Konzertbesprechungen 2009

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Alarmstufe Gerd (23.10.09 Balingen) - Anfack (25.7.09 Balingen) - Bang Your Head (26./27.6.09 Balingen) - Black Lips (20.8.09 Stuttgart) - Boozed (Balingen, 4.12.09) - Civil Victim (10.10.09 Balingen) - Clap Your Hands Twice (11.4.09 Balingen, 31.7.09 Albstadt, 9.9.09 Balingen) - Contienda Libertad (25.7.09 Balingen) - Crekko (24.10.09 Balingen) - Disco Vietnam (10.10.09 Balingen) - The Drones (3.11.09 London, 2.11.09 Brighton, 26.4.09 Fremantle) - Finisterre (25.7.09 Balingen) - The Frayed End (24.10.09 Balingen) - The Gories (16.7.09 München) - HTRK (3.11.09 London) - Jennifer Rostock (31.7.09 Albstadt) - Karma To Burn (26.11.09 Balingen) - Kotpilot (25.7.09 Balingen) - Liberty Madness (23.10.09 Balingen) - Los Franco Neros (24.7.09 Tübingen) - Lost Rivers (25.7.09 Balingen) - Mantikor (12.6.09 Balingen) - The Masonics And Miss Ludella Black (2.10.09 Stuttgart) - The Misbegotten (2.11.09 Brigthon) - The Movements (24.7.09 Tübingen) - Navigator (16.5.09 Balingen) - No Code (19.9.09 Balingen) - The Oblivians (16.7.09 München) - Pinstripe Seasons (Balingen, 4.12.09) - The Pleasure Days (12.6.09 Balingen, 31.7.09 Albstadt) - Pub La Bomba (16.5.09 Balingen) - Salter Cane (2.11.09 Brigthon) - Scheisse Minelli (10.10.09 Balingen) - Smalltown Rockets (15.8.09 Balingen) - Tieflader (24.10.09 Balingen) - TV Smith (14.11.09 Balingen, 11.4.09 Balingen) - Vic De Montes Persona Non Grata (19.9.09 Balingen)

Sa. 04.12.09 Boozed, Pinstripe Seasons - Balingen, Sonnenkeller: (ca. 30 Zuschauer)
Pinstripe Seasons haben eigentlich fast alles was man braucht: Sie machen gefälligen aber auch leicht angerauhten Brit-Indie-Rock, haben ansperchende Kompositionen, einen hervorragenden Sänger, einen hervorragenden Drummer, der heuer übrigens, durch die neue Dreifaltigkeit der Band (der Basser musste zum Studieren und der zweite Gitarrist übernahm daher den Viersaiter) sehr gut zu sehen ist und ich kann nur sagen, dass es wirklich Spass macht ihm zuzuschauen, sie sehen gut aus, sie haben also alles, um noch mal auf den Anfang des Satzes zurückzukommen; daher müssten sie eigentlich was aus sich machen können. Mehr möchte ich gar nicht sagen. Mir hat der Auftritt gut gefallen, auch wenn ich finde, dass zwei Gitarren doch noch etwas wilder waren. Wilder heisst in meinen Augen = besser.
Boozed aus Osnabrück ist so ne typische Action-Rock Band a la Schweden. Sie spielen den ultimativen Mix aus Hellacopters, Backyard Babies, Gluecifer und Hives. Machen das zwar sehr lebendig und gut, sehen auch gut aus und und und, doch bei allem, das sich noch halbwegs im Rahmen dessen bewegt, was mir gefällt oder zumindest mal gefallen hat, ist das für mich heute stilistisch so ziemlich das Langweiligste, was man überhaupt machen kann. Da gibts kein Wenn und kein Aber. Zumindest machten sie einen recht sympathischen Eindruck, auch angesichts der leider etwas lichten Reihen in einer schwierigen Zeit für Livekonzerte. Das Beste waren aber die Ohren des Drummers. Die sahen aus wie die Salatohren von Alfred E. Neumann. Neinnein, soll keine Beleidigung sein. Ich fand das toll und musste ihm immer auf die Ohren gucken. Das ist ja hoffentlich nicht unschicklich, wenn ein Mann einem anderen Mann immer auf die Ohren kucken muss.
(Ralf, 19.12.09)
Do. 26.11.09 Karma To Burn, Navigator - Balingen, Sonnenkeller (ca. 50 Zuschauer) Foto von Christian Ziegler
Mit Karma to Burn muss die Historie der meistprofilierten Bands die je im Sonnenkeller auftraten gerade wieder umgeschrieben werden. Die Band aus Hickville, West Virginia (richtig?) die bereits Ende der 90er für ganz grosse Furore im Stoner-Metier gesorgt hatte, tat sich nach 6 oder 7 Jahre langer Aufgelöstheit im Februar 09 mit neuem Schlagzeuger wieder zusammen und da standen sie plötzlich im Sonnenkeller und füllten den Raum mit ihrem betörend-hypnotischen Instrumental-Sound.
Nur ganz zu Anfang in ihrer Karriere liessen sie sich von ihrer Plattenfirma kurz überreden, einen Sänger einzusetzen, doch als dies kein bisschen mehr zum Erfolg beitrug zogen sie sofort die Konsequenz und blieben bei ihrem Konzept, das sich seitdem als künstlerische Besonderheit absolut bewährt hat. Und ich bleibe bei meinem Urteil: Noch niemals hat eine Plattenfirma oder sonst jemand, der von aussen einzuwirken versuchte, es geschafft, eine Band zu verbessern. Zumal wenn die künstlerischen Ideen vom Standard abweichen.
Die Tatsache, dass Karma To Burn eine reine Instrumentalband sind, macht den Grossteil ihres Reizes aus. als wir die Band 1997 zum erstenmal sahen musste für zwei oder drei Songs noch der Sänger ran. Wir empfanden das aber ebenfalls insgesamt als störend. Die Band ist auch ohne Sänger überhaupt nicht langweilig obwohl sie stilistisch nicht variieren. Die Kompositionen sind aber durchsetzt mit ungewöhnlichen Einfällen, die in der Ruhe und Schwerheit des Sounds für die Abwechslung und die besonderen, wiedergebbaren Akzente sorgen. Ein markanter KarmaToBurn-Song kann Dir ebensolange nicht aus dem Kopf gehen wie eine Hitmelodie mit einfachem Text.
Zudem bringt die Band, trotzdem sie nur aus drei T-Shirt-und-Jeans-Typen aus dem Niemandsland der USA besteht, ein interessantes Charisma auf die Bühne. Der Bassist Rich Mullins ist mein absoluter Eye-Catcher. Sein unschlagbarer Grätschstand hat uns schon vor 12 Jahren umgehauen. Im Sonnenkeller führte das dazu, dass er auf Augenhöhe zum Publikum stand und sie aufmerksam studierte und lächelte, wenn er merkte, dass denen gefiel was sie hörten. Der neue Drummer ist eine Augenweide an sich. Mit seinem Wuschelkopf, dem nackten Oberkörper und einer Beckenaufstellung, die ihn dazu zwang, sich mit Bewegungen zwischen Panther und Schlange über sein Set zu räkeln, trug er wesentlich zum Gesamterscheinungsbild der Karmas bei. Lediglich Gitarrist Will Mecum wirkt optisch etwas blass, dafür repräsentiert er die Bescheidenheit der Band, so dass sich dadurch alles zum letztendlich runden Gesamten fügt.
Leider war das Konzert nicht sooo gut besucht. Immerhin waren aber etwa doppelt soviele Leute da, wie 1997 in der Röhre. Und dort war die gähnende Leere hinter den paar Leuten, die vor der Bühne klebten noch grösser als im Sonnenkeller. Doch wie auch vor 12 Jahren, war die komplette Zuschauerschaft in wallender Hypnose versunken und klemmte sich auf die ersten paar Quadratmeter, ganz nah bei der Band, ganz nah beim Sound. Hinter ihnen hättest Du locker Eisstockschiessen spielen können. Das hätte niemand gemerkt und es hätte niemanden gestört, denn alle waren derart versunken und keiner wagte sich einen Schritt weg, in der Angst etwas Geniales zu verpassen.
Karma To Burn aber fuhren anschliessend weiter, um andere Zöglinge Europas zu verspulen. Bis Mitte Dezember sind sie noch kreuz und quer über dem Kontinent um dann die letzten 10 Tage oder so durch England zu touren. Selbst wenn sie im grossen Schatten ihrer Genrekollegen wie Homme und Co. ein eher unscheinbares Dasein fristen, sind sie nicht weniger gut und haben einen ausgezeichneten Ruf überall in Europa und USA. In Balingen kannten sie leider nur Lars Pfefferle vom Dynamo und ich von meinen Kumpels aus Messtetten und Albstadt. Und so fanden sich fast ausschliesslich Menschen aus den höher gelegenen Ebenen der Alb ein, ... halt, die zwei Tübinger dürfen wir natürlich nicht vergessen.
Auf Navigator hatte ich's leider nicht geschafft, weil wir selbst noch Probe hatten. Schade.
(Ralf, 28.11.09)
Sa. 14.11.09

TV Smith, No Code - Balingen, Sonnenkeller (ca. 70 Zuschauer) Foto von Janet Su
Es ist ja nicht so, dass ich noch nie eine Lanze für Tim Smith, den guten alten Adverts-Recken gebrochen hätte, doch nachdem er jetzt zum dritten Mal in anderthalb Jahren im Sonnenkeller spielen sollte und wir ihn schon diverse weitere Male gesehen haben, sah ich diesem Abend schon mit leicht gelangweilter Lustlosigkeit entgegen. Doch dann kam alles anders. Dass der Mann es schaffte, mich dennoch wieder völlig in den Bann zu ziehen, liess mich seine Qualitäten nun doch in einem nochmal anderen Licht erkennen.
Was also fand ich als das ganz Besondere dieses Herren heraus?

  1. Seine bedingungslose Authentizität und Hingabe. Der Mann komponiert, textet und singt auch nach mehr als 30 Jahren derart leidenschaftlich, dass das natürlich nur absolut echt sein kann. Und so scheint er sich in über 30 Jahren kaum verändert zu haben, denn immer noch kann er "No Time To Be 21" erklären und überzeugend vorspielen. Und doch hat sich etwas geändert. Nämlich seine positive Grundeinstellung. Ist er einerseits ein verärgerter Punk und prangert die Zustände der Gesellschaft an, so hat er sich über sein Leben in deren Mitte aber auch soweit davon gelöst, dass er, mit seinem Köfferchen und der Gitarre ausgestattet, ohne festen Wohnsitz und immer on the road, ein Leben ohne die Anhaftung an "unwichtigen Dingen" lebt und dadurch quasi wie ein Mönch die Glückseligkeit der Einfachheit geniesst. Dies scheint ihn dazu zu befähigen, uns mit einem "und denkt daran: Seid immer positiv, dann wird schon alles gut" in die Nacht zu entlassen.
    Und am Ende baut er auch seinen Plattenladen selbst auf der Bühne auf und auch das ist selbstverständlich Teil seiner Authentizität. Ob der in der schwäbischen Provinz vor 10 Leuten auf der Bühne steht, wie wir das schon erlebt haben oder ob er auf hippen Festivals, auf riesigen Bühnen steht und die Massen sich nicht in die Zelte geschoben bekommen, er ist immer er selbst, er ist immer gleich. Er hat einfach den Punkt in sich gefunden, auf den er sich verlassen kann und erliegt keinerlei Verlockungen. Im Gegenteil. Ihm ist das Kleine, Intime lieber. Anti-Estblishment pur.
  2. Seine musikalische Qualität. Die Songs scheinen einfach, Punk eben. Doch sie haben immer die richtige Hookline, den richtigen Drive. Über seine rhythmische Spielweise hört man quasi das Schlagzeug mit und bekommt so das Gefühl, dass hier eine ganze Band steht. Ich glaube, dass TV beim Spielen seine ganze Band hört und man denkt einfach, man hört sie auch.
    Seine Wut aufs Establishment, seine Sorgen um die Menschheit, die Natur und alles was eben nicht stimmt in dieser Gesellschaft drückt er so treffend und mit traumwandlerischem Wortwitz aus, findet immer die passende Schlagzeile, was ja im Songtexten noch um so viel wichtiger ist als in der nicht gesungenen Poesie. Ich sehe in ihm den Dylan des Punk. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in seinen frühen 20ern fehlte es TV an Tiefe. Wenn er eins nicht ist und zwar zu keinem Moment, dann ist das oberflächlich.

