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Konzertbesprechungen 2010 |
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Bulemics (24.9.10 Ravensburg)
- The Flaming Stars (30.09.10 London)
- Die Goldenen Ztironen (21.5.10
Tübingen) - Grinderman (1.10.10 London)
Fr. 01.10.10 |
Grinderman,
The
Hunter Gracchus - London,
Hammersmith Apollo (8000 Zuschauer) Hunter
Gracchus verpassten wir leider weil wir uns zu spät
auf den Weg machten und in einer riiiiiiiiiiieeeeesigen Schlange vor
der Halle warten mussten. Es ist nie gut, wenn man zur Stosszeit kommt.
Auch drinnen alles rammelvoll. Grindermans erste von zwei London Shows
war nicht aus- sondern überverkauft. Ich hasse grosse Hallen,
in England, in Deutschland, überall. Man wartet überall,
kriegt nix zu trinken und wenn man dann reingeht, steht man mit dem
Rücken zur Wand. Keine Ahnung, ob vorne noch Platz war aber hinten
konntest Du Dich kaum mehr reinquetschen. Die Show begann. Die Leute
klatschten und schrien und waren auf eine Art begeistert, die mich
leicht anekelte. Das Konzert war eigentlich nicht anders wie jedes
andere Konzert in einer grossen Halle. Mords Lightshow, mords Bühnenaufbau,
mords Lärm, nur wenig interessant. Grindermans neue Songs sind
ganz schön simpel, musikalisch wie textlich. Irgendwie unspektakulär,
ausrechenbar. Genau das Gegenteil dessen was Cave immer ausmachte.
Das Ungewöhnlichsein, das Einzigartige. Cave's Skandierungen
hören sich noch genauso an wie auf Tender Prey. Zum erstenmal
spürte ich eine gewisse Sättigung an dem grossen Mann, ohne
die langjährige Hoffnung, die er uns gegeben hat, schmälern
zu wollen. Hatte ich seinen ersten Grinderman Streich noch als sehr
erfrischend empfunden, kommt mir Cave nun zum allersten Mal etwas
inspirationslos vor. Und an der Gitarre gefällt er mir einfach
nicht. Da kann ich mich noch überhaupt nicht dran gewöhnen,
auch wenn er gutes Zeug spielt.
Da hilft auch die witzige Attitüde der Band nicht. Das Sich-selbst-auf-den-Arm
nehmen ist ja eine sichere Bank. Man macht sich unangreifbar. Ich
finds hier aber irgendwie nur noch doof. Cave war doof, das Publikum
war doof, die überfüllte Halle war doof und dann ging draussen
noch jede annehmbare Biersorte aus. Ich hasse es wie nichts anderes
wenn Du in England an einer endlosen Bar entlang gehst und an allen
Zapfhähnen der Becher hängt. Wie dumm können die eigentlich
sein, dass sie ihr Bier ausgehen lassen, wenn 8000 durstige Hälse
im Haus sind. Das gibts doch gar nicht. Hier hat gar nichts gepasst.
Auch das Tshirt nicht, das wir Daniel mit nach Hause mitbrachten,
lach. (Ralf, 5.12.10)
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Do. 30.09.10 |
The
Flaming Stars, Florence
Joelle’s Kiss Of Fire, The
Jolenes - London, 100 Club
(100 Zuschauer):
Dumm wie wir sind, suchten wir den 100 Club erstmal ewig lang dort
wo die Londoner gerade ein riesiges Loch in ihre Oxford-Street gebuddelt
hatten, da ich fest davon überzeugt war, hier schon mal gewesen
zu sein. Irgendwann schnallten wir dann aber doch, dass der 100
Club auf der anderen Strassenseite war und ich den Metro Club meinte,
der jetzt wohl leider tatsächlich einer echten Metro weichen
musste.
Toll fühlt es sich gleich mal an, wenn man wie bei jedem guten
Londoner Club erstmal die Treppe runter muss, um sich in ein wirklich
grandioses Loch in diesen grandiosen alten Häusern zu begeben.
