anders als vor 10 Jahren. Ein kompletter Austausch. Und sowas ist doch eigentlich schon eigenartig, oder?
Und wie die anderen 99% hätte ich mir das sogar nicht mal angetan, hätte nicht Arish Khans Tochter Saba Lou den Support gegeben. Ich war etwas erstaunt, sie hier mit Band zu sehen, da sie zuletzt in Köln noch ganz alleine mit einer halbkaputten Akkustikgitarre am Werk war. Offen gesagt, gefiel mir das sogar besser, da dies wesentlich mehr Charm hatte. Der erste Song gefiel mir noch super, doch schon am dem zweiten wurde es mit jedem Song etwas fader, da die Band die Songs zu gleichförmig interpretierte. Da fehlte ein wenig Pepp, Feuer und Abwechslung.
(Ralf, 7.11.17)

Fr. 03.11.17

The Fuzztones, Ghost Lee - Berlin, Bassy Cowboy Club (ca. 350 Zuschauer)
Man kann von Rudi "The show starts when you leave the van" Protrudi und seinen Fuzztones halten was man möchte, aber das hier war ein RICHTIG geiles Konzert. Die Band spielt wie aus einem Guss und einige der neuen Songs sind absolute Knaller. Hier ist noch lange nicht die Luft raus. 51 Jahre nach Rudis Bühnenpremiere, 37 Jahre nach Gründung der Band, die in den 80ern das Neo-60s-Revival angezündet haben, einige richtige Superhits hatten und zwischenzeitlich sogar bei RCA landeten.
Ihr Stil und ihr Image waren prägend für Generationen und sind es heute noch, denn was wären die Fuzztones ohne die schwarzhaarigen Typen, die Leder- und Steinzeitfell-Jacken, die Knochenketten und das Logo mit dem Totenkopf und den gekreuzten Vox-Gitarren. Die Fuzztones haben ihr eigenes spezielles Trademark, in Klang und Bild.
Seit geraumer Zeit residieren sie in Berlin und Rudi hat eine exzellente Band zusammen. David Thorpe ist ein Bassist, ohne dessen Fähigkeiten einige der neuen Songs überhaupt nicht möglich wären. Wenn man ihm zusieht fallen einem die Augen raus und auch wenn technisches Können für mich kein Gradmesser ist, hier ist es absolut in den Dienst der Songs gestellt, die ohne dieses Spiel nicht funktionieren würden. Und das harmoniert perfekt mit Rudis Gitarre und seiner erstklassigen Stimme. Diesem Lineup ist noch einiges zuzutrauen, Leute, auch wieder im Studio.
Und über die Livequalitäten der Band brauchen wir nicht zu diskutieren. Nochmal: Man mag von seiner Art halten, was man möchte, aber er hat das Charisma, das heute vielen Bands fehlt und die Kids springen nur allzugerne auf den Wagen auf, um dem grossen Mann in die finstere Höhle zu folgen, in der die Fuzztones ihre Ideen brauen.
Dafür konnten Ghost Lee die hochgesteckten Erwartungen anhand des vorab im Internet veröffentlichten Videos leider nicht ganz erfüllen. Der psychedelische Trip und die Referenzen an die Garage waren nur sporadisch zu spüren, die Kompositionen nicht durchgehend interessant, der Klang der Band ziemlich anders als erwartet.
Leider war der Sound im Bassy auch wieder mal weniger als unausgegoren. Das Gewirble des Drummers war viel zu aufdringlich, die Gitarre in ihren Facetten nur zu erahnen und den Theremin konnte man beim ersten Einsatz überhaupt nicht hören. Sowas trübt das Erlebnis dann doch enorm, gerade wenn man dabei ist, die Qualitäten einer Band erst mal kennenzulernen.
(Ralf, 4.11.17)

Do. 02.11.17

"LISTEN" ... to the Prayer
- Nick Cave & the Bad Seeds zelebrieren in München elektrisierte Ekstase -

Nick Cave & the Bad Seeds - München, Zenith (ausverkauft, vielleicht 7.000 Besucher?!) Foto: B.B.
Nick Cave schafft es spielend bis zu 10.000 Menschen zu seinen Konzerten zu bewegen. So auch in München. Die Show war lange vor Termin ausverkauft und hätte ich nicht auf verschiedenen Kanälen und Portalen nach Karten gesucht, wäre dieser sakrale Moment ohne mich zelebriert worden. Neben professionellen Ticketdealern, offensichtlichen Betrugsversuchen und einer positiven Überraschung wurde ich zusammen mit meiner Begleitung, die die Initialen B.B. trägt, dann doch noch fündig und wir dürfen nun Zeugnis ablegen, ob dieser Herrlichkeit.

Mit etwas Verspätung, ohne Support Act vorne weg, betreten The Bad Seeds, in gediegen schwarze Anzüge gehüllt, die Bühne. Unmittelbar gefolgt vom Meister selbst. Nach wenigen Takten füllt die Aura dieses Mannes, die unzweifelhaft als unromantisch zu bezeichnende Atmosphäre des Münchner Zenith mit dominat dunkler Noblesse. Die B.B. und ich haben Glück und können die limitierten Plätze direkt vor der Bühne einnehmen. Somit werden wir unmittelbar Zeugen einer prätentiösen Selbstdarstellung, die niemals aufgesetzt oder gar überheblich wirkt.

„Jubilee Street“ „We call upon the Author“, „The Weeping Song“, „The Ship Song“, „Tupelo“, „The Mercy Seat“, „Stagger Lee“, „Into my Arms“ alles im Programm. Auch zwei, drei Songs, die mir gänzlich unbekannt sind. Ein manisches fast 15-minütiges „From here to Eternity“, das allen Anwesenden auf und vor der Bühne Nerven wie Drahtseile abfordert. Ein Ringen mit den Mächten, Pein, Erniedrigung, Körpereinsatz nebst ihrer Säfte. Unterbrochen von instrumentalen Noiseausbrüchen, die, von der ursprüngliche Komposition abweichend, auf die Zuhörer hereinbrechen, als hieße es, die Mauern Jerichos einzureißen. Ein Zurückfinden aus diesen Lärmwänden ist nur unter Zuhilfenahme von Warren Ellis möglich, der nach minutenlanger Tobsucht, drohend mit dem Geigenbogen einzählt und die wild wuchernde Saat zur Disziplin ruft.

„LISTEN“, zwischen den Songs unüberhörbar in´s Mikrophon gezischt, scharfzüngig, schulmeisterlich und eindringlich mahnend. ZuHÖREN fordert der Meister und meint damit Ungehörige, die vor der Bühne offenbar unaufmerksam sind. Diesen Abtrünnigen kommt er gern sehr Nahe, beugte sich herunter zu ihnen, verordnet Konzentration und verleiht seiner Forderung fast körperlich Ausdruck. Dann jedoch gleich wieder – ganz chargierte Nonchalance – hat er ein Lächeln um die Mundwinkel. Und die Herde folgt dem Hirten. Will ihm folgen, nicht nur seine Hände reicht er in die ersten Reihen, nein auch seine schwarzen, hochglanzpolierten Chelsea-Boots. Auch diesen wird untertänig Ehre zu teil.

Licht-Ton-Bild-Videoscreening alles, alles perfekt durchdacht, aber niemals dem Selbstzweck oder der eigenen Eitelkeit dienend. Oft ist das die Frage, die ich mir bei derart großen Produktionen, in großen Hallen mit hohen Eintrittspreisen, stelle. Wird der performative Akt die narrative Kraft des Werkes stören ? Wird es gar ein von Technik überladener Sündenfall ? Cave war Punk, für mich war er auch Dada, weil, spuckte er doch mit The Birthday Party auf alle möglichen Formen arrivierter Kunst. Also, was nun, Nick ? - Kunst erfordert Verrat und triumphiert über diesen Verrat, denn der Verrat wird wiederum in Kunst gewandelt - Und so wurde das Fleisch eins mit dem Blut und der ausufernden Darbietung und der Hingabe aller Beteiligter und diente als Vermittler zwischen den Fronten notwendiger technischer Mittel. So, als würde alles nur aus Schwarz und Weiß und ein wenig Rot bestehen, alles unter Hochspannung, britzelnde funkensprühende Lichtbögen aus Energie, die in einen Mahlstrom herabziehen und wieder ausspeien, nur, um sich/dich/uns anschließend, ekstatisch aufgeladen, erneut hineinzustürzen.

