Konzertbesprechungen 2018

1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006 - 2007 - 2008 - 2009 - 2010 - 2011 - 2012 - 2013 - 2014 - 2015 - 2016 - 2017 - 2018 - Aktuell

A.R. Machines (Dortmund, 12.4.18) - Abstract Nympho (Berlin, 29.6.18) - The Act (Berlin, 10.11.18) - Ilan Amores (Köln, 11.6.18) - Jochen Arbeit (Berlin, 3.11.18) - Baby Jesus (Hamburg, 14.4.18) - The Baron Four (Hamburg, 13.4.18) - Beatrice (Berlin, 8.3.18, Berlin 3.3.18) - Bikini Jesus (Berlin, 3.2.18) - Martin Bisi (Berlin, 3.11.18) - Blue Angel Lounge (Berlin, 24.11.18) - Bobcat65 (Berlin, 23.2.18) - The Cavemen (Berlin, 5.10.18) - Chambers (Berlin, 3.3.18) - Delphine Dora (Berlin, 24.3.18) - The Detroit Cobras (Berlin, 21.4.18) - The Embrooks (Hamburg, 14.4.18) - The Frantic Five (Hamburg, 13.4.18) - Garageville 2018 (Hamburg, Tag 1: 13.4.18, Tag 2: 14.4.18) - The Gee Strings (Tübingen, 21.10.18) - Gewalt (Berlin, 23.11.18) - Derv Gordon (Berlin, 9.11.18) - Gym Tonic (Berlin, 17.2.18) - Kristof Hahn (Berlin, 3.11.18) - Häxxan (Berlin, 23.11.18) - Head (Berlin, 9.11.18) - Jett Screams (Berlin, 5.10.18) - Kama (Berlin, 3.3.18) - Lau Nau (Berlin, 24.3.18) - The Launderettes (Hamburg, 13.4.18) - The Magnetix (Berlin, 17.2.18) - The No-Counts (Berlin, 13.10.18, Berlin, 23.2.18) - Plattenbau (Berlin, 3.2.18) - Quallus (Berlin, 3.3.18) - Risha (Berlin, 20.10.18) - The Royal Flares (Hamburg, 13.4.18) - The Scaners (Berlin, 9.11.18) - The Shadracks (Berlin, 1.11.18) - Shoreline (Berlin, 8.3.18) - So What (Berlin, 9.11.18) - Spiriualized (Berlin, 23.11.18) - Strange Encounters (Berlin, 10.11.18) - Third Sound (Berlin, 23.11.18) - Trash Templars (Berlin, 7.12.18) - TV Crime (Köln, 30.8.18) - Underground Youth (Berlin, 23.11.18) - The Walking Korpses (Berlin, 29.6.18) - Wild Billy Childish & CTMF (Berlin, 1.11.18) - Wild Evel & The Trashbones (Hamburg, 14.4.18) - Whiskey Daredevils (Berlin, 2.10.18) - The Woggles (Hamburg, 14.4.18, Berlin, 19.4.18) - The Wrong Society (Berlin, 13.10.18)

Sa. 07.12.18 The Trash Templars - Berlin, Phonoclub (40 Zuschauer)
Sie sind die jüngste unter den massgeblichen 60s-Garage-Acts in Deutschland zur Zeit, Bielefelds Templer mit den Mülleimern auf dem Kopf. Tatsächlich bersten sie vor Schmiss und Laune, sind witzig, locker und unverbindlich. Mit unverbindlich meine ich, dass sie sich nicht dem Diktat der Hardliner unterwerfen, das sagt, wie man zu sein hat, wenn man wo dazugehört.
Und das ist gleichzeitig einer ihrer ganz grossen Stärken. In Diva Duke-Thilo-Piepers Schule wurden sie mit 60s Punk infiziert, aber sie sind auch mit Grunge und Schwedenrock gross geworden, was sie aber okay verarbeiten und daher genehm ist - und glaubt mir, auch meine Sinne sind geschärft und die Augenschlitze fahren zusammen, wenn da was nicht koscher ist, auch wenn ich bei weitem kein Hardliner zu sein bemüht bin. Die Covers sind immer noch zahlreich aber bei denen geht irgendwie alles. Zudem haben sie durchaus mehrere überraschende Hooks und Wendungen in den Songs, die auch beim Qualitätsgourmet die Alpha Amylase anwerfen.
Die Templars sind die Wohlfühltruppe in unserem Sumpf und sie haben durchaus Starqualitäten. Auf die müsste man fast aufpassen, damit sie nicht durch die Decke gehen. Bernd, einer meiner Begleiter sagte schon, er würde sie mal gerne auf einer grossen Bühne sehen, was auf mich überhaupt nicht zutrifft, da ich nur wenig grössere Bühnen als die im Phonoclub ertragen kann.
Im Hafenklang seinerzeit haben sie das aber auch sehr gut gemacht. Meine Begleiter waren auch seeeehr begeistert.
(Ralf, 18.12.18)
Fr. 23.11.18
und
Sa. 24.11.18


Synästhesie IV Festival - Berlin, Kulturbrauerei - Kesselhaus (ca. 700 Zuschauer)
Tag 1:
Auf zwei Bühnen breitete sich dieses Jahr das Synästhesie Festival aus, das den Krautrock der frühen 70er aufgreift und aktuelle Bands zeigen möchte, die jenen Geist und dessen Musik in sich tragen. Zumindest dachte ich, hätte ich das wo gelesen und finde die Idee natürlich super. Dass, von den Bands, die wir sahen, nur eine das in etwa erfüllen konnte (Camera), störte mich ein wenig aber nicht total, denn wir waren ja vorallem auch gekommen, um Spiritualized zu sehen. Dass die meisten Bands aber stark 80er-wave-lastig waren, zog mich dann doch ganz schön runter, denn da drauf stehe ich überhaupt nicht.