TV spielt immer ziemlich lange. Das hält nicht jeder durch. Und wenn auch mir nicht jedes Lied gefällt und obwohl alles eigentlich sehr gleich wirkt, Langeweile kommt nicht wirklich auf.
Und was die Person und seine Ansichten, die Wahrheiten, die er in den Texten vermittelt, betrifft, fällt mir deutlich der ungeheuer wichtige Gegensatz auf, den er bspw. zu Bands wie Jennifer Rostock darstellt. Über jene hab ich meiner Hoffnung Luft verschafft, dass sie keine kleinen Bands als Vorbild nehmen. TV Smith ist das direkte Gegenteil von ähnlichen ambitionierten Dämlack-Bands und den, den möchte ich als Vorbild für jeden Menschen und jede Band allerherzlichst empfehlen!
NoCode hat ein ebenso reines Herz und passt schon daher ganz gut zu TV, auch wenn man musikalisch sonst nicht nah beieinander liegt. Die Haltung mag aber dieselbe sein und ausserdem, dass sie zu diesem Konzert ihr Set in akkustisch vortrugen. Ansonsten hat sich seit dem letzten Konzert im September nichts geändert, weswegen auch meine Kritik dieses Konzerts herangezogen werden kann.
(Ralf, 15.11.09)

Di. 03.11.09

The Drones, HTRKLondon, Cargo (ca. 500 Zuschauer)
HTRK sprich Haterock ist ein australisches Trio, das in London wohnt und eine Art düsteren New Wave spielt. Drums kommen vom Computer und klingen sehr nach 80er Disco, also erstmal ziemlich unangenehm. Darüber schwebt eine von Effekten gesteuerte Gitarre, ein wenig wie die sphärischeren Sachen von Robert Smith nur noch 100mal extremer. Das ist ein einziges symphonisches Geäthere, da kann auch noch ne Menge Keyboard vom Band oder sonstwas drin sein. Keine Ahnung.
Insgesamt klingt es aber dennoch sehr einnehmend, sehr düster, sehr 80er-wavig und durch die Sängerin, die völlig unnahbar, völlig bewegungslos dasteht, bekommt das eine beklemmende unwirkliche Atmosphäre. Dazu kommt, dass sie den Rhythmus oft mit Schlägen auf eine Stand-Tom begleitet, die sie neben sich stehen hat. Dazu holt sie voll aus und haut das Ding jedesmal fast zusammen. Wir sassen noch kurz beim Essen im Nebenraum, als die Band anfing und alles was Du hörtest, waren diese atavistischen Schläge. Das war echt klasse.
Insgesamt hat die Band eigentlich kaum Harmonien. Das schwebt alles so vor sich hin und auch der Gesang folgt keiner gefälligen Melodie. Hat was Avangardistisches. Der Gitarrist ist Asiate und trägt Norwegerpullis. Das sah schon abgefahren aus. Dazu machte er ständig ein finster-trauriges Gesicht. Fast wie eine Comicfigur. Blöd war, dass er sich nach jedem Song leistete, minutenlang an seinem Effektgeräte-Raumschiff rumzuschrauben, den Drumcomputer oder das Band zu starten und zu stoppen oder was auch immer. Gut daran war, dass die Sängerin diese ganze lange Zeit immer bewegungslos und sprachlos dastand. Naja, manchmal drehte sie sich zu ihrem Wasser um. Hätte mir besser gefallen, wenn sie auch das nicht getan hätte.
Was unterm Strich vielleicht noch interessant ist, sie ist die Freundin oder Frau vom Devastations-Sänger, der natürlich auch im Publikum rumhing, auch schon beim Drones-Gig am Abend zuvor in Brighton.
Während bei HTRK noch genügend Platz zum Rumlaufen im Saal war, war das dann bei den Drones gegessen. Ich holte mir noch kurz ein Bier und fand mich dann schon in der fünften oder so Reihe wieder. Die Leute waren echt begierig, die Drones zu sehen, das merkte man sehr deutlich. Beim letztenmal als wir sie in London sahen, war das noch ganz anders. Ich fühle mich ja nicht so wohl, wenn mir die Leute auf den Schuhen stehen, doch als die Band anfing ging das erstmal wieder weg. Sie waren wieder gut, fingen gleich mal mit einem anderen Song an als am Tag zuvor und ich konnte mich einfühlen. Doch dann kamen drei kleine Weiber, die aussahen wie 23-jährige Bizerba-Sekretärinnen, kurz bevor sie Kinder kriegen und sich dann ins Eigenheim zurückziehen, und schubsten sich wie beschissene Pseudo-Groupies mit einer rücksichtslosen Ich-bin-ein-Mädchen-ich-darf-das-Haltung durch die Meute, um sich direkt vor der Bühne einen neuen Platz zu schaffen, in dem alle anderen auf die Seite zu gehen hatten. Dann fingen sie an dämliche Kopfbewegungen zu machen, die mir echt eine kurze Hasswelle über den Rücken jagten, so dass ich eine ganze Weile brauchte, bis ich mich beruhigt und wieder auf das Konzert eingelassen hatte. Zumindest gelang es mir, den Weg so entschlossen zu blockieren, dass weitere Freundinnen, die offensichtlich hinter mir festhingen, nicht auch noch nach vorne kamen. Die vorne versuchten zu winken, doch ich und meine Nebenleute liessen kein Durchkommen mehr zu. Wir waren die Wall of London!!
Das schickte mir aber den ersten schrägen Gedanken ins Hirn. Könnte es etwa sein, dass die Drones doch noch den grossen Durchbruch schaffen werden, wenn schon derart verblödete Ziegen auf ihren Sound stehen.
Ich hielt noch drei vier Songs durch, dann gab ich die Stellung auf, um wieder Frieden bei einem neuen Bier und einer Position im Raum zu finden, um die weniger gekämpft werden musste. Die zweite Ebene allerdings war nun völlig leer. Der ganze Laden war völlig leer, bis auf den Auftrittssaal und da waren alle. Das erschwerte ein erneutes Niederlassen. Ich fand aber doch ein ganz gutes Plätzchen, von dem aus man erhaschen konnte, wie gefesselt die Londoner von den Drones waren. Ich hatte einfach das Gefühl, dass die hier nun endgültig angekommen sind. Und was in London ankommt, das kommt in ein zwei Jahren auf der ganzen Welt an und zwar umfassend.
Ich meine, die Drones sind ja auch kein Scheiss. Was Liddiard ablässt hat Qualität, die Band funktioniert als Ganzes, das Gitarrenspiel des Masterminds sucht seinesgleichen. Das sind Akzente, die den vielen farblosen Bands, die derzeit die meisten Platten verkaufen total fehlt. Da braucht das Volk wieder Orientierung und warum soll es sich nicht auch mal an was Gutes orientieren. Mein Gott, wir haben in den 90ern erlebt, wie Indie gross wurde, wie Nirvana plötzlichen Millionen von Alben verkaufte. Das war ein Schock. Unter dem Gesichtspunkt der Qualität und Gefälligkeit (ja, Nirvana hatte halt Melodie, war eingängig und sie hatten ein Image, so einfach ist das) aber eigentlich nicht weiter verwunderlich.
Und warum, zur Hölle, soll nicht auch eine unbequemere Band, die weniger Melodien hat, dafür aber schon seit Jahren, zumindest in Australien einen Preis nach dem anderen sammelt (beste Band des Jahres, heuer sogar "Shark Fin", der als der beste australische Song aller Zeiten nominiert ist ... ja, das is so). In Australien spielen die Drones in grösseren Hallen und ich prophezeie anhand dieser Erlebnisse an diesem Abend in London, dass die Drones in 5 Jahren in der Schleyerhalle oder ähnlichem spielen. Einziges mögliches Hindernis könnte sein, dass sie sich vorher auflösen.
Für diese Theorie spricht auch, dass sie mittlerweile doch auch mindestens zwei richtige Hits am Start haben, die einen tagelang verfolgen können. Ausserdem spricht dafür, dass die Band nun schon seit 10 Jahren oder länger besteht und immer noch funktioniert und sich übelst den Arsch abtourt. Fast noch mehr als die Black Lips und im Gegensatz zu denen, brennen sie noch wie Feuer. Sind inspirierend, mitreissend und von nachwievor gleichbleibend hoher Qualität und Intensität. So wird es geschehen. Auch wenn der zweite Gitarrist nach diesem Gig wegen Lungenentzündung aufgeben und die Band die ganze weitere Tour absagen musste.
(Ralf, 29.11.09)