Ob das, als Konzertabschluss geltende, auf die Bühne bitten von unzähligen Zuschauern, um anschließend mit ihnen „Push the Sky away“ darzubieten, einen bleibenden, unvergessenen Moment vermittelt hat, mag dahingestellt bleiben. Eines jedoch bleibt, da waren die B.B. und ich einhellig der Meinung: Cave geißelte sich 120 schmerzhafte Minuten und entließ sich selbst und sicher auch den ein oder anderen seiner Jünger mit einem Gefühl, vielleicht ja doch die ein oder andere Sünde erlassen bekommen zu haben.
(Sir Tobi, 3.11.17)

Di. 17.10.17

The Diamond Family Archive, Lianne Hall, Fee Reega - Berlin, Loophole (20 Zuschauer)
Das Diamond Family Archive ist aus The South Hams in Devon, England und ich würde sie als elektro-akustisch-experminentelles Psych-Folk-Duo beschreiben. Einer spielt vorwiegend Gitarre und singt, der andere vorwiegend Drums, doch meist fummeln sie noch an zahllosen Effektgeräten und zwei drei Keyboards rum, spielen, singen, hacken und schleifen Loops in die Gegend rein, so dass die Basis der erstmal eher traditionellen Songs durch viel sphärisches Gewaber angereichert wird.
Das Gute daran: Sie bewegen sich strikt im nichtcomputerisierten Bereich. Keine Laptops, keine vorproduzieten Songs vom File, die dann nur überspielt werden!
Das Schlechte daran: Ich fand es immer schon reichlich unspannend, Musikern beim Knöpfedrehen zuzusehen. Wenn zu viel Technik im Spiel ist, bekommt das schnell den Charm von Telefonvermittlung. Als ich 14 war und wir im abgedunkelten Kinderzimmer Tangerine Dream und Klaus Schulze hörten, hatten wir andere Bilder vor Augen, als Typen, die aussehen wie Rick Wakeman und an Schaltpulten rumstöpseln.
Bei denen hier würde ich sagen, nah dran, fast gekippt, aber noch die Kurve gekriegt. Die musikalischen Qualitäten des Gitarristen Laurence sind ausserordentlich, auch sein Gesang. Leider beschränkt er sich ab und an auf nur ein zwei Sätze und Melodien, die dann auf alle Arten geloopt und wiederholt werden. Wegen mir hätten sie sich und ihr ganzes Beiwerk mehr in den Dienst des Songs stellen können. Ausserdem fehlten mir jegliche Ausbrüche.
Dennoch: Hatte sich gelohnt hier aufzulaufen, was wir ja nur unserer lieben Fee wegen getan haben, die gerade auf der Durchreise war und sich für ein kurzes Gastspiel dazu buchte. Die vier Songs, die sie vorneweg gab, wirkten daher auch etwas durchgehetzt, da sie Angst hatte, zuviel Zeit in Anspruch zu nehmen, was angesichts der Tatsache, dass sich das Publikum alleine wegen ihrer Anwesenheit verdoppelte, nur bedingt angebracht war. Spricht aber für sie, dass sie der Dankbarkeit ihre Ruhe opferte.
Dazwischen die ebenfalls britische Sängerin Lianne Hall, die aber mittlerweile in Berlin residiert. Sie spielt meist sehr klar strukturierte Muster auf der Gitarre, teils mit etwas Loopbackground und singt im Stile der nicht enden wollenden Kieksergeneration ... so leid es mir tut, denn ihre Schüchternheit ist mir ja ausgesprochen sympathisch, auch, dass sie in den 90ern mit der Punkband Witchknot zu John Peels Gunst fand ... aber dieses Female Alternative Singer-Songwriter-Gejauchze muss dringend gestoppt werden.
Aber: Ein Abend der sehr viel mehr Leute verdient gehabt hätte!!!
(Ralf, 18.10.17)

Sa. 16.09.17 Berlin Beat Explosion Tag 2 mit The Roaring 420s und The Stangs - Berlin, Bassy Cowboy Club (300 Zuschauer)
Ich hatte die Roaring 420s aus Dresden schonmal auf dem Garageville gesehen aber reichlich anders in Erinnerung, definitiv mit einer anderen Besetzung. Hier standen sie zu dritt und ich meine, dass die damals bestimmt mindestens fünf waren. Dementsprechend war der Sound ziemlich abgespeckt. Bass und Drums legten einen soliden aber recht sparsamen Grund für den Sänger und Gitarristen, der sich nach allen Regeln der Kunst austobte. Ich schätze, die referenzieren die späten 60er, das ist nicht sehr wild, definitv kein Punk, aber auch kein Soul, fast schon Easy Listening und etwas Indie-Touch haben sie auch noch mit dabei.
Prinzipiell haben sie mir gut gefallen ausser, dass mir die Kompositionen manchmal wohin, wo ich nicht mehr verstehe, was sie da wollen. Dann wird es langweilig und wenn man fünf sechs Songs hört, die super losgehen und dann irgendwann irren sie rum, verlieren die Spannung, dann ... Zudem schien es manchmal auch etwas schwummrig und unpräzise. Weiss nicht, ob das nur am etwas lauen Punch der Drummerin lag. Sie spielt gut, aber die Snare war kaum wahrzunehmen, weil sie sie höchstens streichelte.
Irgendwann wechselte der Gitarrist an die Orgel und zeigte auch dort, was er drauf hat. Auch alles super, aber besser wäre natürlich gewesen, ein Mensch an jedem der Instrumente. Das hätte ein abwechslungsreicheres Klangbild gegeben. Naja, ganz toll aber zu weich und zu hippie für mich, vorallem auf Dauer. Auch wenn der Sänger mir tatsächlich ziemlich angepisst vor kommt. Aber ich glaube, er ist zu schüchtern, um das auf der Bühne auszuleben. Spricht ja für ihn. Ich mag schüchterne Menschen.
Auch the Stangs aus Den Haag waren definitiv keine Punks. Auch eher mit Spätsechziger- aber mit rockig-poppigeren Referenzen, auch n bisschen Psych, aber nicht ganz so hippie, näher am Beat. Definitiv haben sie super Kompositionen, eine extrem gute Abstimmung, einen super Sänger. Geile Band, aber auf dem Lukas landen sie in der Region Schäfchen, hehehe.
(Ralf, 18.10.17)
Fr. 15.09.17

Berlin Beat Explosion Tag 1 mit The Wrong Society und The Urges - Berlin, Bassy Cowboy Club (250 Zuschauer)
The Wrong Society, Deutschlands Songwriting-Juwel unter den Punkbands. Und wenn ich Punk sage, dann denke ich an die Zeit vor der Erfindung von digitalen Effektgeräten, eine Zeit, in der die Kids wütender und ihre Instrumente verzerrter und lauter wurden. Bekanntermassen fand diese Revolution Mitte der 60er Jahre vorallem in Garagen amerikanischer Vororte statt und die Triebfedern waren Aufbegehren gegen die spiessbürgerliche Langweiligkeit sowie auch einfach nur zurückgewiesene Highschool Liebe. Und schon sind wir mitten in der Welt der Wrong Society, die diese traurige Wut wie keine andere Band dieser Tage in wunderschöne Songs umzusetzen weiss.
Dazu ist ihr musikalisches Können auf dem perfekten Niveau. Sie können anständig spielen und genügend Drive entwickeln, sind aber schäbig genug, um den trittbrettfahrenden Hochglanzartisten ihre Gitarrenhälse in den Arsch zu schieben, die es als schick erklärt haben, "vintage" zu sein. Jede noch so profilierte Band hängt sich heutzutage das Schild "Garage" vor die Brust. Damit müssen wir leben, doch zum Glück lässt sich das Gute noch immer leicht vom Bösen trennen. Das hier sind nicht die Beautiful People, Leute, das hier ist die Wrong Society und sie IST was sie sagt! Und wer als nächstes das Wort "authentisch" in den Mund nimmt, kriegt von mir ein Gesicht zu sehen, das aussieht, wie das Cover der ersten Wrong Society 7".
Und noch eins möchte ich erzählt haben, was die ganz besondere Qualität dieser Hamburger Jungs ausmacht, nämlich, dass sie ausgezeichnet gut singen können, was ihnen dieses Kompositionsspektrum überhaupt erst ermöglicht.
Warum die neue Single noch nicht erschienen ist, habe ich jetzt vergessen, aber immerhin haben sie uns die Songs dazu vorgetragen. Und zwar in ihrer völlig eigenen überaus charmanten und unverstellten Anti-Rock-Star Haltung. Kann ich nicht genug von schwärmen.
Danach konnten uns die irischen Urges gar nicht mehr vom Hocker reissen. Das war als hätte man sich zuerst durch die Knochen gefressen und bekäme dann das weiche Fleisch vorgesetzt. Klar, die Urges sind international und bekannt und natürlich auch gut, aber den Spannungsbogen konnten sie nicht mehr anheben. Wie liessen das Fleisch, die Knochen waren ganz nach unserem Geschmack gewesen, und traten den Heimweg etwas früher an.
(Ralf, 9.10.17)