So breitete sich im Laufe der beiden Tage vor allem Tristesse aus, denn die Bands, die ich gut fand, konnte man an einer Hand abzählen. Zu voll war's auch. Überall musste man sich Rumquetschen und im oberen Raum kam man nicht mehr rein, wenn man nicht schon das Ende der Band davor geschickt abpasste und bereits Position bezog. Das machte die Planung ziemlich unentspannt, dass man hier mal spontan sein konnte, völlig undenkbar. Am Bierstand gabs ziemliches Gedrängel, meist standen auch die Leute im Weg rum und unterhielten sich direkt 30 cm vom Tresen entfernt. Danke dafür. Im Treppenhaus und dem Flur, wo man rauchen konnte, fielen die ganze Zeit Gläser und Flaschen runter, was so ein wenig die Coolness unterstreichen sollte. Diese überhebliche rücksichtslose egoistische Pseudo-Coolness einger Leute kenne ich von den Konzerte auf denen ich sonst bin eigentlich eher nicht. Und ich gehe weiss Gott nicht in die Oper.

Camera durfte ich zudem gleich mal verpassen. Warum spielten die eigentlich so früh? Und Underground Youth, die ich dann als erstes sah, standen Pate für die große Langeweile und Eintönigkeit, die sich durch einige der Bands des Festivals zog. Zwei Gitarren, die sich gegenseitig mit Hall und Echo überätherten, Bass und Schlagzeug hielten den Krempel beisammen und bildeten eigentlich eine Grundlage auf der man aufbauen kann. Dazwischen die Monotonie einer einzigen Männerstimme. Dieser New Wave, der ganz leichte Velvets-Coolness zitiert und sich daher Psychedelia nennt, war die Blaupause fürs Festival, konnte mich dann aber nur zwei oder drei Lieder halten. Es fehlten vorallem mal gute Songs. Das war nämlich das, was die Velvets neben ihrer Coolness auch noch hatten.

Die nächste Band The Third Sound versprach ein Gastspiel von Anton Newcombe, also stellten wir uns brav in die von unten schon hochgeströmte Meute. Es war supereng und man konnte kaum atmen. Wo der erste Song noch ganz interessant losging, indem jeder Ton der Gitarren eiernd absackte, was der Sache einen sehr degenerierten Flair gab, fiel ich in das erste Loch als der Sänger den Mund aufmachte und wir feststellen mussten, dass der genau in die selbe einsielbige Monotonie einstimmte, wie den, den wir grade unten verlassen hatten. Transusige Langweiligkeit, keine guten Melodien, auch kaum zweiter Gesang, der das Ganze etwas aufgelockert hätte. So harrten wir Song für Song und es wurde immer unerträglicher. Sie hatten auch keinen guten Sound. Die Gitarren waberten genauso undefiniert herum wie bei der Untergrund Jugend. Das was irgendwie cool sein soll ist einfach nur nervtötend. Keine Emotion, das ist einfach nur langsame Verwesung. Dazu das Gesicht des Bassisten, der die Bedeutungslosigkeit des Geschehens durch seine gelangweilte Mimik perfekt unterstrich. Am Ende zwei etwas bessere, längere Lieder, die vorallem durch fast fehlenden Gesang glänzten. Und wir fragten uns die ganze Zeit, wo den Newcombe blieb. Unentschuldigten Fehlen ohne Ankündigung. Ich hätte drei Bier mehr trinken können und ein besseres Gesamturteil abgegeben, wenn ich zu einem früheren Zeitpunkt gegangen wäre und man mich hiermit nicht beschissen hätte.

Wer spielte dann unten? Ich habs schon vergessen und ich glaube, wir haben kaum reingeschaut. Schon jetzt musste man wie ein Fuchs das rechtzeitige Ankommen im anderen Saal timen, um nicht auf eine Wand von Menschen zu treffen, die nur mit Gewalt gebrochen werden konnte, um noch irgendwo einen Platz zu finden, wo etwas Luft zum Stehen war.
Genau das war dann übrigens nötig, obwohl wir uns nur kurz zum Rauchen und Meckern zurückzogen und damit schon den Anfang von Gewalt verpassten, die schneller anfingen, als erlaubt. Schon von draussen hörte man aber, dass die bislang schlechte Soundqualität kein Fehl der Technik war.
Die Berliner Band klang dann auch wie ihr Name, nur dichter. Kein Hall mehr. Nur noch Druck. Wir quetschten uns diesmal unnachgiebig rein und fanden seitlich vorne tatsächlich Platz, da alle ja immer sofort stehen bleiben, wenn sie wo rein gehen und dann gibt's Stau. Man konnte sogar noch locker bis vor die Bühne.
Und jetzt kamen auch die Emotionen. Nach dem Auftritt iim Schokoladen, wo ich sie das erste Mal sah, haben sie die Bassistin ersetzt und die ehemlige Gitarristin ist auf deren Stelle gerückt. Sonst gleiches Konzept, mittlerweile aber extrem gut abgestimmt und eingespielt. Die werden noch ganz schön Furore machen, wenn sie wollen. Musikalisch ist es beim Big Black/Fehlfarben-Dreieck geblieben (Dreieck?). Die Kompositionen sind aber meist sehr sehr gut. Super einfach auf den Punkt und die Bassistin hält mit einer unfassbaren Lockerheit die Atonalität der Gitarren unter Kontrolle. Das war sehr beeindruckend und der Hammer des Tages!
Soft Moon danach wieder New Wave. Ahjee ... wir vertrotteten uns.