Der 100 Club ist aber leider ein ziemlicher Schlauch, bei dem alles
etwas ungünstig angeordnet ist. Auch die Bühne haben sie
nicht an eine der kurzen Seiten, sondern in die Mitte der langen
Seite gebaut. Hat auch Vorteile und ist ungewöhnlich, dennoch
fand ich's nicht sehr gut gelöst. Das Bier holt man sich auf
der vorderen kurzen Seite und aufs Klo muss man auf die andere kurze
Seite, komplett am anderen Ende des Clubs. Auch das ist doof. Gut
fand ich aber, dass ich mich altersgerecht auf den Arsch an einen
der Tische vor der Bar setzen und dennoch den ersten Bands zusehen
konnte, da die Bühne von drei Seiten eingesehen werden konnte.
The Jolenes waren eine aufgepeppte 50s-Girls-Kapelle
mit Akkordeons, die irgendwas coverten und der eher bescheidenen
Meute sehr gut gefielen. Mir nicht.
Florence Joelle's Kiss of Fire setzte mich überhaupt
nicht in Brand. Das war stinklangweilig, stilistisch irgendwo zwischen
Wanda Jackson und New Wave und die Frau mag wegen mir alles können,
aber singen ganz bestimmt nicht. Eigentlich kann sie auch nichts
anderes, zumindest nichts, was man auf einer Bühne machen kann.
Dementsprechend ging die Stimmung im ganzen Laden etwas vor die
Hunde. Ich war leicht wütend. Manchmal reagiere ich pikiert
auf schlechte Musik. Daher igelte ich mich an meinem Platz ein,
suchte häufig die nahe gelegene Bar auf und fing dann langsam
an Gefallen am Drummer der Band zu finden. Nathalie hatte mich vorher
schon gefragt, ob ich den gesehen hätte. Er war aber der einzige
der Band, den ich nicht richtig sehen konnte, bzw. nur wenn ich
meinen Hals lang machte. "Das ist ein Opa." Stimmte. Der
war ganz sicher deutlich über 60. Nach ein paar Liedern fand
ich aber, dass er mit Abstand der beste und auch der lebhafteste
der Band war. Der alte Sack hatte echt was drauf und zeigte es seinen
unbegabten jungen Kollegen. Diese Erkenntnis alleine gab mir ein
erhebendes Gefühl, eine niederträchtig arrogante Haltung,
mit der ich es mir, in meinen Blechstuhl gelümmelt mit dem
vierten oder fünten Bier in einer halben Stunde im Kragen,
dann doch gut gehen liess.
Dann wurde ich doch noch etwas nervös, denn die Flaming
Stars schickten sich an, die Bühne zu betreten. Die
Londoner Gentleman hatten mich vor vielen Jahren (Mitte 90er) mit
ihrer Mischung aus Cave'schem Sumpfblues, 60s Bar-Twang, etwas Exotica
und hochnäsiger Attitüde in engen Anzügen aufs Höchste
entzückt und ich war schon Tage vorher sehr gespannt. Ich wusste
gar nicht, dass es die Band noch gibt, niemals hatte ich Tourdaten
von ihnen gelesen, vermutlich weil sie es auch niemals weit aus
England rausgeschafft hatten, wenn überhaupt. Leider wurde
mir an diesem Abend auch klar, warum das so war. Weil die Band halt
einfach auch nicht besonders gut ist. Der Auftritt war mager, emotionsschwach,
unansehnlich, in die Jahre gekommen, ereignisentbunden.
Max Decharne (auf den ersten Gallon Drunk Scheiben übrigens
als Drummer hervorgetreten und das ist denn auch die eheste Band,
die mir als Vergleich einfällt, auch wenn die Flaming Stars
gegenüber der sehr wilden Anfangsphase Gallon Drunks sehr zahm
daher kommen) wusste mir zwar zu gefallen. Er sieht immer noch toll
aus, hat eine schöne tiefe Stimme, doch sein Acting war blutleer.
Schlechten Mondtag erwischt? Keine Ahnung. Huck Withney an der Gitarre
sah aus wie Helmut Berger in den 70ern. Wie ein billiger Strassenaufreisser
in San Tropez. Der Rest der Band war wie eine Gang von zahnlosen
Losern aus dem Simpsons-Altenheim. Oh weh.