Mi. 06.09.17 The Membranes - Berlin, Posh Teckel (ca. 50 Zuschauer)
Bis heute habe ich die Platte nicht wiedergefunden, die ich damals (ca. 1986) gekauft hatte (ich wusste genau wo sie stand, zwischen The Fall und den Inca Babies ... und ... naja, so mitteloft angehört, aber immer in Ehren gehalten habe. John Robb hab ich seitdem mehrmals in Musikdokumentationen zu Wort kommen gehört. Immer cool. Immer auf den Punkt.
Vor der aktuellen Europa Tour als Support von Sisters of Percy (ei, warum machen die das nur?) gaben sie ein kleines Stelldichein in ihrer Berliner Lieblingskneipe, umsonst und im kleinen Hinterzimmer, das sich mit 50 Zuschauern anfühlte, wie die O2 Arena mit 125000.
Die Herrschaften aus Blackpool sind mittlerweile dem "Space" zugetan. Robb ist immer noch ein schlanker Punk und hat ein ausprägsames Gebahren. Körper, Mimik und Inhalt erinnern sehr an Julian Cope. Die musikalische Darbietung war stark an Robbs Bass angelehnt. Warum die unbedingt zwei Gitarristen brauchen, war nicht so ganz klar. Der alte hatte eh kein Bock auf den neuen Kram und nutzte seine Zeit, um gelangweilt ins Publikum zu starren und seine Brille hochzuschieben. Bei den Zugaben, die dann die Punk-Smasher zu Tage brachten, ging er dann plötzlich so richtig ab. Dann wurde es richtig herrlisch.
Ach ja, die guten Membranes. Ich hab mir hinterher das Tshirt gekauft.
(Ralf, 8.10.17)
Do. 24.08.17 Ty Segall - Berlin, Festsaal Kreuzberg (ca. 600 Zuschauer)
Hab den ja nur vom Hörensagen verfolgt. Ich meine, der scheint in Ordnung zu sein. Was er musikalisch abliefert, ist grande Showbusiness deluxe. Wie die meisten jungen Leute von heute ist er von tausenderlei Kram beeinflusst und weiss irgendwie nicht so richtig, wo er hin will. Daher klingt wohl jede seiner Platten irgendwie anders, aber alle auch irgendwie gut (hab ich mir sagen lassen).
Hier und heute war das gitarrensololastiger, fast schon progrockiger 70er Heavy-Rock.
Die Songs sind gut, die spielen wie die Könige, er kann ausgezeichnet singen und ... sie haben einen wirklich mitreissenden Spannungsbogen im Set. DAS, meine Herrschaften, DAS ist das, was Ty Segall abhebt. Handwerkliche Qualität und die Kunst, dem Songwriting und dem Programmablauf eine Würze zu geben, die den Leuten das Hirn verstellt. Also Anja und Marc waren total weg. Marc musste nach 3 Vierteln des Konzerts unbedingt in den Mosh Pit und hinterher nach Hause getragen werden, so fertig war der. Das Gesabbel vom "besten Konzert meines Lebens" hab ich, glaub ich, falsch verstanden.
Tja, mal ne interessante Erfahrung, wenn man sich über seinen Tellerrand hinauswagt, was ich ja nie getan hätte, wenn die beiden mich nicht eingeladen hätten. Danke. Wer gibt mir einen Tipp fürs nächste Experiment?
(Ralf, 8.10.17)
Mi. 23.08.17 Demon's Claws, Balagan - Berlin, Urban Spree (ca. 130 Zuschauer)
Die in Berlin ansässigen Balagan, eine Art Supergroup aus Leuten, für die Balagan das Nebenprojekt ist, ist die erste Band, die ich im Urban Spree mit einem guten Sound erlebt habe. Am Ende kippte es fast, als die Bässe wieder zu doll wurden ... fast ... denn es tat dem absolut guten Auftritt der drei Jungs, die ihren Sound selbst Fuzzy Basement Rock nennen, keinen Abbruch. Das Etikett trifft's perfekt. Sie bleiben bei den schnörkellosen Riffs, einfachen Melodien, klaren Arrangements, die dennoch dynamisch und emotional sind, verzetteln sich in kein Gefrickel, wechseln sich im Gesang ab und haben eine als korrekt abzubuchende Verzerrung auf der Gitarre. Passt. Nicht weltbewegend, aber hat mir wirklich gut gefallen.
Montreals Demon's Claws haben wir ja vor 10 Jahren schon mal gesehen. Da sie nicht viel gemacht haben seitdem (die letzte Platte kam 2010), hat sich auch nicht viel geändert und daher ist es ohnehin eher verwunderlich, dass sie gerade jetzt auf Tour kommen. Eigentlich kennt die auch keiner, weswegen das Prädiket (auf In The Red Records), überall noch höher gehalten wurde als der Bandname selbst, was aber unterm Strich die richtige Werbemethode war, denn der Laden war gut gefüllt.
Besetzungstechnisch sind sie etwas zusammengeschrumpft, so dass sogar die Berliner Garde aushelfen durfte. Die Jungs klingen und wirken noch genauso kaputt wie vor 10 Jahren. Ich fühle mich bei vielen Songs an die Deadly Snakes erinnert und so schliesst sich auch der Kreis wieder in Kanada, auch wenn der eigentliche Ruhm der Claws daher stammt, dass sie in der ersten Dekade der 2000er von den Black Lips mit auf Tour geschleppt wurden.
(Ralf, 1.9.17)
Mi. 09.08.17 Holly Golightly - Köln, Museum (150 Zuschauer)
Als Magnus mir vor dem Konzert erzählte, dass der Gitarrist letztes Jahr beim gleichen Konzert während eines Songs einfach die Gitarre weggelegt und aufs Klo gegangen sei, sie den Song aber hinterher noch mal spielten, weil Holly meinte, dass er doch MIT Gitarre viel schöner sei, stiegen meine Erwarungen gleich mal ins Unermessliche. Welch geile Aktion!
Leider fand ich den Gitarristen irgendwie überhaupt nicht cool und auch sein Spiel, ein ständiges Gekniedel mit langweiligem ödem Sound gefiel mir überhaupt nicht ... und wurde auch noch total in den Vordergrund gemixt.
Hmgrummelgrummel! Sie spielen das schon sehr ruhig mittlerweile. Alles ist nen Tick gediegener geworden, die alten Songs kamen mir gedehnt und behäbig vor, die neuen eher Kaffeehausmusik als Up-Beat. Emotional ging das fast total an mir vorbei, erst ganz am Ende umfing mich die Schwüler-Cocktail-Blues-Atmosphäre ein wenig.
Gut, aber zu wenig kaputt für mich. Knarzen tut das mit dieser Band nicht. Toll aber, wie Bruce Brand auch diese Facette drauf hat.
(Ralf, 25.8.17)
Di. 08.08.17 Saba Lou - Köln, Sternhagel (50 Zuschauer)
King Khans Tochter nach ihrer vor zwei Jahren aufgenommenen Platte "Planet Enigma" endlich live. Sie ist 17 Jahre alt und spielt sehr herzerweichenden aber auch strangen Folk, der immer wieder mit ungewöhnlichen Wendungen für Augenbrauenanheben sorgt und von ihrer Stimme, den schrulligen Geschichten und der schrabbligen Gitarre lebt. Sie hats einfach im Blut und wird noch viel von sich Reden machen, woauchimmer ihr Weg hingehen mag.
(Ralf, 25.8.17)
Fr. 04.08.17 Royal Trux - Berlin, Urban Spree (150 Zuschauer)
17 Jahre nach dem letzten Release und dem wenig später folgenden Split der Band und 2 Jahre nach den ersten Reunion Shows jetzt das unholy Ex-Couple Hagerty/Herrema auch in Deutschland live und quasi um die Ecke.
Hagerty war blutjung bei Pussy Galore, die er allerdings eher als Job sah und immer bestrebt war, eigene Wege zu beschreiten. Und ja, seine Wege waren und sind ... eigen. Als Royal Trux veröffentlichten sie 10 Alben in 12 Jahren und wurden berüchtigt durch ihren hochexpermentellen atonalen Rock, immer wieder überraschend gewendet und durchsetzt mit eingängigen Shootern, ihrem genau so experimentellen und offenen Umgang mit Heroin und dem Ruhm als Stilikone, den sich Herrema zwischen 95 und 2000 als Calvin Klein Fotomodell verdiente.
Auch live muss man sich an ihre Sperrigkeiten erst mal gewöhnen. Ihr Auftreten gleicht auch heute einer Mischung aus lässig-cool, widerspenstig oder vielleicht auch faul und schlapp. Der Spannungsbogen ist geradezu destruktiv. Was drei Wochen später bei Ty Segall die Leute in die Extase treibt, das ersticken Royal Trux verdrieslich im Keim. Die Kompositionen schwelen in ihrem eigenen Saft vor sich hin. Wenn ich sonst als negativ erachte, wenn Songs nach nirgendwo gehen, so ist das bei Royal Trux kalkulierter Teil des Gesamtkunstwerks und wenn man dann sieht, wie die Leute sich unangenehm winden, von einem Bein auf das andere trippeln und sich im Saal umsehen, dann manifestiert sich das Glück eines aufgehenden Konzepts.
(Ralf, 21.10.17)
So. 17.07.17 Ryan Adams - Berlin, Tempodrom (ca. 4000 Zuschauer)
Schwierige Kiste für mich, aber die Gelegenheit musste genutzt werden um da jetzt einfach mal den Haken dranzumachen. Am Ende bin ich auch froh, dass ich da war und fand es ziemlich toll, auch wenn mir eine der zwei Stunden gereicht hätten. Ich bin ein Fan von Ryan Adams, allerdings eher die Person als die Musik. Klar, er ist ein sehr kreativer Künstler, guter Songwriter, super Sänger, aber mir ist seine Musik zu seicht. Punkt. Ich habe etwa zwei Platten, seine beiden ersten Solo-LPs oder so und ich habe zwei Lieder auf dem Konzert erkannt, obwohl er offensichtlich noch mehr als diese beiden Songs von den Alben gespielt hat, die ich besitze ... und das gibt ein ungefähres Bild von dem wieder, wie oft ich das zuhause auflege.
Aber der Typ ist einfach cool, seine Wurzeln liegen im Punk und nachwievor ist er ein schräger Vogel, ein unberechenbarer Kopf, der das Konzert am Vortag in München bspw. fast abgebrochen hätte, weil ein paar Leute Fotos mit Blitz geschossen haben. Seine Haltung ist schnoddrig und ich denke immer, der könnte mit uns in der Kneipe rumhängen. Er bringt immer wieder spezielle Platten heraus, auf seinem eigenen Label Paxam Records (seit er genug vom Werk der Business-Schweine hat, die sich zur Aufgabe gemacht haben, die Kultur zu zerstören, für die wir mit unserem Leben einstehen) wie zuletzt eine Singles-Box, in kleinen Auflagen, für die besonders interessierten Fans und der Rest kann sich dann eine der CDs besorgen, die bis zu eine Million mal verkauft wurden.
Ein Spagat zwischen Mainstream und Underground, der den Ryanschen Kosmos kennzeichnet und der gefälligen, teils ganz schön schmalzigen ... ääh, gefühlvollen Musik, geschaffen von einer dem Punk verbundenen Gestalt, geschuldet ist.
Das spiegelte sich auch in dem Konzert wider. Das ist schon eine ganz schön langweilige und biedere, konzentrierte Vorstellung sehr guter Musiker für ein Massenpublikum. Die Gitarren schweben kilometerweit im Chorusgewaber, was - wenn Ihr mich fragt - noch Jahrzehnte Dauern darf, bis das wieder cool wird. Das Tempo ist fast ausschliesslich geradezu ätzend verschleppt. Das kann man schon mal machen aber nach sieben Songs im selben lahmen Tempo wirst Du irgendwann trandösig. Ausbrüche sind selten, die Steigerungen minimal und werden dennoch jubelnd begrüsst. Irgendwer hat mir mal erzählt, dass auf Technoparties manchmal erst nach Ewigkeiten minimale Änderungen eingestreut werden, die dann aber dazu führen, dass die Leute richtig ausrasten, hahaha. So ist das, wenn Ryan Adams mal vom ersten in den zweiten Gang schält. Oder sagen wir so: Er fährt an, geht sofort auf Speed Control auf 50 mph und wenn er dann mal selbst wieder aufnimmt und auf 60 geht, dann waren die Leute schon so am dösen und sabbern, dass sie kurze Aufrüttlung zu Begeisterungsausbrüchen führt. Auch ne Taktik.
Hab ich jetzt eigentlich auch was Gutes drüber gesagt? Mir hats ja gefallen. Ich mag den Typen einfach. Auf der Bühne ist die Band völlig frei von Attitüden, auch wenn eine gewisse Schüchternheit dem Publikum gegenüber nicht wegzuleugnen ist. Er ist kein Entertainer. Sagt solche Dinge wie: "Ich arbeite. Ich kann während der Arbeit nicht reden." Kaum vorstellbar, dass er mal sehr exzessiv gewesen sein soll, auch mal von der Bühne gefallen ist und sich das Handgelenk brach. Meine zerissene Meinung über Adams bleibt.
(Ralf, 26.7.17)
Mo. 10.07.17 Pale Lips, Kaczka - Köln, Sonic Ballroom (ca. 40 Zuschauer)
Für einen Montag ganz ordentlich besucht, das Konzert der kanadischen Rumpel-Punkerinnen Pale Lips. Eigentlich ein blöder, weil falsche Fährten legender, Name für eine lustige und sehr schräge Truppe, die sich jenseits des Schönheitsdrucks der Modebranche in einer angenehmen Freiheitszone befinden und damit ganz einfach ne Menge Spass machen und ein Vorbild für alle Mädchen sein sollten, die glücklich sein wollen. Die Musik ist ok, die Damen sind gut genug, um sich die Bemühungen mit dem charmanten Diletanttismus ersparen zu können, doch glücklicherweise dann doch schlecht und unambitioniert genug, um Verkrampfungen ala Coathangers im Rückwärtsgang zu überholen. Den Preis für Originalität wird ihre Musik nicht gewinnen, aber für unaufdringliche Lockerheit und damit souveräne Coolness auf alle Fälle.
Kaczka ist eine Kölner Band, die sich teils vor die Bühne stellen, dem alten Hardcore-Motto folgend, "wir sind so wie ihr" ... ja, mein Gott, kann man machen. Die Idee, eine Akkustikgitarre durch Effekte und Amps zu jagen, kann man auch machen, wobei ich der Meinung bin, dass das am Ende auch nix besser macht als eine andere Optik. Die Musik schwankt zwischen Emo-Core und Math-Rock (hahaha, den Begriff benutze ich zum ersten Mal). Ganz ok, vorallem die Sperrigkeit gefiel mir zunächst ganz gut, wurde im Verlauf des Konzerts dann aber doch ziemlich anstrengend. Trotzdem: Die Leidenschaft ist da, der Kickin Ass Gemeinde sei Kaczka empfohlen.
Eigentlich aber für beide Bands keine gelungene Zusammenstellung, da die Grundatmosphäre komplett anders ist.
(Ralf, 18.7.17)
Sa. 08.07.17