Tag 2:
Schon beim Ankommen zu Gym Tonic quetschten sich die Leute aber wieder derart, dass es nicht mit einem halbwegs sozialen Gewissen vereinbar gewesen wäre, sich hier noch dazwischen zu klemmen. Nicht, dass viele der Leute auf soziales Verhalten Wert gelegt hätten, siehe Kommentar vom ersten Tag.
Die Abstimmung zwischen den Bands oben, fand ich sehr hart getaktet. Man hatte eigentlich keine Verschnaufpause und überall war immer Reingequetsche, Rumgequetschte, an die Bar-Gequetsche, Wieder-weg-von-der-Bar-Gequetsche und dann gleich wieder Raus-oder-Rüber-Hoch-Runtergequetsche. Boah. Es wurde so schlimm, dass ich am zweiten Tag fast nur noch am Rauchen im Zwischenraum war und mit Lutz die Taktik für Spiritualized entwarf.
Alles war an diesem Tag darauf ausgerichtet, das Trauma, Spacemen 3 nie gesehen zu haben, zu überwinden. Ich weiss noch wie heute, dass ich - quasi noch ein Kind - mit meinem ersten Drummer im Winter `87 nächstens durch Schnee und Wehen fuhr, um in der Reutlinger Zelle diese Band zu sehen, doch wehe ... kein Mensch da ... das Thekenpersonal frage mich "Spaceman (sick!!!) was???". Und ein zwei Jahre später ... im Longhorn ... da hatte ich's irgendwie einfach nicht geschafft. Zudem stand die Aussicht auf dem Programm, endlich mal Doggen live zu sehen, den legendären langjährigen Mitstreiter bei Pierce aber auch bei Julian Cope.
Vor Pierce und Co war die Blue Angel Lounge dran, doch für mich hörte sich das wieder total anders an, als einiges, was ich vorab gehört hatte. Nicht psychedelisch sondern schon wieder so scheisse-wavig. Das ist, als würde man verschiedene Getränke probieren aber alle haben den gleichen durchgängigen Beigeschmack von ein und demselben, als würde der Barkeeper die Gläser nicht gescheit ausspülen.
Mich störte schon, dass drei Musiker anfingen, Atmosphäre aufzubauen und drei andere irgendwann reinlatschten, ihre Jacken auszogen und irgendwo hinwarfen (warum ziehen die ihre Scheissjacken nicht hinter der Bühne aus? Entweder sie tragen sie weil die dazugehören oder sie lassen sie gleich zuhause, verdammt!) und der Sänger dabei fast den Bogen des Cellisten umrannte ... obwohl sich hier eine gute Chance geboten hätte, sich gemeinsam einzustimmen und das eigene Intro wertzuschätzen. Ich weiss nicht, warum die Bands immer diesen Reihenfolgen-Kult fröhnen. Warum geht denn der Chef nicht vornedraus, wie es sich für einen Leader gehört? Wo ist der Anstand? Wo kommt diese eitle Gefeiertwerdenwollen-Scheisse eigentlich her? Und dann fing der Sänger mit seinem gutturalen Pathos an und ich wollte nur noch weg! Was ist denn nur so begehrenswert daran The Cure oder Joy Division nachzumachen?
Wir sammelten uns dann rechtzeitig, gingen alle noch ein nervöses Pipi machen und drängelten und dann Platz an der Bar frei, wo andauernd Leute den Weg blockierten, die gar nichts bestellen wollten. Wir holten uns viel Bier, stellten uns in die erste Reihe ... und wurden für alles entschädigt.
Doggen direkt auf unserer Seite, so nah vor uns, dass man seine Nervosität spüren konnte. Seine Gitarre war superlaut zu hören, fast etwas zu laut von unserem Platz aus, doch jetzt mussten wir da durch. Pierce nahm direkt auf der anderen Seite Platz, naja, die Band mit drei Sängerinnen, dem langjährigen Drummer, einem mir nicht bekannten Basser, den Keyboarder konnte ich nicht sehen, ein zusätzlicher dritter Gitarrist, der aber während des ganzen Konzerts quasi nicht zu hören war und der Großmeister der feinen Töne, wie gesagt, ganz da, wo wir ihn haben wollten.
Sie spielten die ganzen Nummern des aktuellen Albums und sonst auch eigentlich nur ruhiges Zeug. Abwechslung fehlte ein wenig, ansonsten war es höchst emotional, voll feinster Details und sehr gefühlvoller musikalischer Symmetrie. Alles! Alles da wo es kommen musste. So meisterlich wie die kunstvoll durchorchestrierten Songs.
Pierce latschte mit Sonnenbrille zum weissen Tshirt, Jeans und Turnschuhen an. Der Junge hatte sich ja quasi ins Grab gelebt und nach einigen längeren Krankenhausaufenthalten, nun ein offensichtlich gesundes Dasein gewählt, das uns diese neue Platte und vielleicht noch ein paar mehr ermöglicht hat. Er bleibt ein Held. Fehlt noch der Haken an Sonic Boom. Das haben wir uns nach dem Konzert zur Aufgabe gemacht! Mehr in diesem Forum!
ABER halt! Als unten alles irgendwie schon aufzubrechen gedachte, rannte ich flott nach oben, denn ein "Überraschungs-Act" wurde ausgerufen. Das waren Häxxan aus Berlin und ich erinnerte mich, sie vor den Gories gesehen und nicht geschätzt zu haben. Das war heute anders. Die fahren schon nen ganz eigenen Stiefel und ich frage mich, was wohl ihre Wurzeln sind, aber was sie machen, machen sie richtig gut. Die Jungs sind eigentlich aus Israel und spielen eine Art Punk, keine gewöhnliche allerdings. Sehr zappelig, mit Anleihen aus unterschiedlichsten Stilen, aber gut ineinander verkocht. Vom unattrativen Feeling her, würde ich sie fast mit altem SST Kram vergleichen ... UND: Sie brennen! Wenn ihr sie sehen wollt, seht sie euch JETZT an!