Mo. 02.11.09 The Drones, Salter Cane, The MisbegottenBrighton, Prince Albert (ca. 120 Zuschauer)
Das Prince Albert ist ne Kneipe mit Konzertsaal im ersten Stock in einem typischen Brightoner Gebäude in der Innenstadt. Die haben fast jeden Tag ein Konzert und behaupten von sich selbst der Rock'n'Roll-Club No. 1 in Brighton zu sein. An diesem Abend, ok, es war ein Montag, füllte sich der Laden zwar bis zum Anschlag, aber nicht gerade mit der Sorte Menschen, die den Rock'n'Roll sonst so attraktiv macht.
Drei Bands standen auf dem Billing. Die Brightoner The Misbegotten machten den Anfang als der Saal noch halbleer war. Sie waren eigentlich fast gleich wie die Birthday Party. Noisige Gitarre, monotone Bass- und Drumsphrasen und darüber das Gekiekse und Gegluckere eines total überdrehten Sängers, was alles in allem ziemlich schön anzuhören war. Ausser dem Sänger fühlte sich der Rest der Kapelle allerdings völlig unscheinbar. Die wären am Liebsten hinter dem Vorhang aufgetreten.
Nächster Act: Salter Cane. Der Saal füllte sich nun langsam recht gut. Die Band bestand aus etwas gesetzteren Semestern in Anzügen, die mich fast zum Einschlafen brachten. Der pausbäckige Sänger, der in etwa so aussah wie ich mir den Macher von Lolek und Bolek vorstelle, suchte seinen Weg in der 1:1-Kopie von Nick Cave, wenn der seine kehligeren Töne anschlägt. Sein Akkustikgitarrenspiel hätte ich weggelassen, denn es hatte meines Erachtens nur den Zweck, dass er wusste wo er seine Hände lassen soll. Die Bassistin und der Drummer hatten einen ruhigen Job und nur der zweite Gitarrist oder besser gesagt, Bouzouki-Spieler konnte die Band durch diese ungewöhnliche Instrumentierung wenigstens ins Mittelmass erheben. Nichts desto trotz scheint die Band, die ebenfalls aus Brighton stammt, über eine anständige Reputation zu verfügen. Zumindest in Brighton, zumindest im Prince Albert, denn dort treten sie ungefähr einmal im Monat auf. Mir soll's recht sein.
Dann die Drones. Mit einem Vollbart und eingefallenen Wangen sieht Gareth Liddiard jetzt fast aus wie ein abgemagerter Ahmadinedshad. Da die Zeiten aber vorbei sein sollen, wo die Drones gehungert haben (genauso war's, kein Spass), kann das wohl nicht der Grund für seinen Haut-und-Knochen-Look sein.
Nach unserem letzten Drones-Konzert in Fremantle, das mich leicht enttäuscht zurückliess, war dies wieder ein Zurück-zu-alter-Spielfreude, zurück-zu-altem-Zorn. Intensiver als in einem ähnlich kleinen vollgepackten und schönen Club wird man die Drones wohl nicht jeden Tag zu sehen bekommen, denn der Stern des australischen Vierers, die sich ganz dem psychotischen australischen Swamp-Blues verschrieben haben, ist immer weiter am Aufgehen. Dies hier war das beste Konzert das wir bislang von ihnen gesehen haben und ich möchte hiermit stark bezweifeln, dass es je wieder so gut sein wird. Wir bezweifelten auch an diesem Abend schon, dass die Show am nächsten Abend in London nur halbwegs hier herankommen wird.
(Ralf, 28.11.09)
Sa. 24.10.09 Tieflader, Crekko, The Frayed End - Balingen, Sonnenkeller: (ca. 40 Zuschauer)
Und es war tatsächlich Kraus an der Gitarre bei Frayed End. Da ich mittlerweile fast blind bin, war ich mir da nicht so sicher gewesen. Singen, und da war ich mir sicher, tat Wolfgang Splithead, der in sagenumwoben vielen Bands in und um Tübingen spielen soll. Hiermit sind mir vier bekannt, dazu kommt ein Soloprojekt. Letztens, hab ich mir sagen lassen, hat er in Reutlingen auf einem Festival gespielt, wo er 6 Auftritte an einem Abend zu verrichten hatte. Gerüchte sagen, dass er in etwa 15 Bands spielt. Aber das glaub ich erst, wenn ich's von ihm selber weiss.
Frayed End sind seine Metal-Brüder, alle nicht mehr unter 30, schätze ich, doch im Gegensatz zu den folgenden Bands, bewiesen sie stilistischen Mut, so dass mir das unter Strich sogar ziemlich gut zu gefallen wusste. Für Metal echt gut, würde ich jetzt sagen, doch auch wenn bekannt sein sollte, dass ich kein Metalfan bin, werde ich mich natürlich nicht zu derart diskriminierenden Aussagen hinreissen lassen. Das Beste: Auch mit 10 Leuten im Publikum hatte die Band ihren Spass. Die zunächst fast bedrückende Stille fiel an ihnen ab wie das Wasser an Jesus und nach kurzer Zeit fühlte man sich richtig locker und die Band traute sich ganz unprätentiös (und auch das ist ja nicht die Stärke jeder Metalband) ihre Emotionen rauszulassen. Super das! Diese Band sei Euch empfohlen, Metalheads.
Ganz anders, nämlich äusserst prätentiös die ambitionierten Crekko. Spielerisch super, gesanglich auch, auch die Kompositionen konnten sich sehen lassen, erfahren kommen sie auch rüber, aber für mein Gefühl sind sie einfach einen Tick zu rockstarmässig und einen ganzen Laden voller Ticks zu selbstsicher. Unangenehm selbstsicher. Ich will das jetzt nicht im Detail austreten, aber die Sache mit dem "Wir warten noch auf Wasser, dann kann's losgehen", wenn man schon auf der Bühne steht und ungefähr 10 Leute im Publikum stehen und warten, dass was passiert. Das war dann wohl doch nicht so erfahren oder einfach nur zu gehabig. Können die sich ihr Wasser nicht selbst mit auf die Bühne nehmen, anstatt da rumzustehen und sich was hertragen zu lassen, was der Veranstalter dann freundlicherweise übernahm. Auch die Bitte nach Bier, die nach dem dritten Song dann natürlich nicht fehlen durfte. Eigentlich hätte ich doch ausharren sollen, ob das so weiterging, doch leider reichte mir das an dieser Stelle.
Tieflader dann am Ende konnten sich immerhin über das Anwachsen der Zuschauer auf etwa 30-40 Leute freuen. Ihr deutschsprachiger Böhse Onkelz-goes-Metal-Prollrock mit breitengestellten Beinen und Unterhemden ist zwar erfolgreich und nachdem ich mir ein paar Tage danach die CD ansah (nicht anhörte!!), die sie mir freundlicherweise zugeschickt hatten, und die Texte las, fand ich das sogar gar nichtmal ganz niveaulos, aber in den Grundfesten mit nichts in Übereinstimmung zu bringen, das mir auch nur im geringsten Behaglichkeit verschafft. So trat ich dankend den Heimweg an. Ich war ja letztlich auch wirklich nur wegen Wolfgang da und der hat mich nicht enttäuscht.
(Ralf, 20.11.09)
Gesamtschnitt des Abends! Frayed End allein ist zu verdanken, dass die Mindestmarke von einem Underground-Punkt erreicht wurde, Tieflader konnten dann auch auf der Soulpoint-Skala einen leichten Ausschlag verzeichnen, so dass das dann einen Gesamtschnitt von zwei ergibt.
Fr. 23.10.09 Liberty Madness, Alarmstufe Gerd, Nihil Baxter, The Rätz - Balingen, Jugendhaus (ca. 50 Zuschauer)
Die Ratten hab ich leider verpasst. Kannte ich vorher aber auch nicht. Daher erstmal kein grösseres Bedauern, denn was man nicht weiss ... was mich bei Nihil Baxter dann doch etwas ärgerlicher machte. Die spielten demletzt bei der legendären WasserundSchlamm-Wolfvalley-Party, die dann den Sonnenkeller, in den man spontan umgezogen war, in ein Szenario verwandelte, das an eine Mischung aus "Das Ding aus dem Sumpf" und "Hardcorefasching" erinnerte. Nihil Baxter sind eine sehr abgefahrene, auch optisch total ansprechend durchgeknallte Oldest-School-HC Band, totaaaal ohne Metal, dafür mit der wahnwitzigen Geschwindigkeit der Anfangstage des Genres in den frühen Achtzigern. Fühlt sich sehr sehr heimelig an, wieder junge Bands zu hören, die diesen Sound machen. Hätt ich nie gedacht, dass sowas mal zurückkommt. Das wärmt einem das Herz und daher war ich schon etwas traurig, es erst zu Alarmstufe Gerd geschafft zu haben, während derer ich mich aber auch erst mal zu akklimatisieren suchte. Die Band aus NRW gefiel mir nicht so sehr. Etwas zu viel Metal, ganz gute politische Messages zwischen jedem Song, die dann aber teils länger dauerten als das Lied danach. Oder hab ich das nicht mehr recht im Kopf? Ich kann mich nur noch an einen Sänger mit wenigen Haaren erinnern. So ganz im Stil der frühen Dischord-Bands. War schon ok, die Alarmstufe, doch ich war einfach noch nicht ganz auf Alarm eingestellt.
Dann Liberty Madness, die zuletzt im Epplehaus schon sehr überzeugt hatten. Auch für die Buben aus Ludwigsburg gilt: HC-Punk mit Kalifornieneinschlag, aber mehr Punk als HC. Daher auch die politische Message und die Ernsthaftigkeit nicht ganz vorne dran. Die sind ein lockerer Haufen, der vorallem Spass haben will, dennoch aber seine Aggressionen mit der Musik rauslässt. Die Jungspunde sind sehr agil und wie junge Leute so sind, wuseln sie ordentlich auf der Bühne rum, was ein sehr vitales Erscheinungsbild abgibt. Ihre Songs sind absolut metalfrei! Das ist Punk, wie er in den frühen 80ern kaum besser war. Knöchern, schnell, aggressiv, lebendig, mitreissend. Und der Schlagzeuger ist geradezu unglaublich! Wie der die beiden besoffenen Frontmänner zusammenhält und vor sich hertreibt wie ein wahnsinniger Lokführer, der immer mehr Kohlen aufschmeisst, bis sein Kessel fast platzt und es immer schneller bergab geht, ohne Bremsen und ohne Auslauf, das ist schon beeindruckend. Zudem hält er den Beat steady wie ein ausgerastetes Metronom.
(Ralf, 19.12.09)
Sa. 10.10.09 Disco Vietnam, Civil Victim, Scheisse Minnelli (Foto) - Balingen, Jugendhaus: (ca. 80 Zuschauer) Foto von Babpa Chainworm
"HÄ, WIE VERBOTEN" wunderten sich die Veranstalter des Gay Bar Zines, als ihre Konzerte in Balingen von der Stadt verboten wurden, weil man illegale Parties feiern und sich nicht an die Regularien halten würde, wenn man im Jugendhaus eine Liveparty feierte. Letztlich ging man in die Offensive, suchte die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen und siehe da, es funktionierte. Alle Seiten gingen aufeinander zu und so konnte das "Hä, wie verboten"-Konzert, wie hoffentlich auch noch viele weitere, doch noch stattfinden.
Eintrittspreise gibt's hier keine, nur um eine Spende wird gebeten. Es hockte auch jemand da, der den Büttel bewachte und brav "Danke" sagte. Das is doch alles schön und recht, wieso sollte man hier irgendwas verbieten wollen?
Oben schufteten sich schon die Berliner Disco Vietnam durch ihr Set. Hardcore aus Berlin, leider aus meiner Sicht nicht sehr ansprechend aufbereitet. Der Sänger ist mir echt zu schlecht, ohne Witz, auch wenn man denken könnte, das wäre im Hardcore egal. Is aber nicht so. Sänger sind immer wichtig. Im ersten Eindruck hörte ich auch schon wieder etwas Metal durch. Da bin ich leider empfindlich, muss allerdings hinterherschicken, dass die Songs auf Myspace das nicht bestätigen konnten. Für den Moment zog ich es jedoch vor, die Ausweichmöglichkeit an der unteren Bar zu nutzen und dort erstmal einige Biers einzugiessen.
Hier war auch die vegane Vokü aufgebaut. Suppe, Salat, Reisgemüse, alles da und auch wenn ich heuer verzichtete, kann ich aus Erfahrung sagen, dass das Essen des GBZ im Gegensatz zu den meisten veganen Gerichten, die ich bislang gereicht bekam, extrem schmackhaft ist. Einige Getränke und Gespräche später und nachdem die nächste Band anstand, zog es alle wieder nach oben.
Puh, die Luft war nach der ersten Band schon ziemlich ... aber es ist im Jugendhaus Insel immer warm und stickig, egal ob Sommer oder Winter. Civil Victim aus Konstanz waren flotter, aggressiver Hardcore. Sänger und Gitarrist standen aber schon wieder vor der Bühne, was ich gar nicht mag. Der Sänger crustete ziemlich rum, was ich auch nicht mag. Auch das kommt vom Metal, nämlich.
Und ich kann meine Abneigung auch aufklären: Der erste Punk-Metal-Crossover in den frühen Achtzigern war ja noch ok. Da war das neu und aufregend. Eine explosive Verbindung, die vorher nicht vorstellbar gewesen wäre. Man dachte man hört nicht recht, doch dann fing das an zu gefallen. Vorallem die Energie.
Doch nachdem wir jetzt schon über 10 Jahre mitansehen mussten, wie sich auch traditionellerer Punk zum Metal und Stadionrock hinentwickelt hat, mag ich diese Verbindungen nicht mehr schätzen. Für mich muss Hardcore und Punk heute wieder 100% metal-frei sein, damit er mir gefällt. Ich find's auch toll, dass es mittlerweile wieder junge Bands gibt, die genau das spielen. Doch die Bands an diesem Abend im Jugendhaus kamen eher aus der Anfang-Mitte-Dreissiger-Fraktion und da hängt eben das ganze Crust-und-Grind-Dingens mit dran.
Bei Civil Victim begab es sich ausserdem, dass ich zunächst dachte, das wären Scheisse Minelli und mich deswegen wunderte, wo denn die Gefahr blieb, die diese Band wieder in den Punk zurückbringen wollte.
Und dann kam die Gefahr doch, nämlich die richtigen Scheisse Minelli. Teils sehr schräg und quer stehend, balgten sich deren Akkordfolgen ganz schön in meiner Magengrube herum. Der Sänger aber war klasse. Also doch noch.
Ich bemängle ja im Hardcore oft die schlechten Performances, auf die dort, wegen eines verwirrt begriffenen Antirockstartums, oft völlig verzichtet wird. Damit wird natürlich eine Ebene der Kunst einfach ausgelassen. Schade, sehr sehr schade.
Scheisse Minelli bedient sich dieser Ebene und hat mit ihrem Sänger eine charismatische Figur, die dadurch auch Sprachrohr wird. Man hört besser zu, wenn man nach oben gucken muss. Da ist die Ohrmuschel besser gebogen und nimmt mehr auf, könnte man meinen. Nein, in Wirklichkeit wird der Geist in eine offen-machendere Haltung gebogen wenn die Halswirbelsäule gestreckt wird. Alles Quatsch, denkt Ihr? Richtig. Dennoch waren Scheisse Minelli die interessanteste Band des Abends und da mir musikalisch nix so richtig reinlief hinterliessen sie als einzige nachhaltigen Eindruck auf mich und das war vor allen Dingen der Persönlichkeit des Sängers zu verdanken. Diese Persönlichkeit ist nämlich das was den Hardcore Bands in Wirklichkeit fehlt, die sich mit "wir wollen so sein wie ihr und uns nicht hervortun" entschuldigen.
Nach der Show gab's dann noch grosses Fröhlichsein mit Leuten die sich die Köppe kloppten. Nur zum Spass natürlich, mit Boxhandschuhen und -sturzhelmen. Menschen lachten, Blut floss. Dann probierten das noch mehr Leute, auch ohne Helme, auch von den Bands, doch die waren glücklicherweise schon so besoffen, dass sie nicht mehr richtig hauen konnten. Um nicht mitverantworten zu müssen, dass Schaulustigkeit noch zu gefährlichen Aktionen anregt, verzog ich mich nach unten und trank mit dem neuen Bassisten von Rockstar Pussy noch ein paar Bierchen. Irgendwann standen wir alle vor der Tür. Das ging so ganz von alleine, nebenher, sanft, unmerklich. Man liess sich nicht mal in der Diskussion stören. Und irgendwann war ich dann auch zuhause ohne auf dem Heimweg hingefallen zu sein. Alles war gut!
(Ralf, 29.11.09)
Fr. 02.10.09 The Masonics And Miss Ludella Black, Los Franco Neros - Stuttgart, Zwölfzehn (ca. 70 Zuschauer)
Die Chaps in Stuttgart. Das darf man sich natürlich nicht entgehen lassen. Drei Grössen aus dem Childish-Umfeld sind die Masonics, darunter auch der Drummer Bruce Brand, der von Anfang an der Begleiter des wilden Billys war. Sie brachten erwartungsgemässen 60s-Garage-Beat, der musikalisch nah am Meister gebaut war. Die ganzen Bands unterscheiden sich ja nur geringfügig. Daher war das Ereignis nur ein kleines feines, doch wegen der netten Atmosphäre, die von der Band ausging, wegen lotsa chap-like Talking und dem Mittelteil mit der Headcoatees-Heroine Miss Ludella Black, die einige Songs ihres aktuellen Solo-Albums, das sie auch mit den Masonics als Begleitband eingespielt hat und deren meisten Songs der Mann, der von der Seite aussieht wie Nick Knatterton (ich spreche natürlich von Mickey Hampshire, der auf dem Foto leider etwas im Dunkeln steht), geschrieben hat, lohnte sich die Anreise schon von vornherein.
Davor die Los Franco Neros aus Tübingen mit ebenfalls schwungvollem 60s-Garage-Beat. Die Jungs und das Mädchen haben derzeit wirklich den verdienten Part der aktuell meistgefragten Band in der Gegend. Leider spielen sie immer etwas zu lang für die Ungeduld der Menschen des 21sten Jahrhunderts. Ansonsten ist das natürlich partytaugliche Beatmusik, wie sie das Volk gerne hört.
Und danke auch an die vielen Damen und Herren, die mich zu meinem Outfit, das passenderweise, genau dem der Franco Neros an diesem Abend entsprach, beglückwünschten. Zur Hölle mit Euch allen!!
(Ralf, 4.10.09)
Die Masonics sind natürlich, wie der ganze Childish-Clan, der Inbegriff des Undergrounds. Überschwänglich mitreissend war es allerdings nicht.
Sa. 09.09.09 Vic De Montes Persona Non Grata, No Code - Balingen, Sonnenkeller: No Code haben länger nichts von sich hören lassen und waren offensichtlich auch nicht allzugut auf den Auftritt vorbereitet. Gerade dies führte aber zu einer recht aufgelockerten Atmosphäre und man entpuppte sich als ungeahnt selbstironische Entertainer. Nichtsdestotrotz haben einige ihrer Lieder einen wahrhaftig hohen Festbeissfaktor, hängen sie mir doch Wochen später noch in den Ohren. NoCode sind nachwievor eine der sympathischsten Bands der Alb. Ihr Grunge-Rock wirkt zwar mittlerweile fast etwas altmodisch (was ich keineswegs nicht als schlecht bewerte), doch die authentische Hingabe der Band macht sie zu einem zwingenden Act, dem man sich nicht so leicht entziehen kann.
Danach vier gut gekleidete Herren aus der Wüste Nordamerikas. Zwei davon haben bei Kyuss gespielt und daher war dies schon von vorneherein der sicherlich renommierteste Act, den der Sonnenkeller bislang gesehen hat (zusammen mit TV Smith natürlich) und das wussten sie auch musikalisch zu untermauern. Mit Kyuss hatte das allerdings absolut gar nichts gemeinsam. Wir bekamen Underground-Rock zu hören, staubig und flirrend, mit Einflüssen vom NewWave, Punk, Blues und, wenn man den Stil des kleinen Mafiosigitarristen heranziehen möchte, auch etwas Rockabilly und Schwedenrock.
Am meisten beeindruckte mich jedoch das musikalische Niveau und das imposante Auftreten von Männern mit "Erfahrung" (sag ich jetzt mal).
Persona Non Grata war die bislang beste Band, die ich im Sonnenkeller sehen durfte.
(Ralf, 4.10.09)
Mi. 09.09.09 Clap Your Hands Twice - Balingen, Sonnekeller: Ich mag ja eigentlich an Bands am meisten, wenn sie etwas Unkontrolliertes haben. Wenn man nicht weiss, was als nächstes passiert. Wenn Bands sich immer an der Klippe bewegen von der aus sie absolut grossartig sein oder auch ganz schnell abstürzen können.
Das alles sind Clap Your Hands überhaupt nicht. Sie sind ruhig und kontrolliert, wissen was sie tun und daher setzen sie sich nicht der Gefahr des Absturzes aus. Ob es sie davon abhalten könnte, ganz und gar grossartig zu werden wissen wir noch nicht. Doch zum grossartigsten Act der Zollernalb in den letzten zwei Jahren haben sie es auf alle Fälle schon geschafft. So kamen sie nun zu der Gelegenheit eine dreiwöchige Tour mit den Amis Static Age zu spielen, die sie durch die Niederlande, England, Frankreich und natürlich auch einige Gigs in Deutschland führte und die durch die vorgezogene Abreise der US-Band leider etwas unsanft endete (von dem Autounfall am letzten Tourtag auf der Fahrt nach Essen ganz zu schweigen). Im heimischen Gefilde durften sie sich nun aber ihr verdientes Lob durch haltloses Abgefeiertwerden abholen.
Ihre sympathische Bodenhaftung und die schonungslose Ehrlichkeit machen den grossen Bonus dieser Band aus. In ihrem Tourblog, den ich jedem empfehlen möchte, der ihn noch nicht gelesen hat, wird die ungeschönte Wahrheit des Tourlebens detailliert beleuchtet.
Was soll ich sagen, ausser, dass ich stolz auf sie bin.
Man merkte ihnen bei diesem Auftritt natürlich an, dass sie bestens eingespielt waren. Wenn man für zwei drei Wochen jeden Tag auf der Bühne steht, spielt man sein Set im Schlaf. Sie waren druckvoll trotz aller Müdigkeit und sie waren auch enttäuscht vom vorzeitigen Ende der Tour, wussten aber natürlich allerhand zu erzählen und sind einfach um einige Erfahrungen erwachsener.
(Ralf, 4.10.09)
Do. 20.08.09 Black Lips - Stuttgart, Schocken (250 Zuschauer): Also mir hat's wieder super gefallen. Die Lips haben einfach diesen genialen Twang der mir total gefällt. Sie sind näher an den 13th Floor Elevators als irgendeine andere aktuelle Band und schon alleine dafür gehören sie geliebt.
Ihre Songs hüppeln genau wie ihre Beinchen, der fast durchgehend mehrstimmige Gesang ist total eigen und die Einstellung stimmt einfach.
Nun sind sie halt mittlerweile schon einige Jahre aufm Parkett und spielen sich wirklich superbst den Arsch ab. Möglichweise war es diesmal tatsächlich etwas müde. Meine Begleiter waren jedenfalls durchweg eher enttäuscht. Vielleicht lag's auch an der brutalen Hitze draussen und drinnen noch mehr. Ich hab halt versucht sie zu verteidigen und allerlei Ausreden erfunden.
Der Laden war leider brechend voll, zumeist mit Trotteln, die auch noch kräftig Vollgas gaben. Nun, man kann sich seine Fans nicht aussuchen. Viele junge Mädchen auch. Eine stand direkt vor der Bühne, die ja im Schocken nur eine Stufe ist, wedelte sich nonstop mit einem Fächer Luft zu und flog hinundwieder auf die Schnauze, was ganz lustig aussah. Die Black Lips haben jetzt also sogar schon Groupies, gegönnt sei's ihnen.
Im Schocken läuft halt immer auch der interessierte Normalo ein, wenn ich das jetzt mal so sagen darf. Die Band wurde schliesslich auch riesengross angekündigt. Hätten die aber im 1210 gespielt, wäre sicher nicht die Hälfte da gewesen. Schade für uns, gut für die Lips, die bei dem massiven Eintrittsgeld sicher eine Menge Schotter abgestaubt haben. Die sollen ja auch mal was zu essen kriegen, die Armen.
Zunächst fingen sie sehr schwungvoll an. Die ersten 6, 7 Stücke waren Black Lips at their best. Dann ging ein wenig die Luft weg. Im besten Fall war's die Hitze, im schlimmsten Fall haben sich die Lips mittlerweile einfach platt gespielt.
Interessant, dass die meisten Fans mittlerweile jünger sind als die Band, was in ihren ersten Jahren absolut das Gegenteil war. Über die Zeit haben sie natürlich an ihrer jugendlichen Frische eingebüsst, doch dies ist nunmal ein zwangsläufiger Prozess. Hier wird sich zeigen, was die Zukunft bringt. War es nur ihre Jugendlichkeit, die den Spezialbonus ausgemacht hat? Wie schaffen sie es, sich ins Alter zu retten?
Gepisst und gekotzt wurde gottseidank nicht. Vielleicht ist es ihnen langsam zu langweilig oder abgedroschen. Wir wissen es nicht.
Ich bin jedenfalls weiterhin Fan, auch wenn ich mir jetzt schon ihre zweite Platte nacheinander, mit der Live-LP drei, nicht kaufen werde. Zuhause höre ich das momentan weniger. Den ersten beiden LPs und den ganzen alten Singles bin ich noch hinterhergerannt wie das Huhn dem Ei, hab das Zeug sogar aus den Staaten rangeschafft, weil's anfangs noch nich in Deutschland zu kriegen war, heute aber reichen mir die Sachen die ich habe. Es gibt noch mehr Musik die man kaufen kann und der Geldbeutel ist ja nunmal kein Wunschbeutel, oder? Letztlich kauf ich mir dann sogar eher die "A Promise Is A Promise" von den Lyres zum zweitenmal nur weil sie ein anderes Cover hat. Wobei das ja auch ne komische Einstellung ist.
(Ralf, 30.8.09)
Sa. 15.08.09 The Smalltown Rockets - Sonnenkeller, Balingen (ca. 30 Zuschauer):
Etwas unglücklicher Termin mitten in der Sommerpause, was dem Sonnenkeller an diesem warmen Abend nicht ganz so wahnsinnig viele Gäste beschehrte, dafür war die Band umso besser eingespielt, kurz vor Ende einer zweiwöchigen Tour quer durch Deutschland. Die Smalltown Rockets haben ihren Stil etwas vom Schlockrock entfernt und bringen heuer eigentlich lupenreinen modernen Rock'n'Roll, mit viel Ooooh-La-La-Chorgesang und ner Menge Gitarrensoli, vorallem von dem Derby Dolls Bassisten Philip (Bild rechts), dem das brutal gefällt, Solos zu spielen.
Die Band wirkt viel homogener wie früher. Das Mädchen ist mittlerweile sehr gut integriert. Mir persönlich sind sie zwar arg am ... wie soll ich's freundlich sagen? ... weniger innovativen Gedanken interessiert, so dass Riffs, Gesang und Texte nicht besonders aussergewöhnlich sind. Doch das sind eben die Smalltown Rockets und sie sind einfach besser geworden und wirken viel sympathischer und lockerer.
(Ralf, 30.8.09)
Fr. 31.07.09