The Headlines - Berlin, Cortina Bob (30 Zuschauer)
Eigentlich waren wir gekommen um die Frogrammers im Vorprogramm zu sehen. Zwei Monate später aber erfuhren wir, dass die kurzfristig abgesagt hatten, weil den Headlines wohl ein zweifelhafter Ruf voraus eilt. Wussten wir leider nicht und haben denen noch unser Geld in den Rachen gesteckt.
Schwedischer Punkrock mit ausgesprochener FanBase in Deutschland, geprägt von Social Distortion und Action-Rock, recht poppig aber nicht zu sehr, zumindest live, denn als ich mir hinterher ein zwei Videos ansah, stand mein Entschluss fest, in eine Zeitmaschine zu steigen, vor den Auftritt zurückzufahren und entrüstet darauf hinzuweisen, mir diese Band nie und nimmer anzusehen.
So konnte ich aber sagen, völlig unspektakulär, aber zumindest in keinster Weise ärgerlich. Musikalischen Abzug dann aber auf alle Fälle für ein schmalziges Toten Hosen Cover und eine Nena Nummer.
Die Räkelvideos der Sängerin sind unerträglich und über den Ruf der Band dürft Ihr Euch selbst informieren. Dazu kann ich momentan nur Gerüchten folgen.
(Ralf, 15.9.17)

Do. 06.07.17

The Gories, Häxxan - Berlin, Bi Nuu (ca. 400 Zuschauer)
Es gab eine Zeit, da ich die Frage nach meiner Lieblingsband aus der Hüfte schiessen konnte. Es waren drei, aber eine davon waren die Gories. Als ich sie Ende der 80er, Anfang der 90er das erste Mal hörte, interessierte mich am meisten der Aspekt, dass sie keinen Bass hatten. Seit Pussy Galore war das für eigentlich die ganz grosse Idee, den Sound einer traditionellen Rockband zu verändern. Die leichten Verstimmungen in den Gitarren und der pumpende, primitive aber extrem vibrierende Beat, ohne jemals ein Becken zu benutzen, trugen weiter dazu bei ein neues Klangbild zu schaffen, das als Vehikel für weiter denn je im Blues und Soul verwurzelten Kompositionen diente, die mit einer Ruppigkeit vorgetragen wurden, die einem das Herz erblühen liess, angesichts des immer glatter werdenden Punks.
Dass die Gories damit bis heute extrem einflussreich sind, sieht man auch daran, dass sie, fast 25 nach ihrer eigentlichen Auflösung, mehr Publikum haben denn je zuvor, die Hälfte davon zur Lebzeit der Band noch nicht mal geboren. Auch das ist noch mal anders als bei ihrer ersten Reunion-Tour 2009 und der darauf folgenden Euro-Tour 2015, die beide eigentlich nur das einschlägige Garage-Publikum hatten (zumindest bei den Auftritten, die ich gesehen habe).
Nun haben die Dinge ja immer ihre Zeit zu der sie brennen, die Zeit zu der sie blühen, Zeiten zu denen sie ruhen und irgendwann auch mal Zeiten, zu denen man die Aufmerksamkeit dann auf Neues richtet. Nachdem ich die Gories zwei mal seit ihrer Reunion gesehen habe, ein Grossteil der Bands gesehen habe, die vorallem Collins und Kroha hinterher verfolgten, hatte ich diesesmal das Gefühl, mich nicht mehr dafür in einen ausverkauften Laden quetschen zu müssen, wo man taktieren muss, um einen guten Platz mit Blick auf die Band zu bekommen, kein Bier mehr bekommt oder den Platz verlassen muss, wenn man weitertrinken möchte.
Dazu war dies für mich nun einfach am heutigen Tag nicht mehr aufregend und auch nicht mehr gut genug. In Stuttgart 2015 fand ich sie besser. Sie werden immer in meinem Herzen bleiben, aber noch mal schaue ich sie mir nicht an, ausser sie machen neues Material.
Häxxan davor, eine israelische Band, fand ich uninteressant.
(Ralf, 9.7.17)

Fr. 12.05.17 The Courettes, Les Darlings - Berlin, Bassy Cowboy Club (200 Zuschauer)
Die Darlings aus Frankreich werden verstärkt von David Peter Jørgensen, dem Bassisten von the Youth aus Kopenhagen. Aufgrund der ungleichmässigen Bühne des Bassy und dadurch, dass sie die Drums von Martin Wild nutzten, standen sie alle seitlich des Schlagzeugs. Ich habe schon viele Diskussionen geführt und wer mich kennt, weiss, dass ich Konventionen gerne an den hinteren unteren Rücken hänge, doch eine Band mit zwei Gitarren, Bass und Drums hat aus meiner Sicht nicht viele Optionen, ausser die Bühne ist gross genug, dass alle nebeneinander passen. Nicht nur optisch, auch klanglich ist es in den meisten Fällen besser, wenn die Gitarren rechts und links neben dem Schlagzeug sind. Les Darlings sahen daher, aus meiner Sicht, vom Bühnenstanding her, nicht sehr vorteilhaft aus und sie klangen auch nicht gut. Die Musik ist ein Abriss klassischen 60s-Garage-Punks, eine eigene Note sucht man leider vergebens. Ich würde mir mehr Eigenwilligkeit von ihnen wünschen.
Jene findet sich bei den Courettes schon über deren einzigartige Konstellation. Als Martin noch bei den Columbian Neckties trommelte, lernte er auf deren Brasilien-Tour die Autoramas und deren Bassistin Flavia kennen. Es wurde mehr daraus, Flavia kam nach Dänemark, sie heirateten und gründeten die Courettes, wobei Flavia nun die Gitarre übernahm und singt. Die zierliche brasilianische Powerfrau im 60s-Kleidchen und der wilde Däne in seiner Rockermontur geben ein herrliches Bild ab, ihre Leidenschaft und eine ganze Reihe cooler Songs machen sie zu einem beliebten Act, vorallem in Deutschland, da es in Dänemark natürlich nur eine begrenzte Anzahl guter Locations gibt, was das Paar und deren Sprößling nicht alleine ernährt. Und so touren sie gerade an Wochenenden landauf landab und bringen enorme Strecken hinter sich, da der Kleene ja nicht immer mit kann.
Nachdem sie letzten Jahr am Garageville noch den Opener machten und auch noch nicht 100% überzeugen konnten, haben sie mittlerweile sehr an Qualität zugelegt und sind auch im Bassy ein solider Mainact mit Entertainmentfaktor (auch wenn mir diese Art der Anheize etwas too much ist).
(Ralf, 15.6.17)
Do. 04.05.17