(Ralf, 1.12.18)

Sa. 10.11.18 Strange Encounters, The Act - Berlin, Txxxr (50 Zuschauer)
60s-beeinflusster Beat, Pop und Rock mit zwei Berliner Bands, auf die ich sehr gespannt war. Ich bin ja üblicherweise eher den punkigeren Sachen verbunden (wobei Punk für mich als Überbegriff für die Idee des Subversiven steht und in jeder Stilrichtung beheimatet sein kann), dennoch ein grosser Liebhaber der Hippiemusik, sodenn sie nicht allzu happy und glatt ist. Byrds, CSNY und Co. stehen aber weit oben auf meiner Playlist, so dass mir diese Veranstaltung nach der Enttäuschung des Vortages einen Abend ohne angestrengte Hipsterpseudocoolness, in entspanntem Ambiente mit schöner Musik versprach.
Das ist es dann auch geworden. Die Strange Encounters scheinen die 60er mit der Muttermilch bekommen zu haben. Dabei decken sie den Ami-Psychedelic-Folk genauso ab wie die britischen Modletten, ohne allerdings deren wilden Ungezügeltheit. Ich würde sagen ...  Folk, gewürzt mit etwas Psychedelic, gerne auch immer mal wieder mit der Akkustigitarre. Dafür aber auch mal ne rockige Small Faces Covernummer (Afterglow Of Your Love) dazwischen, die mir übrigens besser gefiel als das Original (so sehr ich SF auch mag und ich kenne einige Leute, die mich ab sofort killen wollen, aber Marriott war in Gestus und Gesang einfach immer "eins drüber" ... if you know what I mean. So, jetzt ist es raus und ich kann wieder befreit auf die Strasse.
Zurück zu den Strange Encounters: Zuallererst ist natürlich der phantastische zweistimmige Gesang hervorzuheben, der die Kompositionen massgeblich prägt, die sich eines aussergewöhnlich reichen Harmoniespektrums bedienen, das die beiden Gitarren und vorallem auch den Bass explizit einbezieht, was ja wirklich nicht viele Bands machen. Zudem sind sie auch was fürs Auge und zwar alle vier. Für mich der heimliche Star ganz klar der Drummer. Nicht nur, dass er durch sein emotionales Spiel einen ausgezeichneten Beitrag zum Gelingen der Songs beiträgt, ist er auch der Klassenpunk der Truppe und seine wilde Theatralik scheint eher von Temperament und Begeisterung angezündet und ist daher tausendmal angenehmer als das selbstverliebte angeberische Gebahren des Drummers vom Vortag.
Damit ist er seinen Kollegen an der Gitarre auch noch etwas voraus, denn diese sind doch sehr verhalten und vorwiegend den Harmonien gewogen. Ausbrüche gibt es leider keine und wer Kickin Ass ein wenig verfolgt, weiss wie sehr ich sie liebe.
Die hatten wir dafür bei The Act, deren Stärke, so widersprüchlich es auch klingen mag, das Unvermögen der Gitarristen ist. Für mich ist es immer wieder einen Augenweide, wenn ich einen Gitarristen sehe, der ganz viel mit nur einem Finger spielt. Auch die Gesänge entarten gerne mal in pures Geschrei. Sehr kantig, eigenwillig und am Rande der Kontrolle, nur durch die gute Arbeit von Drums und Bass im Zaum gehalten. Besonders gefallen hat mir auch die völlig unverstellte, sympathische Begeisterung der Akteure. Die wissen auch wo sie stehen und das kann man ja wirklich nicht von jedem Menschen behaupten, der sich auf einen Bühne stellt. Ich mag The Act.
(Ralf, 14.11.18)
Fr. 09.11.18 Poor And Weird Festival - Berlin, Cassiopeia (200 Zuschauer)
Poor And Weird, das Festival mit dem besten Namen aller Zeiten hat sich dem Punk (als er noch Punk war) verschrieben. 6 Bands, Start um 19:30 Uhr. Das war für mich an diesem Tag nicht zu schaffen. Da ich selbst erst um 9 zuhause ankam, schaffte ich es nicht vor 10 Uhr dort zu sein und dann passierte, was passieren musste. Die Scaners, die Band No. 1 des Abends auf meiner Deswegen-gehe-ich-hin-Liste schaffte gerade verschwitzt ihren Krempel von der Bühne runter. Arrgh! Die Quittung für meine Arroganz, die ja besonders weh tut, wenn sie einem selbst in den Hintern beisst. Keine drei Tage zuvor (gerade in Köln weilend) lehnte ich noch missfällig ab als Bernadette mich fragte, ob ich mit zu den Scaners nach Essen fahren möchte. "ESSEN?" dachte ich, in der Hochnäsigkeit, des Na-wenn-du's nötig-hast-Arschlochs, "die seh ich am Wochenende vor der Haustür. Warum sollte ich heute nach Essen fahren?" Und was lernen wir aus der Geschichte? Leute, wenn ihr euch eine Band ansehen könnt, dann seht euch eine Band an ... und lasst euch keine Gelegenheit raus gehen, wenn es nicht unbedingt sein muss!!!