Jennifer Rostock
, Clap Your Hands Twice (Foto), The Pleasure Days - Albstadt, Waldheim: (ca. 700 Zuschauer)
Man kann echt nur hoffen, dass sich junge Bands kein Vorbild an Jennifer Rostock nehmen. Das ist so die typische hyperzwangsagile Teutonen-Ambitionsband, die aber jetzt schon ein Benehmen an den Tag legen, als müssten sie der Hosenbodenpresse Material bieten. Erstmal lassen sie das Publikum zu lange warten (das einzige Mal, dass ich so ein Benehmen als effektvoll ansah, war bei Turbonegro, etwa Ende der 90er, als sie gerade dabei waren, Pomp und Gloria auf die Spitze zu treiben, es aber noch nicht vollends getan hatten. Dort war das Stilmittel, hier war das Popstar-Gehabe.), dann, als die Jungs der Band während des Intros im Halbdunkel auf die Bühne kommen, müssen sie sich erstmal voll cool die Kippen anzünden, die dann während des ersten Liedes ausgehen und man sich vom Roadie wieder anbrennen lässt und dann behandeln sie ihr Pulbikum wie Vollidioten.
Nun gut, vielleicht waren sie das auch, kann ich nicht beurteilen, aber jede Band bekommt nun mal auch das Publikum, das sie verdient und ich finde, dass kein Publikum herablassend behandelt werden sollte, zumindest nicht das eigene. Wer nicht erkennt, wieso er dort steht wo er steht, der ist schneller wieder weg als er denkt.
Als dann die doofe Rockerhippiebraut auf die Bühne gehoppelt kam (und sie bewegte sich total übertrieben, zu viel, zu aufgedreht, zu unecht, zu ungelenk, das sah echt nicht gut aus), hob schon ein leicht waviger Pop-Sound an, der tatsächlich entfernt an Ideal hätte erinnern können, wäre er nicht einfach zu blaff und langweilig gewesen. Strophe, Refrain, Riffs, da war nichts drin, was hätte sofort hängenbleiben können und das ist doch aber eigentlich das Ding in der Popmusik. Oder? Von Tiefe, so wie das im Bandinfo noch angepriesen wird, ist hier nichts zu erkennen.
OK, dann erklärte man/frau mit dem Publikum was vorzuhaben. "Ui, was denn?", dachten die dann. "Ihr seid noch nicht betrunken genug!" Ui, und das zu jungen Leuten, im Schnitt 16, 17, 18, die sicher mit zu der Zielgruppe zu rechnen sind, wegen denen gerade überall versucht wird Alkoholverbot auf den Strasse einzuführen.
Na gut, mir ist das wurscht. Also, mit der Anfeuerung, man könnte es auch Befehlston nennen, "nu aber zackzack! Na komm na komm na komm!" wird dem ersten jungen Herren auf die Bühne geholfen, ein Bier ausgehändigt, das man vorher einfach von den anderen Bands mitgenommen hatte (kein Witz!), und los kann die Party gehen.
Der junge Herr tollt ein bisschen im Hintergrund mit, schön soweit, beachtet wird er von der Band nicht mehr (von wegen zusammen feiern), im Gegenteil, er wird dann bei der Hälfte des Songs erstmal vom Roadie zurechtgewiesen, obwohl er gar nichts getan hatte, dann wird er "Zackzack!" am Ende des Songs des Feldes verwiesen, um dann "und jetzt ein Mädchen" auf die Bühne zu ordern. "Na komm, Schatz, schnellschnell, Schatz!" Immer ein "Schatz" zuviel, immer einen Tick zu herzlos, doof, einfach total daneben, blasiert, grosskotzig. In meinen Augen ekelhaft. Ich gehe während des dritten Songs.
für Jennifer Rostock (und ja, ich bin mir dessen bewusst, dass viele Leute das hier nur lesen, um zu sehen, wie ich die runtermache. Aber leider gab's tatsächlich nichts Besseres zu berichten)