Pram - Köln, King Georg (ca. 60 Zuschauer)
Avandgarde Truppe aus Birmingham. Hat 2 Longplayer in der Pipeline und spielen eigentlich nur noch sehr wenig live. Daher war es mir eine ausserordentliche Freude, sie hier sehen zu können und da ich aufgrund der bisher gehörten Platten nicht grösster Erwartungen war, überzeugten sie mich TOTAL!
Die sind ein schräger eigenwilliger Haufen. So richtige Kauze mit Keyboards so klein, dass es äusserste Konzentration erfordert, die erforderlichen Tasten mit einer Männerhand zu treffen, mit einem Sammelsurium an unterschiedlichsten Instrumenten, die stetig wechselnd zum Einsatz kommen. Die Kompositionen sind ebenso widerborstig, strotzen aber vor Niedlichkeiten und fühlen sich eher wunderlich als gruselig an.
Dazu spielt ein phantastischer Drummer, sehr jazzig und wie er den zarten, teilweise aus dem Computer kommenden Basisthemen folgen kann, ist für mich das erstaunlichste Phänomen des Abends.
Solch ein Haufen muss sich erstmal finden. Ich fand Pram höchst unterhaltsam, auch ohne die üblichen Projektionen, die auch mal von zwei Seiten auf eine Leinwand geworfen werden. Meine Begeisterung liess mich sogar den Zorn über das ausverkaufte Neubauten Konzert in der Philharmonie vergessen. Wozu steht man bei denen eigentlich auf dem Newsverteiler, wenn man alles als letzter mitkriegt? Na, damit man stattdessen Pram ankucken kann. Eine glatte 1!
Einen Monat später erzählt mir Christoph Wagner, dass der Drummer raus ist. Der machte Pram zum Spass und verdient sein Tägliches mit anderen Bands. Tja, und offensichtlich sind die Herrschaften genauso anstrengend wie man es erwartet. Schade!
(Ralf, 15.6.17)

Sa. 22.04.17

Garageville #6, Day 2 mit Thee Penny Dreadfuls, Os Noctàmbulos, The Missing Souls und The Masonics - Hamburg, Hafenklang (ca. 400 Zuschauer)
Thee Penny Dreadfuls aus Nordirland eröffneten den zweiten Tag. Ich weiss nicht, ob sie noch leben, denn man findet nichts über sie im Netz, dabei war doch eher die Frage, ob sie zum Garageville ihre erste Platte dabei haben. Wieauchimmer brachten sie schmutzigen Garagen-Rock, der eher die spätere Mitte der 60er im Auge hat, dennoch aber mit viel unheilvollem Georgle eine psychedelische Note einbringt und mit rauh-angepisster Stimme zu punkten weiss. Etwas viel Gedudel, wie das eben in den späten 60ern so Mode war, sonst eine Band, von der man gerne mal wieder was hören würde.
Os Noctàmbulos aus Frankreich waren mit ihrem düsterem Voodoo-Surf eher etwas schwerfälliger und daher nicht so meine Kajüte. Da die Kids aber wie immer am ersten Abend Vollgas geben und daher am zweiten schwer in den Seilen hängen, gab uns das Gelegenheit zu einer wohlverdienten Pause ... die wir dann gleich auch über die
Missing Souls auszudehnen wussten, da sie, wie schon bei ihrem Auftritt früher im Jahr in Berlin, obwohl musikalisch überzeugend, eine eher gequält exaltierte Präsenz haben und daher eher Fragezeichen als Begeisterung hervorriefen. Vielleicht nervt mich ja auch nur, dass sie ausschliesslich Coverversionen spielen. Das ist halt nur ne Partyband, Mann, auch wenn es dann immer heisst, dass dies IHRE EIGENEN Interpretationen sind. Für mich fängt die Kunst aber nachwievor da an, wo man nicht nur interpretiert sondern kreiert. Das ist der deutlich anspruchsvollerere und schwerere Weg.
Alle Energien also gebündelt für die grossartigen
Masonics, doch ob es an unserer angeschossenen Konstitution oder dem Auftritt der Adelsgarde des britischen Garage-Punks lag (die allesamt mitten aus dem Herzen der Childish-Gemeinde stammen und eine bessere Platte nach der anderen auf uns loslassen), irgendwie zündete das nicht. War es der Mond, war es der Alkohol oder ist es irgendwas im Karma des Hafenklangs ... der zweite Tag des Garagevilles kam mir auch diesesmal vor wie eine atmosphärische Heimsuchung. Vielleicht war das Hafenklang ja auch mal ein Folterkeller...
(Ralf, 21.10.17)

Fr. 21.04.17 Garageville #6, Day 1 mit Bobkat 65, The Pacifics, The Jackets, The Sick Rose - Hamburg, Molotow (ca. 300 Zuschauer)
Los ging es beim diesjährigen offenen Tag der Garage mit Bobkat65, zwei jungen Mädchen und einem Herren aus Spanien, mit noch völlig unverbrauchtem Teen-Beat, noch etwas ungelenk in der Hüfte und auf den Saiten, aber genau dieser charmante Dilettantismus (oh wie wohl mag man mir diese Phrase langsam verzeihen ... zumindest werde ich Euch nicht mit dem Unwort des Jahrzehnts "authentisch" behelligen) lässt Bobkat 65, sehr wohl nach einigen Diskussionen, für uns am Ende sogar den zweiten Rang des Abends einnehmen, noch vor den Veteranen Sick Rose und der folgenden irischen Kombo The Pacifics, die ihren besten Moment haben, als sie während der Jackets-Show in Reih und Glied neben der Bühne stehen, durch die uniformen Anzüge leicht erkenntlich, und von Jackie abgeknallt werden, mit einem Schuss, wie durch die Daltons, und dies wunderbar mitspielen. Ihren Auftritt fand ich schwungvoll, gut gelaunt, aber mehr blieb mir nicht davon übrig.
Was man von den Jackets nicht behaupten kann. Sie gehören zu den beliebtesten Genre-Acts derzeit in Europa. Ihre Songs sind einfach und einprägsam, das Spiel und die Show sind aus einem Guss und das theatralische Element sorgt für Entertainment galore.
Die Jackets sind eine Band, die gerade wirklich brennt und das kann man von The Sick Rose leider nicht mehr behaupten. Sie stellten diesmal ihre erste Platte vor, mit der sie in den 80ern zur Garage-Elite Europas vorstiessen. Leider konnte ich der Idee, komplette Platten runterzuspielen nie etwas abgewinnen und finde sie mittlerweile sogar richtig abgefrühstückt, fast so schlimm wie der Unplugged-Irrsinn, der uns ja glücklicherweise wieder verlassen hat. Ich finde es nie eine gute Idee, alten Kaffee wieder aufzuwärmen. Wenn man etwas noch nie gesehen hat, mag man ein paar Leute auf seine Seite kriegen, sozusagen "Jetzt hab ich Euch gesehen, jetzt kann ich sterben", aber the Sick Rose sind keine Band, die man in den letzten Jahr nicht sehen konnte.
Nun gut, aber die Meinungen gehen ja glücklicherweise auseinander und so habe ich genügend Leute gehört, die das ganz toll fanden, was die alten Männer da gemacht haben.
(Ralf, 22.6.17)
Sa. 15.04.17 Les Synapses, The BeatORGANization - Berlin, Bassy Cowboy Club
The BeatORGANization ist nicht des Undergrounds Begehr. Wir haben hier eine Kapelle gestanden-renommierter Musikschaffender, die im tanzbaren Unterhaltungssektor baden. Für mich zu zahm, zu kontrolliert, zu profiliert. Für Party aber natürlich gut. Dem Publikum hat es gefallen.
Les Synapses, das French-Freak-Beat-Psychedelic fand ich diesmal auch weit von ihrer Form des Auftritts vom Vorjahr im Sonic Ballroom entfernt. Die sahen aus, als hätten sie in ihren Klamotten geschlafen und genau so zerbeult wirkte auch ihre Show.
Nicht das erste Mal, dass ich eine Band im Bassy wesentlich schlechter sehe als woanders. Schade, hierauf hatte ich mich riiiiiesig gefreut.
(Ralf, 15.6.17)
Sa. 01.04.17

Powersolo - VS-Villingen, Cafe Limba (ca. 60 Zuschauer, voll)
Ist ja immer nett, ne Band während einer Tour mehrmals zu sehen. Ich kriege das heute leider irgendwie nicht mehr so hin wie früher, aber mit Powersolo hatte ich Glück und war, nach dem ernüchternden Erlebnis in Berlin, sehr erfreut, dass es auch anders geht.
Hier waren zwar auch ein paar "Frantic"-Gröhler an Bord aber der Anteil war geringer und die Nähe zum Publikum war sowas von Auge in Auge, dass Kim auch mal selbst für Ruhe sorgen konnte.
Warum auch immer, war das Programm etwas umgestellt und sie waren auch nicht mehr ganz so tight wie noch in Berlin. Schon im ersten Song ein paar Fehler und ich bin der Meinung, das tut ihnen gut. Wie die geschätzte Leserschaft ja schon meinen Worten über das Berlin-Erlebnis entnehmen konnte, bin ich ja in fiebrigster Panik, dass Powersolo die Stadien erobern werden, und da wirkt jeder einzelne Spielfehler, jede kleinste Unpräzision wie ein doppelter Wadenwickel und dazu war die Spielfreude wieder überschäumend. Diese Männer haben Spass an dem was sie tun.
Im Limba konnten sie sich schön durchs Publikum wühlen und begeisterten erneut mit ihrer witzigen Art und ihren eingängigen und perfekt durcharrangierten Songs.
Ich denke, gross geworden sind diese Burschen in den 90ern mit Jon Spencer, den Gories und den Oblivians, verschliessen sich aber keiner stilistischen Blüte und bleiben dadurch immer überraschend. Powersolo hat seinen eigenen Stil gefunden. Sie hatten 6 Alben lang Zeit dafür und wenn man sich die Anfänge ansieht, sieht man auch die Entwicklung. Die Balance zwischen den Rollen in der Band passt optimal, auch mit Zak scheinen sie den bestmöglichen Drummer an Land gezogen zu haben und ich wünsche mir, dass er noch lange bei ihnen bleibt.
Als sie am Ende dann aber schon über zwei Stunden gespielt hatten, stellte sich dennoch eine gewisse Abnutzung ein. Der wievielte Song war das jetzt, der nen langen ruhigen Mittelteil hat?
Besser als in Berlin. Aber nach mehr als 4 Stunden Powersolo in einer Woche reicht mir das auch erstmal für dieses Jahr.
(Ralf, 6.4.17)