In der Riege der Bands mit den schlechtesten Namen durften wir an diesem Abend gleich zwei hochrangige Vertreter in der Cassiodingsda begrüssen, allen voran Head, eine legendäre Band aus Seattle. Ihre Stärke ist ihr Ramones-Humor an Stelle 1 und ihre Ramones-Musik an Stelle 2. Wie sagte einer beim Rauchen vor der Tür? "Der Sänger hat früher auf dem Schulhof bestimmt ne Menge Keile bekommen". Das ist zumindest ihr Image und so sehen sie auch heute noch aus. Die Ousider auf dem Schulhof, diejenigen, die beim Sport immer als letzte gewählt werden, die Verlierer, die Guten. Mein Lieblingssong: "Although I'm 35 Years Older Than You", hahaha. Sie haben ab den frühen 90ern eine Handvoll Singles und zwei LPs im Abstand von fast 10 Jahren veröffentlicht und bewegen sich auf einer strikten Dreiakkorde-No-Solos-kein-Song-über-2-Minuten-Schiene, was ja nicht hoch genug wertzuschätzen ist. Schön und gut, aber leider nur auf dem Papier. Irgendwie langweilig und ohne Druck. Das Verlierertum lässt auch ihre Show ein wenig zerfallen. Da gibt es keine Energie, keine Ausstrahlung. Es tut etwas weh, sie zu sehen.
So What aus Oakland mit wesentlich mehr Kraft und einem sehr guten Sänger. Wo man das jetzt musikalisch einordnen soll, ist schwierig. Power-Pop, wie auf dem Etikett stand, hab ich anders im Ohr. Da ist viel mehr Roots-Musik drin, Soul, Blues aber natürlich auch Punk, vorallem über den stets aggressiv-emotionalen Gesang. Die kaum verzerrtem SG-Gitarren klangen sehr merkwürdig aber der Basser und Drummer waren supergut. Zunächst fand ich die auch fürs Auge wirklich eher schwer goutierbar, doch nach ner Weile hatte die über ihre Leidenschaft mein Herz und damit auch mein Auge gewonnen, auch wenn der Drummer mit seinem Overacting eher ein Wegschauer war. Musikalisch wirklich nicht mein Ding, aber die brachten die Sache wirklich ins Rollen und am Ende war ich fast begeistert.
Sie waren dann auch die Backing Band für Derv Gordon, Sänger der legendären 60s Band The Equals. Da waren die Leute dann auch foxy am Start. Kaum mehr ein Reinkommen möglich, da auch im Kellerraum des Kassiopeia erstmal eine Flaschenhals-Ecke, in der immer die Leute stecken bleiben, zu bewältigen ist, bevor man richtig in den Raum reinkommt. Es interessierte mich aber auch nicht mehr, ob weiter hinten noch Platz war, da mir eine halbe Stunde von einem bequemeren Platz in der Nähe der Tür und mit direktem Zugang zu alkoholisierten Getränken reichte.
Schade. Schlechtes Timing für mich heute. Mir ist das Kassiopeia aber auch kein besonders feiner Laden. Je länger es ging, desto mehr musste ich zum Rauchen hoch und desto schlimmer wurde die Disco im oberen Teil. So wurde am Ende eine Band zum Gewinner des Abends, die ich mir unter anderen Umständen nicht angesehen hätte.
(Ralf, 23.3.19)
Sa. 03.11.18 Martin Bisi, Jochen Arbeit, Kristof Hahn (Foto) - Berlin, Schokoladen (ca. 100 Zuschauer)
Martin Bisi ist der Eigner des berühmrten BC Studios in New York, der mehr oder weniger zufällig zu der Ehre kam, ne Menge tolle Sachen aufzunehmen, bspw. Sonic Youth. Bisi hat auch immer selber Musik gemacht und ist heuer mit neuer Platte unterwegs gewesen.
Mir gefällt ja seine schüchterne Art. Der ist der totale Anti-Rockstar und zwar nicht aus Attitüde, wie das heute ja wieder mal gerade schick ist, sondern er is halt so, er kann nicht anders.
Aber, selbst wenn man bedenkt, dass ich wenig goutierbare Musik schon mal vom Grundsatz her eine ansprechende Idee finde, gerne ein Ohr dafür gebe und ja auch einiges gewöhnt bin - bei Martin Bisi hab ich mich selber gekrümmt und nach dem Ende gesehnt. Dass die Musik jegliche Klischees sprengte, ist ja noch ok, dass das kalkulierte Chaos zwar tief im Noise stand auch, dass es aber eigentlich näher denn erwartet am Free-Jazz oder Heavy-Prog-Rock verweilt, dann aber doch nicht.
Bisi live zu sehen, tut fast weh. Er ist definitiv niemand, der auf eine Bühne gehört und das ständige Drehen an irgendwelchen Geräten wirkte weder attraktiv noch waren die Resultate wirklich hörbar (ich denke dabei bspw daran, dass er mehrmals versuchte, direkt etwas vom Drum aufzunehmen und vermutlich irgendwie zu loopen, was aber im Soundgewitter überhaupt nicht auszumachen und insofern völlig zwecklos war). Das Ausbreiten seines Schweißrands auf dem Hemd zu beobachten war allerdings dann doch nicht uninteressant.