Ich kannte fast jedes Lied, aber es riss einfach nicht. Die Performance
war zu beschissen. Da nützte es auch nichts, dass die aktuelle
60s-Garde Londons allesamt in der ersten Reihe standen und einen
Riesenabend hatten. Allen voran ein über alle Backen strahelender
Bruce Brand, der einen Kübel nach dem anderen in sich reinleerte
und seine Pfoten an die Hüften 50jähriger Ex-NewWave Damen
heftete.
Wir gingen, wie viele anderen auch, noch vor Ende des Sets nach
Hause.
(Ralf, 5.12.10)
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Fr. 24.09.10 |
Bulemics
- Ravensburg, Balthes
(50 Zuschauer): Ganz schöne Enttäuschung, die Herren
aus Amerika. Punk mit Tempo löst bei mir ja schon immer Wohligkeit
aus, doch das hier war qualitativer Keller. Und wenn die Musik es
nicht reisst, dann muss die Band halt den Wahnsinn beweisen für
den man ihre Platten gekauft hat und für den sie auch live
berüchtigt sind. Doch an diesem Abend schienen sie ihren Verve
auf der Strasse, in den Shows der Abende zuvor oder sonstwo gelassen
zu haben. Der gefährlichste Mann im Raum gehörte unserer
Mannschaft an. Und beim Sichumlassen musste er noch aufpassen, dass
er ein paar kleinen Mädchen nicht die Handys aus den dreckigen
Patschehändchen schlug. Was muss man sich eigentlich nicht
alles gefallen lassen heutzutage. Auf dem Weg zur Disco verirrte
weibliche Kinder mit Handys in der Hand in der ersten Reihe eines
Bulemics Konzerts, die den einzigen Wildgewordenen im Saal behindern.
Ein schrecklicher Abend.
Daran konnten natürlich auch The
Asstereoidiots nichts ändern, die nichts weiter
waren als die hundertmillionste Kopie Schweden-Heavy-Rocks, der
seit sovielen Jahren jetzt schon sowas von out ist. Ich glaub ich
hab mir noch nie ne Band so kurz angeschaut wie die Asstereoidiots,
nämlich etwa 20 Sekunden. Ich habe schon zuviele ähnlicher
Bands gesehen, um einfach zu wissen, dass es sich nicht lohnte darauf
zu warten, dass da vielleicht noch was Interessantes passiert, das
sich vom Allerweltlichen abhebt.
2,3 ... lasst uns ein Klagelied singen, meine Herren.
(Ralf, 5.12.10)
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Fr. 21.05.10 |
Die
Goldenen Zitronen -
Tübingen, Sudhaus (ca.
250 Zuschauer)
Es mag dem einen oder anderen nicht leicht fallen, die Entwicklung
der Goldenen Zitronen als stringent zu verstehen, doch genau das ist
sie. Der Mensch neigt dazu, das Ding immer der Wurzel zu verhaften,
doch Funpunk waren die Zitronen nunmal nur in den ersten zwei drei
Jahren. Der Rest ist politische Treue, die Treue zur musikalischen
Subversion und Kunst.
Schnödelig und witzig sind sie immer noch wie am ersten Tag.
Der Geist in den Köpfen tickt noch gleich. Das ist schön,
lustig und ansteckend. Man steht einfach nur da und grinst die Typen
auf der Bühne an, die einem so vertraut sind.
Handwerklich sind sie nachwievor teils phantastisch, teils äusserst
schnoddrig, fast absichtlich nachlässig, und so geht auch mal
was schief, doch auch das ist Treue. Treue dazu, die Kunst über
das Handwerk zu stellen und bei den Goldenen Zitronen gehört
zur Kunst eben auch die Ablehnung gegen Vollendung. Da sind sie noch
Punk wie eh und je.
Nach ein paar Bieren haben wir uns zu der Feststellung hinreissen
lassen, dass es an deutschen Bands eh nur die Neubauten und die Zitronen
rauszuheben gibt. Wenn man wirklich nur durchgehend aktive Bands mitzählt,
stimmt das ja vielleicht sogar. (Ralf, 12.6.10)
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