Sa. 25.03.17 Powersolo, Black Magic Tree - Berlin, Wild At Heart (ca. 200 Zuschauer)
Ihr Auftritt vor drei vier Jahren in Köln gehört zu den besten Abenden, die ich dort erlebt habe. Heute glaube ich, dass Powersolo aufpassen müssen, dass ihnen die Sache nicht entgleitet. Die Band befindet sich gerade an einem Scheideweg nach oben. Verrückte Typen, durchgeknallte Videos, da steht auch das prollige Volk drauf. Und dass es sich schon rumgesprochen hat, davon durften wir uns an diesem Abend im Wild At Heart überzeugen. Schon als wir ankamen, mussten sich manche durch lautstarkes Gegröhle und rücksichtsloses Breitmachen im schmalen Durchgang zur Bühne Aufmerksamkeit verschaffen und das liess uns das Schlimmste befürchten.
Mit Black Magic Tree dann noch eine Vorband, die sich eigentlich hätte extrem fehl am Platz vorkommen müssen. Ihr fast schon klassischer HardRock kam aber gar nicht so schlecht an, was uns noch Schlimmeres befürchten liess.
Bei Powersolo war der Auftrittsraum dann schon erwartungsgemäss unangenehm verstopft, was man dann eben hinnimmt, aber die Ich-ich...ich-bin-auch-total-verrückt...sieh-doch-nur-Fraktion schrie eigentlich alle Feinheiten des Konzerts nieder. Der sonst so witzige Dialog zum Publikum kam gar nicht zustande, da sich immer irgendwer produzieren musste. Selbst gegen Ende, als Kim unten im Publikum versuchte alle zum Sitzen zu bringen, musste irgendjemand solange blöd rummachen, dass er irgendwann aufgab und man mit dem Gefühl nach Hause ging, dass man um die Möglichkeiten der Show gebracht wurde. Wirklich schade.
Ich wünsche allen, die Powersolo auf dieser Tour sehen, ein respektvolleres Publikum und Powersolo wünsche ich, dass sie bekommen was sie wollen. Ob's das ist, was hier heute passiert ist, hätte mich schon brennend interessiert.
Mit dem neuen Schlagzeuger sind sie allerdings etwa eine Tonne tighter, fast schon beängstigend professionell. Wenn das mal nicht nach vorne losgeht. Auch wenn mir die Roots etwas zu amerikanisch sind, liebe ich ihren Sound. Besonders die Gitarren. Die Kompositionen sind extrem cool. Darüber schachteln sie einfache aber effektive Melodien, die manchmal wie besoffen eiern, aber punktgenau eingesetzt sind. Zudem verfügen sie über viel Einfallsreichtum was Dramaturgie und überraschende Wendungen in den Songs betrifft.
Mit so viel komödiantischen und musikalischen Talent sind sie bereit, dem Underground-Sektor zu entwachsen. Aktuell sind sie beim sechsten Album. Mal sehen, wo sie stehen, wenn das siebte kommt. Bei den Black Lips habe ich immer gesagt, die sind doch zu trashy um so ganz bekannt zu werden. Auch wenn ich mit Prognosen meist daneben liege, hatte ich in diesem Fall recht. Ich glaube, Powersolo wird auf die grosse Bühne gehen! Wenigstens für ne kurze Zeit. Sie hätten das Zeug dazu und die Masse wird auf sie abfahren. Lass die mal auf nem grossen Festival spielen, dann ist es geschehen.
(Ralf, 27.3.17)
Fr. 24.03.17

Missing Souls, The Baron Four (Foto aus dem Internet geklaut, ist nicht von diesem Konzert) - Berlin, Bassy Cowboy Club (250 Zuschauer)
Sie waren die Teen-Rebellion gegen die todlangweiligen Indie-Bands Englands im Jahre 2006. 4 Teenager auf der Rettung des Rock'n'Rolls als der wieder mal am Boden lag. Ihr 60s-Punk war laut, wild und trat der eingerosteten Punk-went-knowwhere-Szene kräftig in den Allerwertesten (wie das alle Garage Bands ja seit den 80ern immer wieder tun müssen). Ihre wilden Liveshows waren berüchtigt. Dabei waren die Jungs hübsch genug die Girls im Publikum zum Kreischen zu bringen. Sie kamen bei Dirty Waters Records unter Vertrag, machten in fünf Jahren drei LPs, eine zweistellige Zahl Singles und spielten mehrere hundert Shows in ganz Europa und Übersee um dann in Schrecken zu erstarren ob des plötzlichen Todes ihres Gitarristen Chris Langeland. Die Rede ist von Thee Vicars aus St. Bury Edmunds.
Bassist und Sänger Mike Whittaker, dann gerade mal 22 Jahre alt, gründete the Baron Four, die nun auch schon bei der zweiten LP und einer handvoll Singles sind, das Rotzige ihrer Vorgänger allerdings durch mehr Rhythm'n'Beat ersetzt haben, was ich etwas schade finde, denn die Vicars waren nah dran, die Blaupause für meine Idealvorstellung einer Band abzugeben. Dennoch habe ich diesem Abend lange entgegen gefiebert. The Baron Four machen aber ganz bewusst nicht den Fehler in ihre eigenen Fußstapfen treten zu wollen. Dennoch fehlen die ausgelassen Akzente nicht, auch wenn sie vorallem über brutzelnde Gitarrensounds und einen phantastischen Schlagzeuger kommen, dessen Gewirble immer gerade diesen kleinen Bruchteil überhastet ist, der vor professioneller Langweile schützt. Wieviele Leute im Publikum wussten, wen sie da vor sich haben, wage ich mir nicht vorzustellen, denn es reichte nicht mal für genügend Respekt, eine Zugabe zu erbitten.
The Missing Souls sind eine mir vorher nicht bekannte 60s-Soul-Band aus Lyon an die ich mich dann erstmal gewöhnen musste. Ich fand dann aber doch viel in Komposition und musikalischer Abstimmung. Dennoch hinterliessen sie einen eher gespaltenen Eindruck. Manchmal ist das schwer fest zu machen aber irgendwas störte mich. Mein erster Eindruck war jedenfalls, dass deren Kultur zu hoch ist. Das ist schon richtige Musik, die können alle ganz toll spielen und so, echte Mucker und geschulter Gesang. Hm. Vielleicht müsste ich die noch mal sehen.
Cool fand ich dann aber, wie der Gitarrist, für mein Dafürhalten der Mastermind der Kapelle, vor der einzigen Zugabe länger brauchte um seine Instrument zu stimmen, als der ganze folgende Song dauerte ... und sich damit ganz schön vernichtende Blicke seiner Sängerin zuzog, hehehe.
(Ralf, 8.4.17)