Jochen Arbeit mit den beiden Cellistinnen Martina Bertoni und Munsha sowie dem verrückten Bassisten Hopek Quirin, der schon seit den frühen 80ern bspw. in Bands wie Die Ich's auf sich aufmerksam machte - bei denen auch ein Arbeit seine ersten genial dilettantischen Schritte unternahm. Das Quartett begeisterte mich leider wenig. Man kann sich das eigentlich auch ohne es zu hören sehr gut vorstellen, wenn man die Beschreibungen der einzelnen Künstler liest, wie sie bspw. bei Arbeits Initiative Soundscapes beschrieben werden. Da werden Klangwelten abseits des ursprünglichen Territoriums erforscht, mit Recordings, Beats und Noise vermischt, auseinandergenommen und wieder neu zusammengesetzt und komplexe Soundscapes erschaffen. Aha!  Viermal komplexe Klanglandschaften, jeder für sich und dann doch wieder zusammengesetzt. Genauso klingt das dann auch. Ein wenig differenzierbares Irgendwas an Geräuschen, das frei improvisiert vor sich hin wabert. Das geht so eine halbe Stunde. Am Ende schwillt es etwas an. Aber emotional ist es leer. Und genauso kam es bei mir leider an, was ich wirklich schrecklich traurig fand, da ich sehr sehr gespannt auf dieses Konzert war.
Dafür konnte Kristof Hahn den Abend bereits als Opener retten. Erstens mit seiner sympathischen nahbaren Art, was ich als Mitglied der raubeinigen New Yorker Swans nicht von ihm erwartet hätte. Die Swans waren durch die 80er eine meiner ganz großen Lieblingsbands und ich werde das erste Konzert, auf dem ich sie im Stuttgarter Maxim sah, niemals vergessen. Es waren etwa 20 oder 30 Leute da und am Eingang wurden Ohrschützer verteilt und jedem einzelnen Gast persönlich gesagt, dass der Veranstalter keine Haftung für Hörschäden übernehmen würde. Es war die Phase der Live LP "Public Castration is a Good Idea" mit zwei Schlagzeugern. Die PA im Maxim ging fast bis unter die Decke, wurde also für die Swans sicher um mindestens das Doppelte aufgestockt. Vorne im Moshpit standen vielleicht 3 oder 4 Leute. Ich traute mich erst im letzten Drittel nach vorne. Der Schalldruck war so enorm, dass meine Hose an den Beinen flatterte als würde ich gegen eine Bö laufen. Man musste sich fast ein wenig dagegen lehnen. Kristof ist seit der Spätphase ab 2009 oder so dabei, meine ich und tatsächlich haben die Swans seitdem auch wiirklich gute Arbeit geleistet.
Es ging los mit seiner Pedal Steel Guitar, die auch bei den Swans gerne zum Einsatz kommt. Die meisten Songs spielte er allerdings mit Gitarre und sein einziger Begleiter spielte Fagott! Und wie! Die Kombination ist ungesehen und ziemlich irre. Sie beschränkten sich auch nicht auf Improvisation sondern alle Lieder waren durchkomponiert, oft auch mit Text und, auch wenn diese ein- oder zweimal sogar in ein bluesiges Schema verfielen, so brachen sie plötzlich wieder in ein kompositorisches Scharmützel aus, das uns staunen machte. Bester Act des Abends!
Den Umstand bedenkend, dass Konzete im Schokoladen um 20h losgehen müssen, durfte man während des Konzerts der beiden jede Menge neuankommende Gäste beobachten, die sich auf alle möglichen Arten versuchten, vor der Bühne vorbeizudrücken, bspw. auf den Knien. Trotzdem fand ich am Ende interessant, dass überraschend viele Zuhörer, gerne auch mal direkt neben mir, in unverschämter Lautstärke ihre Alltäglichkeiten austauschten. Gerade während der eher leisen Performance von Jochen Arbeits Quartett empfand ich das als wirklich als beschämend. Glücklicherweise ist das Publikum im Schokoladen sonst tatsächlich ziemlich schokoladig und weiss zu schätzen, was hier für sie getan wird.
(Ralf, 6.2.19)
Do. 01.11.18

Wild Billy Childish & CTMF, The Shadracks - Berlin, Lido (ca. 500 Zuschauer)
Er ist der Gottvater des Garage der Neuzeit. In den 70ern direkt in die Punkszene eingestiegen, blieb er dennoch vorwiegend dem schwarzen Blues und dem wilden Früh- bis Mittsechzier-Sound verbunden und wurde damit zur Stil-Ikone und obwohl er viel kopierte, blieb er selbst immer völlig unkopierbar. Wieviele Platten er mit seinen vielen Bands rausgebracht hat, dürfen die Statistik-Fans aufzählen. Es sind hunderte. Den gleichen Output hat er auch als Maler, wo er sich mittlerweile einen grösseren Ruf, wenn auch in anderen Kreisen, erarbeitet hat. Da eine neue Ausstellung in einer Galerie in der Stadt stattfand, wurde auch ein Konzert organisiert, was uns total entrückte und panisch Karten einkaufen liess.
Der Laden war denn auch brechend voll. Die meisten der Kids, schätze ich mal, hatten Childish noch nie live erlebt, denn seit einigen Jahren sind seine Liveauftritte wird sehr rar geworden.
Als grummliger aber gerechter Miesepeter bekannt, bewahrt er wie kein anderer seine Integrität und alle Idioten, die es sich gerade zur Mode gemacht haben, mit dem Authentizitäts-Etikett zu wedeln, tritt ein Billy Childish wild und wiederholt in den Allerwertesten. Er ist und bleibt er selbst und lässt sich von niemandem gerne vor den Karren spannen, weder damit die Reichen sich cooler machen können (J. White, K. Minogue, etc.), noch damit die Armen auf sein Trittbrett aufspringen können. Alle bekommen die gleiche Sense.
Billies aktuelle Kombo nennt sich CTMF und besteht aus seiner Frau Julie und Drummer Wolf Howard, der bereits so mancher Garage-Band diente, davon auch in mehreren Childish Inkarnationen und mit dem Meister die Künstler-Gemeinschaft The Stuckists aus der Traufe hob.