Von vorne: Eigentlich ist das Gelände auf dem Waldheim ja ganz nett. Die Bedienungen sind nett, das Klo funktioniert, es gibt Bier in Flaschen und mit 10 Euro ist die Veranstaltung mehr als korrekt angesetzt. Ich hätte sogar 5 mehr gezahlt ohne mir dabei Gedanken zu machen.
The Pleasure Days beginnen gegen 20 Uhr. Für mich an einem Freitag etwas früh, doch ich schaffe es da zu sein, während sie noch spielen. Sie müssten eigentlich die Lieblinge von allen sein. Sie sind nett, bescheiden, modiereren sich geschickt und ganz natürlich durch ihr Set, spielen gutmütigen Pop-Punk, der das Böse an der Welt durch das Gute in der Welt ersetzen möchte. Und dennoch haben sie die Rockstars in sich, also auch ein wenig von der verruchten Seite, was den Rock so einzigartig macht. Nur ein ganz grantiger Zyniker könnte diesen Jungs was Schlechtes anheften.
Ihr Tralala-Pop-Sound ist mir zwar etwas zu süss, ich hab mich mit ähnlicher Musik vor einigen Jahren vermutlich selbst vergast, doch immerhin kommt das Ganze so selbstständig, riffgewandt und mit den beiden Gesängen und den Keyboard-Einwürfen genügend facettenreich rüber, um die Spannung aufrecht zu erhalten.
Im Gegensatz zu Clap Your Hands wirken sie noch ein wenig unbedarft und natürlich sind sie auch ein Stück jünger, aber das würde ich ihnen gerne noch ein Weilchen behalten, wenn ich könnte. Erwachsen wird man schnell genug.

Den Schritt haben Clap your Hands Twice nun endgültig vollzogen. Sie wirken mittlerweile völlig ausgereift und routiniert, fast schon ein wenig zu routiniert. Die reissen ihr Ding runter wie Profis. Da sitzt alles. Auch der Sound ist erwachsener geworden, noch nachdenklicher, weniger Punk, mehr Rock, mehr Midtempo. Die Riffs sind aber unverwechselbar CYHT geblieben oder soll man sagen geworden? Sie sind unabhängiger von ihren Roots geworden. Mir gefällt das nicht immer aber darum geht's ja nicht. Sagenhaft ist nachwievor Drummer Daniel. Der hat auch echt das totale Idealmass zwischen Bolzer und Techniker, naja, mir persönlich ist er fast noch ein wenig zu sehr auf der Technikerseite, grins. Aber er macht's echt gut. Kuckt man gerne zu.
Die Brüder Stumfol sind eine Wand, ganz klar. Souverän, dennoch immer wieder freundlich, was ihre Bodenhaftung zeigt. Die sind schon so wie sie sind auf nem guten Weg. Kompositorisch ist's mir leider etwas fad geworden. Ich weiss nicht genau woran's liegt, ev. müsste man die neuen Songs etwas öfter hören. Einen Knaller wie "Washed-Up Future", mein Lieblingssong von den Clappies, konnte ich leider nicht mehr ausmachen.
Dennoch war das Konzert, nach anfänglicher Zögerlichkeit (das Publikum hatte die wohl grösstenteils noch nie gesehen und daher etwas Probleme mit der Aufmerksamkeit) dann doch noch ein richtiger Erfolg, denn bei den Zugaben klatschten dann alle im Stakkato mit, was Stefan Helbing, der gute Patron und Schirmherr des ansässigen Nachwuchsrocks, mit den begeisterten Worten "Kuck, jetzt haben sie sie!" feierte.
(Ralf, 1.8.09)

Sa. 25.07.09


Schwul ist cool
- Balingen, Jugendhaus: (ca. 80 Zuschauer) Foto von XJunkX
Party des GayBar-Zines mit dem Hintergrund, dass Homosexualität in der Punk- und HC-Szene zu selten thematisiert wird und daher offensichtlich immer noch ein Tabu ist. Da bin ich, glaub ich, etwas zu naiv. Wäre mir so noch gar nicht aufgefallen, da diese Szene ähnlichen Themen eigentlich sehr offen gegenüber steht und eins ist mal klar: Schon seit Anbeginn der Musik waren die Darsteller, die sich am schwulsten gaben, die erfolgreichsten. Das war schon zu Zeiten der Klassik so, beim Jazz, beim Rock'n'Roll, beim Schlager, beim Heavy Metal vielleicht nicht so sehr.
Ich kenne selbst viele schwule Musiker und hätte nicht gemerkt, dass die irgendwelche Probleme deswegen haben. Mal andersrum gefragt: Kennt jemand von Euch einen schwulen Fussballer? Nee? Ja, glaubt ihr etwas, dass es keinen einzigen schwulen Fussballer gibt? Meiner Ansicht nach haben die ein Problem und nicht die Musiker. Aber das trifft ja wahrscheinlich nicht so ganz, was die Gay.Edge.Liberation, die auch mit einem Stand vor Ort war, ausdrücken möchte. Daher seid Ihr herzlich eingeladen, Euch auf deren Website zu informieren und mehr.
Zu den Bands, die den Abend umrahmten:
Kotpilot sind eine junge Deutschpunk-Band aus Balingen. Haben nen netten Ansatz. Klingt ein wenig wie Aufbruchstimmung '81. So stelle ich mir vor, klangen die Kellerbands der aufstrebenden Szene Anfang der 80er in Berlin. Rüde, ein wenig dilettantisch, aber voller Elan und Witz. Der Gesang erinnerte mich teils an den guten Schorsch aus Hamburg.
Bei Anfack aus Tübingen sang überraschenderweise ... Michi Haas. Wusste ich noch gar nicht, dass er eine zweite Band am Start hat. Das war gut gemachter Old School HC-Trash-Punk, die Metaleinflüsse fand ich nicht so toll, ihre kurzen von Breaks zerschmetterten Kreischorgien gefielen mir aber sehr gut. Michi war gut in Form und die Band sehr homogen. Da ich weiss, was er für Musik hört, wirkt er hier sehr gut aufgehoben. Leider konnte ich nicht das ganze Konzert ankucken, da ich unbedingt noch meine beste aller Lederjacken abholen musste, die ich im Sonnenkeller verlegt hatte, die dann natürlich auch sofort geklaut und von den Helbing Brüdern mit Sherlock Holmscher Schläue wieder beschafft wurde. Die Diebe haben nun zwar meine Julian Cope- und Charles Bronson-Buttons, dafür hab ich meine Jacke wieder und betrat daher bestens gelaunt das Jugendhaus um die Lost Rivers zu sehen.
Die zwei Jungs und das Mädel auch Hechingen legten einen effektvollen Auftritt in jeder Hinsicht hin. Das Licht war so weit heruntergedimmt und auf kalte Blau- und Grüntöne reduziert, dass die Gestalten nur noch schattenhaft wahrzunehmen waren, ausser wenn sie ihre nervtötenden Strobos anwarfen, die dem ganzen dann allerdings nur noch mehr Kälte verliehen. Musikalisch gab es diesmal Jesus-And-Mary-Jane'sche Feedbackorgien auf der Basis von simplen, sich hypnotisch wiederholenden Bass- und Schlagzeug-Riffs. Dazu heuer recht tiefer (Fast-) Sprechgesang von Phil. Wie immer machten die Lost Rivers auch diesmal ihre Sache sehr überzeugend. Alles was sie bislang machten war super. Nur machten sie jedesmal, wenn man sie sah, etwas total anderes. Das kann ja durchaus eine gelungene Masche sein, wenn es nicht so wäre, dass man einfach den Eindruck hat, dass sie gerade das machen, was sie gerade hören. Alles liegt etwas zu nah an den Originalen.
Und morgen hören sie vielleicht wieder was anderes ... auch wenn Phil mir nach dem Auftritt bestätigte, dass sich dies hier wohl bislang am "Richtigsten" anfühlte. Es wird spannend bleiben. Ich halte die Lost Rivers nachwievor für eine der besten Bands im Kreis. Etwas mehr Eigenständigkeit, Stabilität und etwas weniger Spoiler, dann würde ich ihnen das Wasser tragen.
Mittlerweile war es Mitternacht durch. Die Bands hatten sich bis dato immer ziemlich viel Zeit gelassen und so wurde der Abend nun doch recht lang. Da es keinen Techniker gab, waren auch die Umbau- und Soundcheck-Phasen länger als gewöhnlich und das Publikum verzog sich an diesem warmen Abend dann immer komplett nach draussen. Ein bisschen ging der Zug raus.
Contienda Libertad, eine Anarchopunkband aus Plauen, bekam das negativ zu spüren. Power und Anzahl der Zuschauer ging langsam deutlich zurück. So mussten die drei Jungs ihr Set fast in den leeren Saal starten. Ihr stark von Metalriffs versetzter Punkrock mit Gröhlgesang gefiel mir leider auch nicht, weswegen ich mir dann ebenfalls eine Pause gönnte.
Gegen halb zwei traten dann Finisterre (Foto), eine Crust-Band aus Köln vor die Bühne. Im Hardcore war es ja immer schon beliebt, dem Publikum das Gefühl zu vermitteln, alle sind gleich und die Bands sind keine Stars. Doch wenn drei von sechs Bandmitgliedern vor der Bühne stehen und dann aber dennoch völlig für sich agieren, der eine Gitarrist sogar durchweg mit dem Rücken zum Publikum, dann hebt sich das wieder auf. Das bringt das Publikum nicht näher. Das haben die eigentlich auch nicht nötig. Denen nimmt man ihre Einstellung auch so ab, denn natürlich waren sie total sympathisch, vielleicht einfach nur etwas schüchtern.
Die beiden Sänger, eins davon ein Mädchen, grunzten derbe vor sich hin, die Musik fand ich aber ziemlich interessant. Die Riffs waren sehr melancholisch, schön und ungewöhnlich. Das wickelte ziemlich ein. Mit der Art des Gesangs kann ich mich aber nicht anfreunden.
Leider hatten Finisterre als letzte Band eines langen, schwülen Abends natürlich auch den schwersten Stand. Die treusten des Publikums, auch wenn es nur noch etwa 30 Leute waren, hielten aber zu ihnen und wussten ihren Auftritt auch entsprechend zu würdigen. Um halb drei bin ich dann aber heim.
(Ralf, 26.7.09)