Di. 07.03.17 Steal Shit Do Drugs, The Jesus Christ Experience - Köln, Sonic Ballroom (ca. 50 Zuschauer)
Die halten sich für viel besser als sie wirklich sind. Seattles Proto Punks Steal Shit Do Drugs legen vorallem Wert auf Begriffe wie "ausschweifend", "dekadent", "chaotisch", "wild", "konfus", "widerwärtig", "nihilistisch" und was es noch alles für Begriffe gibt, die ganz böse und abscheulich klingen sollen, um sich zu beschreiben. So geben sie sich dann auch, sind es aber nicht. Begriffe wie Psych und Garage haben da genau so wenig zu suchen. Ja, die Gitarren sägen gerne mal etwas schräg, verursachen aber nur biederen Schaden. Der Sänger steht vor der Bühne und möchte gerne der ersten Reihe etwas Angst durch manisches Gehabe machen, aber das zündet nicht. Ich glaube er hat mehr Angst, als die freundlichen Leute hier im Sonic Ballroom. Das wirkt alles sehr aufgesetzt, man nimmt denen das nicht ab. Ich fand sie weitgehend langweilig und verstehe nicht, wie und warum man denen so eine lange Europatour gebucht hat, wo wir hier selbst weitaus schreckenseinflössendere Bands in jeder Kleinstadt haben.
Jesus Christ Experience davor mit Alternative Rock a la 90er. Damals war auch die erste aktive Zeit der Band. 23 Jahre waren sie aufgelöst und knüpfen jetzt da an, wo sie damals aufgehört hatten. Hab leider nicht sehr viel davon gesehen, war aber positiv solide und man merkt der Band an, dass sie das heute wie damals verkörpert. Das ist echt, auch wenn es sich im momentanen Zeitgeist etwas verstaubt anfühlt. Zumindest für mich.
(Ralf, 27.3.17)
Fr. 03.03.17 Komplikations (Foto von der Facebook Site geklaut. Ist nicht vom Konzert im Kastanienkeller!), Muscle Barbie, Scum Babies - Berlin, Kastanienkeller (80 Zuschauer)
Komplikations, das deutsch-belgische Maschinenpunk-Trio, ist momentan einzigartig auf dem Underground-Sektor. Ihre kantigen Sägezahnwellen-3-Minüter vereinen das Eckige eines Gary Newman, die Wut, die Punk aus dem Arbeitermilieu des britischen Thatcher-Regimes hervorbrachte und das beklemmende Gefühl Fritz Langs Metropolis.
Die beiden Synthesizer stammen aus einer Ära vor dem Sequenzer, so dass der gute Mann das nachwievor alles von Hand spielt und aufgrund fehlender dritter oder vierter Hände auch mal nen Regler mit den Zähnen nachzieht. Kein Mensch macht das heute mehr und alleine das schon hebt die Komplikations von der gewöhnlichen Elektrofront ab. Denn hier gibt es keine Gitarre und keinen Bass. Nur noch ein (echtes) Schlagzeug und einen Sänger. Dass dies hier mitten unter hartgesottensten Punks stattfindet, ist korrekt, denn hier gehört es hin. Nicht in die Disco, nicht in den Elektro-Underground oder sonstwohin. Komplikations ist Punk und, dass sich der Name von einem Songtitel der Monks ableitet, ist für mich ein Selbstverständnis mit dem ich hoffentlich nicht daneben liege. Shit. Ich kaufe mir selten Platten auf Konzerten, aber hier bedauere ich es, nicht zugeschlagen zu haben. Und glaubt mir ... bei mir zu Hause läuft wenig Elektro. SEHR wenig!
Davor Muscle Barbie aus Berlin/Wien. Das dritte mir jetzt bekannte Projekt aus dem Umfeld von Needle Exchange. Wieder ziemlich wüst und punkig, viel Noise und Feedback, vorallem zwischen den Songs lassen sie auch die Bassfeedbacks stehen. Das ist schon gehörig zermalmend, wow! Jede dieser Bands setzt eigene Impulse aber alle leben sie denselben Geist und der ist degenerativ und will kaputt machen. Die Energie ist sehr gut aber man muss es aushalten können.
Scum Babies ist Punk aus Berlin mit amerikanischer Prägung. Aber keine Sorge. Green Day verstehe ich nicht als Punk. Die Einflüsse kommen eher von der wütenden Szene Anfang/Mitte der 80er. Also absolut in Ordnung. Nicht ganz allerdings, was mich völlig aus dem Häuschen bringt.
(Ralf, 10.4.17)
Do. 23.02.17 Anax Dryander & His Polyversal Souls - Berlin, Burg Schnabel (150 Zuschauer)
King Khan hat den Soundtrack für den Film The Invaders komponiert. The Invaders waren eine weniger bekannt gewordene Black Power Gruppe im Memphis der späten 60er Jahre, die sich für zivile Rechte und das Übliche einsetzte und vorwiegend aus Studenten, Musikern, Intellektuellen und Vietnam Veteranen bestand. Besonders ist vorallem, dass sogar Martin Luther King die Interessen und Vorgehensweise der Gruppe unterstützte.
Der Film ist noch nicht erschienen, doch gepusht vom Philophon Record Label nutzte die schwarze Schlange die Gelegenheit, den Soundtrack schon mal mit den Polyversal Souls aufzuführen. Wenn ich das recht verstanden habe, ist das eine mehr oder weniger variable Truppe an ausgezeichneten Musikern, die sich irgendwo im Feld zwischen Soul und Weltmusik bewegen. Die übten jedenfalls mal kurz an einem Wochenende die Songs des Soundtracks ein, um sie an diesem Abend in der Burg Schnabel zu präsentieren. Mit dabei auch Khans jüngere Tochter Bella, die ihn gesanglich unterstützte.
Die Musik ist sehr soullastig, teils hört man fast schon James Brown. 8 Musiker, Saxophone, Querflöten, Pianos, alles dabei. Auch dabei natürlich Khans mitreissende Bühnenshow und grosse Wimpel seines Black-Tarot-Sets. Der Hansdampf hat diese Tarot-Karten mit dem irischen Künstler Michael Eaton unter spezieller Mitarbeit des grossen Filmemachers Alejandro Jodorowsky entworfen, den Khan einst besuchte, woraus die Idee dazu entstand.
Irgendwie schon ein besonderer Abend, auch weil die Umstände, die Location und das Publikum dann mal eine andere Facette als für unsereinen üblich offenbarte.
(Ralf, 3.3.17)

So. 19.02.17 Blind Butcher - Berlin, Monarch (40 Zuschauer)
New Wave-Duo auf Voodoo Rhythm aus Luzern. Das Schlagzeug meist flott und wenn nicht ala Neu!, dann gerne ganz schön disco. Auch die drunterliegenden Bässe kamen ausschliesslich aus elektronischen Klangerzeugern. Sogar nen Vocoder holten sie noch raus. Das soll aber nicht über eine emotionale Show von zwei netten Typen in Glitter-Ganzkörper-Kostümen hinwegtäuschen, die auch herausragende Musiker sind. Auch wenn der Rhythmus meist durchging, war doch genügend Feinheit und Variation drin und die Gitarre hatte wirklich alles im Repertoire was auf diesem Instrument seit der Erfindung des Einstecken-und-Aufdrehens jemals dagewesen war.
Der Gesang meist minimal. Eben auch wie die eckigen Wenige-Worte-Proklamierer der teutschen Steifbeiner um die früher 80er. Dazu passte die Coverversion "Ich möchte ein Eisbär sein" vorzüglich.
Der Mob war zufrieden, tanzte eifrig mit und ich hatte Platz an der Bar, konnte mich wohlig anlehnen und flott nachbestellen.
(Ralf, 27.2.17)
Sa. 18.02.17 Sick Horse, Fotzen Power Germany, Ringostarwars - Berlin, Kastanienkeller (80 Zuschauer)
Furioses Finale mit Sick Horse, die gespiegelten Needle Exchange, nur mit Rollentausch in der Hauptfigur. Gehen um einiges brachialer und gefühlstiefer ans Werk als ihre Spiegelbilder und haben auch mehr Tiefe in den Kompositionen. Leider war der Gesang kaum zu hören, was es etwas schwer machte, sich in dem Soundgewitter zu orientieren. Für mich die derzeit interessanteste Band aus Berlin, in beiden Inkarnationen. Mit Sick Horse wagen sie sich weiter über den Punk hinaus, schlagen sich gewalttätig Schneisen in dunklere Pfade, die nicht jeder heutzutage zu betreten wagt. Aber sie bleiben nah genug am Punk um die Bindung ins Diesseits nicht zu verlieren. Das passt einfach. Auch die Präsenz der Jungs ist stark.
Die Fotzen Power war heuer leider nicht so kraftvoll und sortiert, wie ich sie zuletzt im Bei Ruth kennengelernt habe. Dort war die künstlerische und handwerkliche Konkurrenz aber auch nicht so druckvoll wie hier.
Denn auch vor ihnen spielte eine durchaus interessante, mutige Kapelle namens Ringostarwars. Vielleicht ist der Name Programm, den man schlägt unsichtbare Brücken. Die Gitarre war mit Echo und Hall auf Du-und-Du, der Rest war Punk, aber mit Arrangements als würde jeder eine andere Strasse langflitzen, nur um sich am anderen Ende des Blocks wiederzutreffen. Für mich etwas ZU kompliziert. Ich mochte schon die Jazz-Punks der Hardcore-Tage nicht. Nur einziger Song hatte nen langsameren und durchgehenderen Groove ... und der haute auch gleich entsprechend rein. Aber die Ringostarwars bevorzugen nunmal den Umweg. Auch gut. Leider auch hier der Gesang die schwächste Stelle.
(Ralf, 27.2.17)
Fr. 10.02.17

Küken, Bikes, Needle Exchange - Berlin, BLO Ateliers (60 Zuschauer)
Needle Exchange (Foto) für mich die Besten des Abends mit modernem snotty Punk (modern ausnahmsweise mal im positiven Sinne. Das ist nicht 77, aber 77 anständig nach 2017 rübergezerrt, als hätte es niemals einen Crossoverkill und niemals Green Day gegeben), angepisst aber nicht wutentbrannt. Genau das richtige Mass an Aggression mit der notwendigen Distanz zur Verbohrtheit. Der Gesang hängt immer auf einer Note - ein bisschen das Credo des Abends - aber bei Needle Exchange hatte das für mich einfach noch am meisten Appeal.
Auch die Platten finde ich wirklich sehr ansprechend in Sound, Haltung und Song. Dieses Rotzige, das hängt hier einfach tief drinne und das muss man heutzutage verzweifelt suchen. Alle machen Hardcore oder Pop oder Metal. Ich weiss nicht, was ich schlimmer finde.
Der einfachste Weg, sich da rauszumogeln, ist eben über musikalische Randgebiete einzudringen, quasi "Ey, meine Band spielt Blues - MIT EINER PUNKY ATTITUDE". Oh, yeah, das muss heute leider reichen. Muss aber auch nicht zwangsläufig schlecht sein.
Die Bikes sind so eine Band. Sie haben hervorragende Platten draussen, doch der Auftritt konnte das leider nicht widerspiegeln. Die Songs hatten durchweg genau dasselbe Tempo und dieselben stonesy-R&B-Riffs. Ich kenne keine andere Band, die diesen Stil spielt, aber die Platten finde ich direkter und kompositorisch interessanter. Da blieb mir deutlich mehr hängen und die Gitarren klingen WESENTLICH bissiger als bei diesem Auftritt.
Hamburgs Küken sind quasi die Kidnappers sind quasi die Highschool Rockers. Der Ein-Ton-Gesang wird hier komplett im Doppel gebracht, wie zwei Synchron-Schwimmer. Auch ne Idee, aber je länger das geht, desto mehr fühlt es sich an wie wenn man immer wieder an der selben Stelle kratzt. Ist irgendwie gar nicht meins. Die Akkordfolgen finde ich durchweg uninteressant. Sie riffen und riffen, powern und powern und hauen und bohren, aber leider auf Granit.
Bei denen fehlt mir auch sowas wie das lachende Auge bei der Sache, etwas mehr Selbstironie oder überhaupt irgendein Gefühl. Das geht so emotionslos rauf und runter. Ich war aber auch müde und musste nach Hause. Die dritte Band hat immer den schlechtesten Stand, finde ich.
(Ralf, 14.2.17)