Kauz der er ist, wunderte es schon fast, dass er sich von seiner gut gelaunten Seite zeigte und schalldend lachte, wenn seine Kumpanen die Einsätze verpassten. Es gibt vermutlich wenig, das als Gesamtwerk, als Mensch, als Musik, Ausdruck, Gedanken und Handlung mehr Punk ist als Wild Billy Childish. Und das ist mittlerweile auch beim 25-jährigen-Mittelklasse-Punk angekommen. Das Konzert war der Hammer!
Auch die Shadracks kommen aus der selben Tüte, ist doch der Hosenmatz des Chefs mit dabei und weil gerade so ein Gedränge herrschte und uns einige schon kopfschüttelnd entgegen kamen, besorgten wir uns die ersten Biere am Schnellausschank und rauchten ein paar Stengel, denn das Lido ist halt mal wieder eines jener ungeliebten Establissements, wo man diesbezüglich verbannt wird. Sorry, Shardracks.
(Ralf, 15.5.19)

So. 21.10.18 The Gee Strings - Tübingen, Münzgasse (ca. 70 Zuschauer)
Ordentlich was los hier an einem Sonntag mitten im Jahr in der Münzgasse.
Heuer können die Gee Strings auch ihre ganze Klasse auffahren ... nicht, wie zuletzt in Berlin, wo der Sound sich andauernd veränderte, was wirklich für Band und Publikum extrem irritierend war. Es fühlt sich heute so an als hätten die eben noch mal 15 neue Songs geschrieben.
Das grösste Manko von zeitgenössischen Punkbands ganz allgemein ist in meinen Augen die fehlende Variation im Tempo. Manchmal fühlt sich das so an, wie die Wasserfolter. Nicht so die Gee Strings. Hier gibt es eine ganz feine Variationspalette an Tempi und schon alleine das sorgt für viel Abwechslung. Doch auch die Akkordfolgen sind sehr aufwändig, was man im Fluß des Songs aber nur merkt, wenn man genau hinhört.
Diese Kunst, so wenig Abwechslung wie nötig einzubringen, aber genug, dass einem nicht langweilig wird, beherrschen die Gee Strings mit hohem Feingefühl. Dazu haben sie ne Menge Pfiff und Leichtigkeit. Es wirkt, als würden sie alles eben mal so aus dem Ärmel schütteln und das geht nur mit ner Menge handwerklicher Qualität ...f und einer Sängerin wie Ingi, die mit ihrer lockeren Art die Meute mobilisiert und das Geschehen im Raum kontrolliert. Da gibt es keine peinlichen Momente. Sie weiss ihr Publikum zu nehmen.
Und wenn wir über den Gesang reden, reden wir natürlich auch über das was diesem Magazin gefällt. Punky klassisch, mit rotzigem Männerchor -> so wie es sich gehört. Und wir lernen mal wieder, was es bedeutet, eine Band am richtigen Tag am richtigen Platz zu sehen. Und da kann ein Sonntagabend in Tübingen durchaus Ungeahntes bewirken.
(Ralf, 24.10.18)
Sa. 20.10.18 Risha - Berlin, Lido (ca. 300 Zuschauer)
... und da verschwand er im Soundgewitter ...
Die Rede ist von David Eugene Edwards, einer der wenigen wirklichen Rockstars der heutigen Alternative-Musikszene. Während unser Begleiter Heinz (Namen wurden nicht von der Redaktion gefälscht) meinte, das wäre ja schon fast Gruft und die sähen aus wie Fields of the Nephilim, empfand ich das natürlich gar nicht so. Wer will schon auf einem Konzert sein, wo Leute auf der Bühne stehen, die aussehen wie Fields of the Nephilim und dazu noch Gruft-Musik machen.
Düster war Edwards schon immer und so ist das natürlich auch sein neustes Projekt, mit dem allerliebsten Alex Hacke von den Neubauten. Eine logische Folge, haben sie doch schon für einen Soundtrack zusammen gearbeitet, genauso wie bei der ins Klo gegangenen Reunion der Crime And The City Solution.
Da Edwards seit mehr als 15 Jahren in der Schaffenskrise steckt und Hacke ein wirklich logischer Partner ist, stellt sich mir eigentlich nur die Frage, warum sie solange damit gewartet haben.
Grosses habe ich nicht erwartet und genauso ists gekommen. Edwards, der schon mit Woven Hand viele Klangkollagen eingefügt hat, hat diesen Teil diesmal outgesourced. Hacke macht sowas gerne und gut, trifft meistens Edwards Sinn für mahlende, jammernde, orientalisch, indianisch vermischte Ethnoklänge. Da hatten wir dann auch die besten Momente. Manchmal ist er dann aber einfach nicht mehr zu bremsen und lässt ein Disco-Drums-Gewitter los, dass man fast anfängt die versteckte Kamera zu suchen.
Und nach dem eher verhaltenen Anfang wurde das immer doller, so dass Edwards im letzten Drittel des Konzerts quasi verschwindet. Ist er anfangs noch der totale Blickfang (und ich steh einfach total auf diese irre Gestik, diese Göttlichkeit, mit der er fast schon über uns thront) und proklamiert seine Klagen an die Rückwand des Lido, so werden Hackes Discoattacken immer wilder und walzen den armen Gott ins Dunkel. Irgendwann fällt mir auf, dass er sogar ein paar Schritte aus dem Licht gegangen ist und sprichwörtlich im Schatten steht.
Bei der Zugabe bin ich dann kurz davor sogar wütend zu werden, als wir fast beim Ambient-Techno ankommen. Gut, dass sie mit dem letzten Stück, dem besten des Abends, wieder alles gerettet haben. Hacke zurück zur Einfühlsamkeit, Edwards wird wieder Edwards pur, dann ganz ohne Gitarre, aber mit wundervollem Handfächeln und grossartigem Gesang. Ich mag die beiden einfach, egal was sie machen. Auch wenn ich mal wütend mit ihnen werde.