24.07.09 The Movements, Los Franco Neros - Tübingen, Epplehaus (ca.120 Zuschauer): Nicht schlecht für schwule Hippies! Die schwedischen Movements, nicht zu verwechseln mit den dänischen The Movement, die ja eher im Jam'schen Fahrwasser mit arbeiterpolitischem Background unterwegs waren. Diese Jungs hier hängen am 60s-Rock, haben den aber in ihr total eigenes Ding gedreht, sind vor allem sehr melodisch, oft hauchzart und dahinschmelzend (worin sie mich ein bisschen eine meine grossen Lieblinge die Lyres erinnerten), doch immer voller energischer Kraft, mitreissend, tanzbar und nach dem Vorbild der "richtigen" Katze sind sie einfach eine "richtige" Liveband, die sich hingebungsvoll in ihr Set wirft und einen "richtigen" Star als Sänger hat.
Ein wichtiges Element ist das Keyboard, schon durch die Präsenz auf der Bühne, die zur Hälfte damit zugebaut war. Ein Hinweis auch auf die Vielfältigkeit der Band, die ja in ihrem zweiten Leben eine Psychedelic-Space-Platte veröffentlicht haben, die, wenn ich's richtig weiss, irgendeinem Astronauten huldigt oder zumindest dadurch inspiriert wurde. Hiervon allerdings heute nichts, zumindest nicht bis zu dem Moment an dem ich davonschritt, denn da ich ziemlich nah am Bier gebaut bin, und alleine in Tübingen, weit weg von zuhause, aus Fahrtüchtigkeitsgründen, zum Maßhalten gezwungen war, zog es mich in Lokalitäten die in Fussweite vom Zuhause liegen, um guten Gewissens ein paar Herrengedecke zu mir zu nehmen.
Los Franco Neros im Vorprogramm wussten ebenfalls zu überzeugen. Ich hab beide Bands ja, trotz häufiger Präsenz auf süddeutschen Bühnen, heute zum erstenmal gesehen. Die Franco Neros sind ein Tübinger Hybrid aus 60s, Beat und Surf, wobei der Surf dabei am kürzesten wegkommt, was mich aufatmen liess, denn die meisten Surfbands sind mir zu gleich - unter sich und in sich, wenn Ihr versteht was ich meine. Die Neros sind eine richtige Partyband, manchmal fast ZU party für mich, doch das Volk wusste das sehr zu schätzen und gab Vollgas. Insgesamt ist der Sound sehr verhalten, die Orgel dominiert über die Gitarre. Dazu eine weibliche Stimme, das passt schon super. Sie balancierten geschickt zwischen Instrumentals und Gesangsnummern, was zum Abwechslungsreichtum beitrug und brachten während des zweiten Instrumentalblocks dann tatsächlich eine herausragende Surf-Komposition auf den Tisch, die mich dann doch wieder glauben machte, dass es noch jemanden gibt, der diesem Genre Qualitäten zu verleihen weiss. Hurra! Vielleicht hätten sie zwei drei Songs früher aufhören müssen. Aber egal: Hat mir gefallen.
(Ralf, 25.7.09)
Do. 16.07.09 The Gories, The Oblivians (Foto), The Magnetix - München, 59To1 (ca. 300 Zuschauer)
Lang erwartetes Spektakel, das sich voll gelohnt hat. Ich hab die Gories damals um ein paar Monate verpasst. Ich kann mich noch an Plakate in Berlin erinnern. Da hatte ich den Namen der Band schon gehört und war interessiert, hatte aber noch keine Ahnung, dass das mal eine meiner Alltime-Faves werden würde und so gingen sie mir durch die Lappen bis heute, einer Reunion-Tour mit drei Auftritten in Deutschland, 16 oder 17 Jahre nach dem Bandsplit.
Und was soll man sagen? Ich glaube jedenfalls nicht, dass sie damals schlechter gewesen sein können, als sie es an diesem Abend im Münchner Garage-Club 59To1 waren. Kroha ist so knackig und hat soviel Bock, dem platzen fast die Hosen. Collins hätte sich vielleicht etwas besser kleiden können, denn im Schlabbershirt sah er nicht mehr ganz so frisch aus wie sein Kollege, gab aber eine souveräne Vorstellung ab und hatte vor allem an den Feedback-Parts eine ausgesuchte Freude. Peg quälte sich ein wenig, vermutlich weil es doch recht warm war (das war die biblischste Untertreibung die ich jemals vor mich gegeben habe) im fast bis an den Rand gefüllten Club und einer seit einigen Tagen sehr schwülen Witterung im Lande. Sie pendelte konzentriert zwischen ihren beiden Toms hinundher, denn wie man weiss und hört, bedient sie weder eine Bass- noch eine Snaredrum, noch schlägt sie jemals auf ein Becken, was eins von mehreren Charakteristiken des Gories-Sounds ist. Sie hält den Rhythmus aber wirklich sehr steady, was bspw. bei den Oblivians nicht immer der Fall und vielleicht auch nicht so wichtig ist, bei den Gories aber schon. Peg sieht aber heute auch noch besser aus, als ich erwartete hätte. Die sah eigentlich sogar richtig gut aus, mit ihrer hochgeknüpften Bluse und dem verbissenen Blick.
Die Stars bei den Gories sind halt die Gitarristen. Sie sind Legenden. Die Gitarren-Sounds bei den Gories sind wegweisend für eine Generation an Garagenbands, insbesondere auch die vielen Einmann- Zweimann- undsoweiter -Bands, die oft auch die herrlichen Verstimmungen der Gories-Gitarren nachahmen, auch wenn sie noch keiner so treffsicher auf den Punkt brachte, wie die Herren selbst. Auch beim Konzert war das kein bisschen anders als auf den Platten vor vielen Jahren, so dass der Aspekt des Dilettantismus weit in den Hintergrund rückt. Ich habe selbst immer behauptet, dass es keine andere Band der Welt gibt, die den Dilettantismus zu derart bewegender Perfektion getrieben und damit viele Menschen glücklich gemacht hat. Ich weiss nicht, ob ich das nun revidieren sollte. Ein bisschen Mythos muss man sich ja erhalten.
Schon bei den Oblivians davor kochte der Laden übrigens über, eigentlich kochte er schon als ich in der Passage vor der Eingangstür ankam, denn bereits hier begann sich einem der Schweiss aus dem Körper zu werfen wie ein Verzweifelter aus dem Fenster eines brennenden Hauses.
Ich hab die Oblivians zu meinem 30sten Geburtstag im Degerlocher Jugendhaus gesehen. Eine Show, die mir bis heute in Erinnerung geblieben ist. Vielleicht eins der schönsten Konzerte meines bisherigen Lebens. Die Band wurde so enthusiastisch gefeiert, dass sie hinterher durch das Mini-Kellerfenster am Ende der Bühne fliehen mussten, denn das Publikum warf sie immer wieder auf die Bühne zurück, als sie gehen wollten.
Jack, Greg und Eric. Auch sie haben mit den Oblivians und einer Reihe anderer Bands bis heute absoluten Kultstatus. Nichts was die anfassen ist weniger als legendär und man kann diese beiden Bands gerne als Haupteinflüsse der kompletten heutigen Garage-Szene zählen. Ich habe unzählige Platten von ihnen im Schrank und auch wenn ich sie momentan nicht häufig höre, gehören auch die Oblivians nachwievor zu meinen Top5-Alltime-Bands. Mein Favorit ist Greg. Der ist ja nun mittlerweile schon etwas auseinander gegangen, doch bringt er immer noch so viel Leben und Herzblut auf die Bühne und bewegt sich ausserdem so völlig eigen, dass man nicht weggucken kann. Sein Anblick auf der Bühne, mit dem wild wackelnden Kopf über dem Doppelkinn oder den hingebungsvollen Gesten, wenn er am Schlagzeug sitzt, ist wie ein Schlag auf den Musikknochen am Ellenbogen. Es tut gut und weh gleichzeitig.
Dass die Oblivians auch immer sehr schöne Kompositionen mit viel Melodie hatten, die sie nur mit einem barbarisch-minimalistisch-kaputten Sound unterlegt haben, war schon immer klar und kommt vorallem auch in den anderen Bands deutlicher zum Tragen. Wenn der Gesang der Melodieträger ist, sind das meist die Kompositionen von Greg, Jacks Kompositionen sind weniger poppig, eher schleifend und monoton, sexy, dazu hat er die beste Stimme der Oblivians. Jack selbst scheint sehr perfektionistisch. Er fummelt immer am längsten am Amp rum und wirkt ständig unzufrieden. Bei Greg darf auch mal eine Saite reissen. Da muss schon eine zweite Saite reissen, ehe er die Gitarre aus der Hand gibt.
Das Bezeichnendste: Beide Bands gaben alles. In dieser Saunahölle. Hier gab es alles, gute Musik, gute Bands, gutes Bier. Das einzige was es nicht gab, war Sauerstoff. Es gab kein einziges Molekül im ganzen Laden, das nicht schon mehrfach durch hunderte anderer Nasen gekrochen war, ausgekaut war und keine Kraft mehr zum Schwingen hatte. Ich erinnere mich an einen Auftritt, es war auch in München, nämlich in der damaligen Kulturstation in Unterföhring, von Shellac. Albini und seine Gesellen zogen sich erstmal bis auf die Unterhosen aus und dann hörten sie nach keiner halben Stunde einfach auf. Mit einem verständnislosen Lächeln auf den Lippen: "Sorry, das geht nicht. Es ist einfach zu heiss." Die hatten damals keinesfalls den Ehrgeiz, dem Publikum etwas bieten zu müssen. Die Oblivians und die Gories hatten das sehr wohl. Danke.
Das grösste Bedauernis des Abends war für mich, die französischen Magnetix verpasst zu haben, denen ich vor ein paar Jahren in London einen schönen Abend verdankte. Mist, ich war einfach zu spät dran.
(Ralf, 25.7.09)
Fr. 26.06.09, Sa. 27.06.09