Do. 09.02.17 Fred & Toody - Köln, Sonic Ballroom (ca. 120 Zuschauer, restlos vollgepfropft)
Die zwei alten Krähen sind doch die einzigen die's wirklich bringen, simmermalehrlich. Wen könnte man denn eher als Blaupause für den Begriff Underground hernehmen? Fällt Euch was ein, das besser passt? Vielleicht der gerade vor kurzem hier wiedermal schwerstens gelobte TV Smith, aber definitiv sinds mal wieder die Alten, die einem den Glauben zurückgeben.
Ich muss hier ja niemandem was über die Historie von Dead Moon erzählen. Die Gesichter derer, die sich an diesem Abend, in den bereits seit Tagen ausverkauften Sonic Ballroom, reingequetscht hatten, sprachen für sich.
Die Performance war ziemlich am Rand der Goutierbarkeit, wie viele der unter minimalsten Möglichkeiten hergestellten Platten, die sie seit Mitte der 80er herausbrachten (wobei Fred's Bandgeschichte bis in die 60er Jahre reicht). Die Mini-Amps, die sie dabei hatten, brachten keinen Klang und der Bass klockte, als sei er direkt über DI ins Pult geschleift worden. Das konnte ich leider nicht sehen. Sehen konnte ohnehin kaum einer was, da die beiden sassen (Fred ist nicht mehr gut auf den Beinen und kann kein Konzert mehr durchgehend im Stehen spielen). Das Tat der Begeisterung allerdings keinen Abbruch. Was mir einen Schauer nach dem anderen über den Rücken trieb, liessen andere durch wildes Gepoge heraus. Wieviel Emotion die beiden in drei Akkorde, eine Melodie und ein paar Worte stecken können, ist unglaublich. Die stecken dich in Brand. Lichterloh. Das geht einfach so. Fertig!
Denn eins steht fest: Ein paar Riffs kann jeder aneinanderreihen. Die Riffs von Dead Moon waren selten ungewöhnlich. Aber einen guten Song schreiben, das können nur wenige. Dead Moon haben eine derartige Vielzahl an grossartigen Songs, dass sich dieses Konzert wie ein Best Of anfühlte und einiges noch fehlte.
Ich weiss nicht, ob die Tour explizit als Abschiedtour ausgeschrieben war, doch da wir wissen, dass die beiden schon vor längerer Zeit das Karriereende vorausgesagt haben, werden wir sie wohl zum letzten Mal gesehen haben. Gehabt Euch wohl meine Freunde, jetzt sind die Jungen dran.
(Ralf, 14.2.17)
Di. 07.02.17 Death Valley Girls - Köln, Sonic Ballroom (ca. 40 Zuschauer)
Eine Mixtur aus Wave und Indie Rock mit hysterischer Sängerin ala Siouxie, definitiv aber kein Punk oder sowas, auch wenn das überall so ausgeschrien wird.
Sie sind nicht schlecht, aber die Qualität einer Band zeigt sich ja dann auch über die Distanz. Im ersten Moment findet man vieles gut, was sich dann bei genauerer Betrachtung als höchstens mittel herausstellt.
Der Gesang schlittert nur haarscharf am Nervenzerren vorbei, die ganze Band schien müde und emotionslos. Am Besten fand ich die Songs die eine durchgehende coole Basslinie als Basis hatten und damit die intensiveren Momente erzeugte. Das erinnerte fast (aber nur fast) ein wenig an den australischen Swampblues. Und immer wenn man dachte, dass ein Song besser sei als die vorigen, war das, weil er einem schon so bekannt vorkam, dass man gleich die Melodie des Originals ansingen wollte, dem er abgekupfert war.
Gerade mal so zufriedenstellend, aber mehr nicht.
(Ralf, 14.2.17)
Sa. 28.01.17 Reverend Beatman - Berlin, Bassy Cowboy Club (300 Zuschauer)
Der schafft das einfach immer wieder, einen zu erstaunen. Sein Ideenreichtum ist unerhört und wer denkt, der spielt doch nur einen Ton, der irrt sich gewaltig. Beatman ist der Beethoven des Punk, die Muster, die er in einem einzigen Ton hört, nimmt und in eine Trash-Blues-Symphonie erhebt, das kann nur ein Hohepriester des Schmutzes am Himmel verzogener Gitarrenhälse, der Seelenfänger verstimmter knarzender Saiten und sich ächzend öffnender Gitarrenkoffer, die muffeln, als wären sie 50 Jahre unter einem leckenden Whiskey-Fass vergammelt.
Beatmans Humor und entschlossene Bedingungslosigkeit, sein aberwitziger Mut und seine geschmackssichere Haltung zur eigenen Person, die Fehlbarkeit und Göttlichkeit vereinen, suchen weltweit Seinesgleichen. Es gibt sie, aber es sind wenige.
Dieser Juwel opfert sich glücklicherweise zum Zentrum der europäisches 60s-Trash-Punk-Szene auf, gibt ein gutes Beispiel und inspiriert Nachwuchs. So steht es jetzt geschrieben.
(Ralf, 14.2.17)
Di. 24.01.17 UK Subs, TV Smith - Köln, Underground (ca. 250 Zuschauer)
Ich erfreue mich immer wieder der geschätzten Kommentare meiner Mitkonzertebesucher. Magnus über die UK Subs heute Abend: "Seelenlos!" Treffender hätte man das Geschehen nicht mit hundert Sätzen beschreiben können. Ich suche auch nach Gründen. Vielleicht hatten sie ein paar harte Nächte hinter sich, vielleicht sind sie aber auch einfach nur durch mit der Scheisse. Wenn Charlie Harper das Grinsen noch ins Gesicht gemetzelt war, so konnte der Bassist diese Fassade beim besten Willen nicht mehr aufrecht erhalten. Der war einfach nur tot. Die Haare waren schick, der Rest war tot. Der Gitarrist zog es tapfer runter, aber man spürte förmlich wie er kämpfte, um sich den Anschein eines energievollen Menschen zu geben. Und dass die Subs nunmal auch nicht die interessantesten Songs haben, trug nicht dazu bei, den Auftritt zu verbessern. Es war fast eine Qual mitzufühlen. Das übertrug sich extrem.
War ja auch schwer, nach TV Smith, der positiv denkende Punkmönch, für den ich wohl mindestens schon eine Lanze gebrochen habe und es immer wieder tun werde. Nie war er wertvoller als heute. 2017 hilft nur noch TV Smith. Ein Mensch der alles mit einer bescheidenen Begeisterung tut, dass man ihn einfach ins Herz schliessen muss. Er hat alles das, was seine alten Kumpels der Subs entweder verloren haben oder niemals hatten: Kraft, Freude, Inspiration, ein hervorragendes wiedererkennbares Songwriting, mitreissende, kritische, einfühlsame intelligente Texte, eine ausgezeichnete einzigartige Stimme, Gesangstalent und Energie. Man muss nicht zu jedem Lied lachen. Ein ernstes Lied ist ernst, ein trauriges Lied ist traurig, doch Charlie Harper sah aus wie ein Halloween Kürbis während TV mal verzweifelt und mal hoffnungsvoll war.
TV meinte, als Vorband spielt man mehr und redet nicht so viel. Das war aber leider das einzige, was mir an diesem Auftritt etwas ab ging. Seine Solo-Shows gehen ja durchaus auch mal über 2 Stunden. Und da weiss er einiges zu berichten, das einen noch näher an ihn heran bringt.
(Ralf, 14.2.17)
(UK Subs)
(TV Smith)
Fr. 06.01.17 The Wrong Society, The Everettes - Berlin, Schokoladen (ca. 120 Zuschauer, zu voll!) Foto: Suzy Creamcheese
Die Jungs der Hamburger Wrong Society haben nicht nur den coolsten Bandnamen, sie schreiben auch die besten Songs in unserem Längengrad.
Wundervolle Harmonien und mehrstimmige Refrains über gefühlvoll geschrabbeltem Garage-Punk mit variantenreichen und hüftentzündenden Rhythmen im Stile der wütend-traurigen US Teen-Fraktion der Mittsechziger ... nur besser und mit der richtigen Portion ironischer Distanz.
Sie haben ein ausgesprochenes Händchen für feingeschliffene aber eingängige Songs, die eine hohe Halbwertszeit haben.
Meinen Lieblingssong "She's the Girl" haben sie leider nicht gespielt. Eine typische TWS-Boy-loves-Girl-but-can't-get-her-Ballade mit einer super Melodie, doch ehe man sich umsieht, steht man knietief in einem wirklich schadenbringenden Gitarrensolo das seine Töne wie in einem zuckenden Anfall um sich spuckt und nur von einer unheilvollen Orgel-at-the-Gates-of-Dawn eingebremst werden kann, uns dann eine kurze Atempause zum Mundabwischen gestattet, bevor die Trommeln die nächste Strophe und somit das nächste Drama einleiten. Schade. Davon hätte ich mich gerne einwickeltn lassen. Was sie aber gespielt haben ist der Hit dieses grauen Winters von ihrer aktuellen Single: "Dark Clouds", hahaha. Der Titel sagt alles.
Dazu sind sie einfach supernette Kerle und unangestrengt unprätentiös, persönlich und auf der Bühne. Das ist es, was von Punk übrig geblieben ist. Ich sage nur: "Hey Hey Hate!" und freue mich schon jetzt auf das nächste Konzert. Hm, könnte ne Weile dauern. Kein Problem, ich hab ja die Singles, juhuuu!
Die Everettes kann ich nicht beurteilen. Das Gedrängle wurde mir zu feist und irgendwie sind die leider auch nicht meins, so dass ich zu wenig gesehen habe um was dazu zu sagen. Sorry.
(Ralf, 8.1.17)

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Teufel