Bang Your Head - Balingen, Messegelände (ca. 10.000 Zuschauer) Foto von Christian Ziegler. Auf seiner Website gibts noch viele weitere Fotos.
Die Tiefe meiner Beziehung zum Heavy Metal lässt sich wohl am Deutlichsten anhand der überschaubaren Anzahl von Schallplatten erklären, die ich von dieser Gattung besitze. Meine ersten Berührungen fanden Mitte/Ende der 80er statt, kamen aber klar über den damals aufkommenden Crossover vom Punk. DRI nenne ich da mal als Wegweiser. DRI fand ich immer gut. Und als ich dann mal in der alten Reutlinger Zelle die italienischen Negazione sah, wirkte die schiere Wucht des Sounds, diese unglaubliche Energie, gekoppelt mit einer Aggression, die zwar sehr negativ war, dennoch eine heilende Wirkung hatte, auf mich wie ein religiöses Wunder.
Ich fing an Metal gar nicht mehr ganz so schlecht zu finden. Meine erste Metal-Platte würde ich sagen, ist die erste von Napalm Death. Es folgten ein paar andere Sachen dieser Kajüte wie Terrorizer, doch der Staubsauger-Sound erwies auf Dauer nicht sehr ergiebig für mich. Ich orientiere mich dann wieder an den weniger metallastigen Abzweigern dieser Gattung.
Meine Versuche an traditionelleren Bands wie Anthrax, Megadeath, Metallica gaben mir auch nicht wirklich viel. Candlemass hab ich noch eine. Die fand ich ok. Und ich hab mehrere Platten von Voivod, die ich wohl so Anfang der 90er kaufte. Und wie schön passte es da, Voivod heuer im Bang Your Head auf der Bühne zu haben.
Das Konzert fand ich auch ziemlich gut. Die sind älter geworden, der Sänger ist etwas hüftsteif, insgesamt hinterliessen sie aber genau den Eindruck, den ich erwartet hatte. Kein Pomp. Ehrlichkeit. Unaufdringlichkeit. Sympathie. Irre, apokalyptische Riffs. Grummelnder Bass. Abwechslungsreiche Rhythmik, fast schon ZU abwechslungsreich. Wenig an Metal erinnernder Gesang. Ja, das ist schon Heavy Metal. Aber eigentlich ziemlich am Rand. Das Publikum auf dem Bang Your Head ist hierzu auch zu traditionell orientiert und nahm nur teilweise Anteil.
Davor spielten irgendwann die Burladinger Kids von Kissin' Dynamite. Ich hatte extra meinen schweizer Besuch dazu animiert, sich das anzusehen. Unterhaltsam sind sie ja, die Jungs und machen ihre Sache auch gut, zumindest handwerklich. Originell sind sie aber noch gar nicht. Da möchte ich ihnen für die Zukunft wünschen, dass sie mehr Eigenständigkeit entwickeln, denn sonst ist irgendwann Feierabend auf ihrem Weg nach oben.
Was schaute ich mir noch an? Ross the Boss, der Dictators-Veteran, mochte hiermit seine Manowar-Historie weiterleben lassen. Ich fand's ziemlich langweilig.
Etwas später sah ich Sodom, die ich leider auch enttäuschend fand. Die sind mir einfach ne Nummer zu stumpf und der Gesang, wie auch die Ansagen in dem gekünstelten Hart-Sein-Wollen, Metal-Sein-Wollen ... das ist nicht mein Ding.
Dafür war Lita Ford mit der Knaller des ersten Tages. Ich kann mich zwar erinnern, dass ich die erste Runaways-Platte seinerzeit an die Wand stellte und mit dem Fuss zertrat, aber einen guten Ruf haben sie dennoch. Lita sieht noch ganz knackig aus und präsentierte eine lockere, unambitionierte Show in der wegen allerlei technischen Pannen vor allen Dingen der Gitarrenroadie zu gefallen wusste, bspw. wie er Lita hinterherhoppelte um ihr den Funksender in die Hosentasche zu stecken. Glückerweise war er schön im Blickfeld am hinteren Rand der Bühne drapiert, so dass er für uns irgendwann zum meistbeobachteten Bandmitglied wurde.
Gitarrist Bumblefoot, den wir abends zuvor schon in der Sonne sahen, wie er leicht bedröppelt seinem Keyboardkollegen zusah, der trunken auf das Klavier hämmerte, war wie der Rest der Band sehr lässig, zeigte aber durchaus, warum er einer der gefragtesten Mietgitarristen der amerikanischen Hardrock-Szene ist und dies heuer als neuer Gitarrist von Guns'N Roses beweisen kann.
Lita Ford und Crew wollten einfach nur Spass haben. Eine aalglatte Show mit inszeniertem Brimborio war ihnen ferner als irgendeiner anderen Band auf dem Festival und daher 100 Punkte von unserer Seite. Your welcome!
Danach UDO. Für's Publikum schätze ich mal der Knaller des Tages. Einfacher Teutonen-Metal (O-Ton Pidi) mit gassenhauerischen Riffs und Refrains. Nichts für mich. Bei Journey zwang mich dann die fortschreitende Trunkenheit zum Aufgeben. Ich hab nur einen kurzen Blick riskiert und nachdem ich mit denen ja niemals auch nur das Geringste anfangen konnte, muss man ihnen immerhin zugestehen, dass sie schlicht und einfach mindestens eine Klasse besser waren als alle anderen Bands. Auftreten, Ausstrahlung, Professionalität, alles andere auch: An diesem Tag unübertroffen.
Am zweiten Tag kam ich aufgrund des Regenwetters erst aus dem Loch als Hardcore Superstar anstanden. Ich hab sie beim Erscheinen der ersten Platte mal besprochen, siehe Review von It's Only Rock'n'Roll. Bereits damals fand ich sie zum Kotzen. Später haben sie sich dann offensichtlich wieder etwas besser auf ihre Wurzeln besonnen und so finden wir sie heute im Hard-Rock-Genre wieder, wo sie auch hingehören. Metal ist das allerdings nicht und man sah schon, dass sie versuchten, dem gerecht zu werden, dass sie hier auf dem Bang Your Head spielen. Sie hängten sich brutal rein und versuchten hart und böse rüberzukommen. War eigentlich genau, wie ich's erwartet hatte. Pidi erzählte, dass die in Schweden mittlerweile Stammgast in den Top Ten sind. Nett. Mehr aber nicht. Für das Festival insgesamt aber eine gelungene Abwechslung.
Und dann kam die zweitbeste Band des Festivals (die beste soll Sacred Reich gewesen sein, die ich leider verpasst habe): Exodus. Nachdem wir uns erstmal ein wenig weiter hinten platzierten, weil uns schon langsam die Ohren kochten, zog es uns dann doch ziemlich schnell wieder näher an die Front, denn das hier war ... Metal! Das war richtiger Metal (faustmach)!
Dampf, Energie, Spielfreude, Aggression, wow! Das fühlte sich an wie damals bei Negazione. Wir hatten uns erst am Mittag über Bands unterhalten, die zu einem gewissen Zeitpunkt ihrer Karriere soviel Esprit haben, dass Du glaubst, die explodieren gleich. Es gibt nichts Schöneres, als Bands in diesem Stadium zu sehen, denn oft hält das nicht sehr lange an. Kann es auch nicht, denn sonst würden die ja vor lauter Überadrenalisierung verrecken. Man kann nicht ein Leben lang 200% geben. Das halten Geist und Körper nicht aus. Das ist wie extremes Verliebtsein. Ich hab mal gelesen, dass man nach anderthalb Jahren tot ist, wenn das nicht innerhalb dieser Zeit etwas nachlässt und sich in etwas weniger Anstrengendes verändert, das ja keineswegs schlechter sein muss. So ist das auch bei Bands. Aber immer wieder mal sollte man sich in kurze Hochphasen begeben, wo die alten Geister wieder kurzfristig belebt werden.
Bei Exodus hatte ich das Gefühl, dass die hier und heute soviel Bock hatten als ständen sie am Anfang einer Karriere, die gerade beginnt, richtig abzugehen. Und das kam definitiv im Publikum an. Bei keiner anderen Band des Festivals kamen die Massen derart in Bewegung. In diesem Zusammenhang durfte ich mir auch die Wall of Death erklären lassen. Danke, Pidi.
Danach Y&T, auch das war wieder eher Rock als Metal. Eine alte Band, wie viele beim Bang Your Head, 1974 gegründet. Hier kam dann auch mal eine Statocaster und ein wenig Blues-Feeling zum Einsatz. Daher ebenfalls wieder eine schöne Abwechslung und eine angenehm unpompöse, allürenlose Band, die auch ebenso aussahen, was Pidi zu dem lustigen Einwurf brachte, dass der Sänger aussehen würde wie Bernhard Brink. Das tat er wirklich, doch das tat unserer Freude an der Band keinen Abbruch. Das tollste war, dass der Schlagzeuger mit einem Arm spielte. Den anderen hatte er sich vier Tage zuvor gebrochen und so hing er eingegipst wie eine Salami im Metzersfenster herunter, doch bevor er einen Ersatz zugelassen hätte, versuchte er einfach, das Ding einarmig durchzuziehen. Wow! Das sah sogar so lässig aus, dass das mit meinem trüben Augenlicht so aussah, als würde er nur deswegen mit einem Arm spielen, damit er nebenher mit dem anderen die ganze Zeit rauchen kann.
W.A.S.P. waren für mich Spinal Tap. Fast peinlich, den Rand der Überheblichkeit bereits weit übertreten. Die hatte ich mir besser vorgestellt.
Und Blind Guardian zum Abschluss waren Ougenweide auf Metal. Puh. Ich weiss nicht. Da hab ich eigentlich kein Urteil zu. Hat mich aber gewundert, dass die hier als Top Act spielten. Wir hatten auch das Gefühl, dass viele Leute schon abwanderten.
(Ralf, 19.7.09)

Sa. 12.06.09 The Pleasure Days, Mantikor - Balingen, the Bar (ca. 80 Zuschauer)
Die Bar in Balingen eignet sich nicht wirklich für Rockkonzerte. Raumaufteilung und Bühnenbeleuchtung schaffen keine günstige Atmosphäre.
The Pleasure Days, eine junge Pop-Punk-Band aus Albstadt, deren hauptsächliches Publikum, wie mir gesagt wurde, zudem aus unter 18jährigen besteht, die in der Bar keinen Einlass haben, wählte die Location dennoch für die Releaseparty ihres ersten Albums aus, da im Sonnenkeller kurzfristig keine Termine frei waren. Das stellte sich als nicht absolut günstig heraus, denn die Zuschauerzahl war zwar ok, hätte aber auch sehr viel besser sein können.
Mantikor waren bereits mit über der Hälfte ihres Sets durch, als ich kam, legten aber eine perfekte Vorstellung hin. Moderner, sauber gespielter Metal-Core mit viel Melodie und einem herausragenden Sänger, der auch optisch das Zentrum der Band ist. Auch gut: Anton, der Punkgitarrist am Bass. Da muss man sich zwar erstmal dran gewöhnen, aber irgendwie funktioniert das, denn er ist voll dabei und wirkt absolut integriert.
Mit Mantikor eine Metalband als Support einzuladen, war zwar menschlich in Ordnung, da die Albstädter Szene sich auch genreübergreifend unterstützt, das Publikum schien diesen Geist zumindest an diesem Abend aber nicht zu beherzigen. Viele, die wegen Mantikor angereist waren, zogen die Reißleine als die eigentlichen Stars dieses Abends die Bühne betraten. So mussten die Pleasure Days ihr tolles Set vor sich lichtenden Reihen abfeiern.
Auch wenn ich bei Erwähnung des Wortes Pop-Punk normalerweise sofort nur noch als glühender Punkt am Horizont wahrzunehmen bin, gefallen mir diese Jungs sehr gut. Die Akkordfolgen gehen ins Herz, Sympathie strömt auf und hundert "Nanana's" scheinen immer noch nicht genügend zu sein, ein Satz, von dem ich niemals geglaubt hätte, dass er mir jemals über die Lippen kommt. Auch optisch machen sie gut was her, haben eine einnehmende Bühnenpräsenz und moderieren sich schon ziemlich geschickt durch ihr Set.
Was ich dann allerdings gar nicht gleich bemerkt hatte, war, dass irgendwann der Schlagzeuger ausgetauscht wurde. ????????????? Ähm? Warum denn das? Ich liess mir erzählen, dass der gute Mann auch bei den Studioaufnahmen nur einen Teil oder gar nix davon einspielen durfte, wodurch mir nur noch mehr Fragezeichen vor den Augen herum tanzten. Das kapier ich leider nicht, Leute. Ist eine Band eine Band oder nicht? Der Junge hatte doch super getrommelt. Und wenn's vielleicht mal ein wenig gewackelt hätte, was soll's? Is doch ne Punk-Band ... oder hab ich da was nicht verstanden?
Die Jungs sind noch keine 20. Da ist doch das Zusammenhalten in der Band das Wichtigste, da ist entscheidend für die Entwicklung, dass man zusammen Fehler macht und zusammen lernt und für das Publikum ist es wichtig, diesen Lernprozess durch das Wachsen der Band nachvollziehen zu können. Oder reissen sich etwa die Majors um die Jungs und es hiess: "Ich gebe Euch 5 Millionen für eine Werbekampagne, bringe Euch um die ganze Welt und auf das Titelblatt jedes Magazins, aber zu Anfang müsst Ihr dafür die Drum-Parts erstmal von einem Studiomusiker einspielen lassen, damit sich das professionell genug anhört." Da kann man dann sagen, wir überlegen und machen das dann oder nicht. Aber wenn kein 5-Millionen-Vertrag ansteht, dann versteh ich das einfach nicht. Tut mir leid!
Und dann wird man sogar auf der Bühne plötzlich durch einen Studiomusiker ersetzt!! Ich bin sprachlos! Am Ende touren wahrscheinlich 5 Studiomusiker als the Pleasure Days, weil Ihnen irgendjemand sagt, sie machen ihre eigene Sache nicht gut genug. Was für eine Farce!
Tut mir den Gefallen und seid Ihr selbst! Ihr seid auf alle Fälle gut genug, liebe Pleasure Days!
So und jetzt das Grösste: Als das Set zuende war und wir um eine Zugabe klatschten, schrien ein paar Fans des Schlagzeugers, also des Schlagzeugers, der nicht zu Pleasure Days gehört, nach Schlagzeugsolozugaben, wozu er sich, ganz bescheiden, nicht lange bitten liess. Das Ding ging nun völlig in die verkehrte Richtung.
Ich war gekommen, um Pleasure Days zu sehen. Keiner der Pleasure Days war mehr in Aktion. Dies war nichtmehr ihre Party und deswegen war für mich klar, den sofortigen Abschied anzutreten. Ein traurig-schöner Abend einer tollen jungen Band, mit eigenem Profil, schönen Songs und allem. Mag sein, dass das alles noch nicht 100%ig perfekt ist, aber abgesehen davon, dass es das niemals sein muss, finde ich, dass sie jetzt schon ziemlich weit sind, vorallem wenn man bedenkt, dass es die Band erst seit einem Jahr oder so gibt. Ich finde es auch toll, dass sie noch ein wenig naiv sind. Das ist frisch und spannend und sollte so lange wie möglich erhalten bleiben, führte an diesem Abend aber leider nicht zu dem verdienten Erfolg. Ich wünsche ihnen fürs nächste Mal etwas mehr Geduld und etwas mehr Selbstbestimmung. Dann wird das!
(Ralf, 20.6.09)
Sa. 16.05.09
Pub La Bomba
, Navigator - Sonnenkeller, Balingen (ca. 80 Zuschauer) Foto: Christian Ziegler
Albstadts neue Allstar-Band Navigator unter der führenden Feder des Kickin Ass-Erfinders und ganz besonderen Gutmenschen Matthias Sauter. Nach der Auflösung der Hicktown Heroes und einem schweren Motorradunfall hat es lange gedauert bis Maze endlich dieses Projekt auf die Bühne bringen konnte.
Dies war der erste Auftritt und es war ganz schön heavy!!! Heavier, als ich das erwartet hatte, für mich sogar ein wenig ZU heavy. Ein Metall-Lick jagte das nächste, der Rhythmus donnerte immer wieder durch die Halftime und der Gesang orientierte sich am heutigen Metal-Crossover-Standard. Solide, dennoch fehlte mir ein wenig der überraschende Moment, der eine kompositorische Twist oder der eine raffinierte Griff, der einem den Kiefer auskugelt oder wenigstens die Augenbrauen hochzieht.
Der Gig lief für eine Premiere aber wie geschmiert. Die Band war sehr gut eingespielt, kam sympathisch rüber und man merkte dem gesamten Team die Bühnenerfahrung an. Ausserdem gefiel mir das fast völlige Fehlen von Gitarrensolos. Das ist im Metal (ja, da muss ich mich erst dran gewöhnen, dass Maze jetzt Metal macht, der alte Metal-Maze) sehr ungewöhnlich und daher (zumindest von mir) gern gesehen.
Pub La Bomba waren dann der erwartet direkte Knaller aus dem schweizer Tiefland. Heavy-Rock'n'Roll, immer voll gradeaus, dennoch mit clever eingestreuten Tricks in jedem einzelnen Song.
Die sich wiederholenden hypnotischen Riffs, der hohe Stakkatogesang und die ungeheure Power lassen an Kyuss erinnern, ansonsten sind aber doch die 70er ganz stark da, vorallem im Sound. Da passt "Easy Livin'" als Cover wie die Faust auf den Sack.
Im Mittelpunkt bei Pub La Bomba steht interessanterweise der Drummer Pidi, ein alter Bekannter auf der Alb, ein Mann der schon mit einigen Kombos für ein Aufhorchen sorgte und nach dem mittlerweile die ganze Schweiz die Pfoten ausstreckt. Jeder will ihn haben und jeder würde ihn nehmen. Pub La Bomba haben ihn und nach dem Hinscheiden von Hellmute sind sie nachwievor sein Hauptprojekt.
(Ralf, 31.5.09)
So. 26.04.09

The Drones - Fremantle, Fly By Night (ca. 400 Zuschauer)
Fremantle liegt in Westaustralien, wenige Kilometer von Perth entfernt, der Heimatstadt der Drones. Warum sie das Kleinstädtchen Fremantle der Grossstadt vorzogen, um ihr Heimkommen nach jahrelangen Nonstop-Touren quer durch die Welt zu feiern, wissen wir leider nicht. Ich selbst würde Fremantle allerdings auch vorziehen.
Zu einem viel wichtigeren Thema: Wo war David Yow? Wer David Yow nicht kennt, bitte unbedingt mit seinen Bands Scratch Acid und Jesus Lizard beschäftigen. Das ist die Chicago-Psycho-Connection ala Flipper. OK, ich sehe, dass auch Flipper heute nicht mehr jedermann ein Begriff ist. Es dreht sich um die ganz frühen Noise-Bands, die den Ruf von Labeln wie Touch & Go auf die Beine geholfen haben. Von Steve Albini über die ganze Grunge-Bewegung reichen die Musiker, die Scratch Acid als ihre Einflüsse aufzählen.
Und der Psychofaktor von Scratch Acid findet sich auch bei den Drones wieder, die beste und ernstzunehmendste australische Swamp-Blues-Band der Neuzeit überhaupt. Sie haben dem Swamp Blues neues Leben eingehaucht, bzw. ihn zumindest für Europa wieder neu belebt, denn in Australien findet Swamp-Blues immer und ewig statt.
Und damit komm ich endlich zum Punkt: David Yow ist nämlich als Sänger und Ideengeber die Konstante bei Scratch Acid und Jesus Lizard. Und David Yow hat seit 2000 eine Band namens Qui und sollte eigentlich die Vorband auf dieser Heimatstipvisite der Drones sein. Aber David Yow war nicht da, sondern eine lokale australische Swamp-Blues-Band der weniger interessanten Art. Das war nun mal wirklich kein Ersatz. Ich hatte mich schon zuhause riesig auf Yow gefreut, weil er einfach der witzigste und abgefahrendste Frontmann ist, der mir überhaupt einfällt. So ein Scheiss!
Also entstand hier zumindest die Gelegenheit, die entstehende Lücke durch schnelles Einnehmen von Alkoholika zu füllen. Auch ein guter Zeitvertreib und somit war dann die Betriebstemperatur genau richtig für die Drones.

Was mag ich an den Drones: Vorallem natürlich den Mastermind Gareth Liddiard, der nicht nur toll anzusehen ist, sondern den Sound der Band mit seinem einzigartig gezupften Gitarrenspiel und seiner psychotisch-nörglenden, hergesoffen klingenden Stimme den Stempel aufdrückt. Die Drones sind zwar in ihrer Gesamtheit total gut und kompakt, wären ohne ihn aber kaum auf diesem bedeutenden Niveau. Liddiard macht den Unterschied und liefert sich mit dem zweiten Gitarristen feurige Duelle, während Bass und Drums meist eine sich lange wiederholende Figur hämmern, die aber nicht weniger wichtig ist, denn diese bohrende Monotonie ist die wichtigste Note, die kompositorische Saat auf der die Melodien (wenn es denn welche gibt) der Drones blühen.

Was ich an den Drones nicht mag: Den Rücken der Bassistin. Ich weiss nicht, ob sie das mittlerweile aus Trotz macht, denn schüchtern kann sie nach vielen hunderten von Gigs wohl kaum mehr sein. Oder doch? Auch diese Frage muss erst mal offen bleiben. Dronesspezialisten kennen die Antwort vielleicht. Dann schreibt mir, damit wir den werten Kunden auf dem Laufenden halten können.

Was ich an den Drones an diesem Abend mochte: Ihr Entertainment. Die können ja richtig witzig sein. "Aaaah, we're doin a song ... " kurzes Überlegen, etwas zu lange überlegt, denn das Publikum fängt an zu lachen und zu jubeln - "... oh, you like songs? That's good, 'cause we're doin a few tonight."
Auch der zweite Gitarrist wusste sich wortgewandt einzumischen. Ja, es war unterhaltsam ... fast ZU unterhaltsam für eine Band, die eher wütendere Nachrichten vermittelt.

Was ich an den Drones an diesem Abend nicht mochte: Liddiard scheint mehr Richtung Songwriting zu gehen. Alleine die Strophenanzahlen lassen Bob Dylan teils blass aussehen und das ist mir einfach zu viel. Für mich besteht die lyrische Kunst darin, mit wenigen Worten viel zu sagen. Der Musik tut's zweimal nicht gut. Drei Strophen, vier Strophen, ok. Fünf Strophen, zehn Strophen, irgendwann tut das dem Song nichts mehr nützen.
Ausserdem schleichen sich jetzt auch Balladen ein, die mir nicht sonderlich gut gefallen. In London zuletzt waren die Drones viel viel furioser. Möglich, dass wir hier eine Tendenz haben, denn Liddiard bemüht sich mittlerweile auch als Solo-Artist. Und so sahen wir an diesem Abend auch Akkustikgitarren, die ich hier lieber verlassen im Keller gesehen hätte.
Dennoch sind die Drones immer lohneswert, demnächst auch wieder in Deutschland. Ansehen!
Ralf (22.5.09)

Sa. 11.04.09

TV Smith, Clap Your Hands Twice - Sonnenkeller, Balingen (ca. 150 Zuschauer, ausverkauft):
Sozusagen die Aftershow-Party des Skandal-Kickin-Ass-Festivals. Es gab im Vorfeld verbale Übergriffe von der Christenfront gegen unsereins, weil das Festival, allerdings wie die letzten 6 Jahre auch, an Karfreitag stattfand. Bislang hatte das niemanden gestört oder es hatte niemand mitbkommen. Jetzt mussten die guten Helbings bei der Stadt antanzen und auf Beginn 23 Uhr verlegt werden, was nicht nur für einige Bands die Absage zur Folge hatte, sondern natürlich auch der kommerzielle Tod für eine Veranstaltung ist, die über Monate vorgeplant wird und hohe Kosten aufwirft.
TV spielte also am nächsten Tag auch im Sonnenkeller, Clap Your Hands wurden kurzerhand vom eigentlichen Festival hierher umverlegt.
Da TV den augenblicklichen Toten Hosen-Drummer Vom Ritchie (der er seit 99 auch bei den Boys auf deren sporadischen Live-Gigs trommelt und über seine Zusammenarbeit mit Stiv Bators vielleicht sogar auf den Punkrock-Olymp geklettert wäre, hätte sich der heroinsüchtige Dead-Boys-Sänger nicht in Paris von einem Auto überfahren lassen) dabei hatte, wurde der Sonnenkeller zur Aufnahmestation allerlei Punkrock-Touristen, die mäulchenoffen fotografierend ihre erregten Leiber schon gen Bühne drängelten, als der kleene Mann überhaupt erst sein Drumset ausrichtete.
Die beiden waren äusserst gut gelaunt und schrabbelten, TV mit seiner Akustikgitarre, wie bei Soloauftritten, einfach nur von einem "charmant" gespielten Schlagzeug begleitet, entschlossen vor sich hin, irgendwie hielt ich das aber nicht länger als drei Songs aus.
Ich war mir nicht so klar, was mich störte. Vom Unbehagen inmitten des vorher beschriebenen Publikums abgesehen, war das irgendwie weder Fix noch Foxi, nicht ganz Akustik, nicht ganz Punk. Beide Variationen fand ich sonst gut, die Mitte davon nicht.
Clap Your Hands davor waren super in Form und brachten viel Dynamik und Power rüber, das Publikum blieb aber ganz schön statisch. Hab ich nicht ganz verstanden. Vor 20 Jahren wäre ich deswegen mit dem Arsch voran von der Bühne gesprungen. Im Alter ziemt sich das leider nicht mehr.
Ralf (23.5.09)


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Teufel