Wie toll wäre das gewesen, hätten sie einen Percussionisten dabei gehabt, der mal ein richtiges Drumset bedient und mal in seinen afrikanischen Trommeln rührt. Und noch einen Multiinstrumentalisten, der hier eine Flöte, da ein Krummhorn, was auch immer auspackt. Dann hätte Hacke auch ein ehrenwertes Instrument zur Hand nehmen können, denn was der da macht, das kann ich gar nicht mehr beurteilen. Kann man dazu musizieren sagen? Knöpfe drücken? Wieviel davon ist noch handgesteuert? Das obligatorische Laptop auf einer Bühne, kann ich nicht weit genug in die Hölle wünschen. Nein, was ich mir wirklich wünsche, ist dass dieser digitale Wahnsinn endlich aufhört. Ich habe Charles Mansons Satz heuer jeden Nacht vor dem Einschlafen in meinen Ohren: "Go back to the horse!"
(Ralf, 21.10.18)
Sa. 13.10.18

The Wrong Society, The No-Counts - Berlin, PhonoClub (ca. 100 Zuschauer)
Wenn sie nicht die unschuldigsten Menschen wären, die ich kenne, würde ich ihnen ein cleveres Konzept unterstellen. Denn wenn sich vier Herren mittleren Alters mit griesgrämigen Gesichtern auf eine Bühne stellen und in der Ich-Form Lieder darüber singen, wie ihnen von den Schulmädchen eine Klasse über ihnen, "die nur schwarz aber niemals ein Lächeln tragen" in allen vorstellbaren Varianten das Herz herausgerissen wird, dann machen sie sich per se schon unangreifbar.
Wenn sie sich dann noch "The Wrong Society" nennen und ihre erste Single "Hey Hey Hate", dann ist bereits bei weitem übertroffen was man von einem Künstler als Gesamtwerk überhaupt erwarten darf. Alleine das Cover dürft Ihr Euch gerne noch mal zu Gemüte führen, um nur den Hauch einer Vorstellung zu bekommen, was Euch entgeht, wenn ihr dieses Meisterwerk nicht auf Euren Altar nagelt.
Wenn man noch berücksichtigt, dass Kai Becker bereits zu prä-Wrong Society Zeiten mit seinen Flashjunkies einen Song namens "Durch die Tür" aufgenommen hat, ein unfassbares Stück deutscher Musikgeschichte, das ich mir wenigstens einmal die Woche anhöre, dann würde man ihnen zweifelsohne gestatten, sich jetzt schon zur Ruhe zu setzen. Aber nein, nicht so unsere Hamburger Jungs: Mit akribischem Feingefühl servieren sie uns eine Platte nach der anderen und sinken dabei nicht einen Millimeter auf der selbstaufgelegten Qualitätsskala.
Nun kamen sie am heutigen Abend durchaus abgekämpft zur letzten Show einer einwöchigen Tour in Berlin an. Akustik und Technik im PhonoClub sind zudem nicht wirklich geeignet, um die Soundqualität angemessen zu zerstören. Ein mehrfaches Störfeuer also, das unsere tapferen Helden vor unmenschliche Prüfungen stellen wollte. So war der Sound etwas zurückhaltend, etwas Hall für den Gesang wäre hilfreich gewesen, um die Ungerechtigkeit dieser Welt vernünftiger in den verhangenen Himmel zu klagen. Wobei darüber hinaus nicht unerwähnt bleiben sollte, dass der neue Bassist Jörg, der auch bei den Vice Royce den Viersaiter zupft, zwar eine Besetzung ist, die die Wrong Society in ihrer Erscheinung vollkommen macht, doch als Sänger kann er seinen Vorgänger zum heutigen Zeitpunkt nicht ganz ersetzen.
Aber wenn man dann beobachtet, wie sie zwei drei Songs brauchen, um sich ein wenig mit der Situation vertraut zu machen, dass sie auf einer Bühne stehen - und sie sehen eigentlich immer so aus, als würden sie sich auf der Bühne extrem unwohl fühlen, was meine Sympathie für sie fast schon unerträglich macht, denn, auch wenn sie phantastisch aussehen, sie wissen es nicht!!!! - also, wenn sie sich dann nach zwei drei Songs damit abgefunden haben, dann fallen sie in ihre wunderbare Musik und nehmen uns mit in das entsetzliche Drama der vollkommenen Nichterfüllung. Alles darum herum verschwindet. Und dazu gehört eben auch, dass man sich von irgendwelchen Vorstellungen löst, wie ein masstabsgetreues Konzert zu klingen und abzulaufen hat. The Wrong Society steht jenseits alberner Gesetze. Erscheinung, Auftreten, Songs und Klang sind stets von erhaben perfekter Unperfektion. Es ist der Wahnsinn und da lasse ich nicht mit mir diskutieren: The Wrong Society can never fail!
Auch diesmal hat sich die Topveranstalterin Pleasure Seekers Club das Package mit den No-Counts ausgedacht und das ist natürlich als Gesamtwerk völlig unschlagbar. Diese Miesniks stehen an der Spitze der Unterhaltsamkeitsverweigerung, was natürlich genau in die andere Richtung ausschlägt. Je muffliger sie werden, desto sensationeller sind sie. Auch bei ihnen hätte mehr Keller im Klang jegliche Unzulänglichkeiten ins rechte Bild gesetzt. Selbstverständlich liessen sie sich aber nicht im Geringsten davon abhalten, allen Nichtanwesenden das tatsächliche Wesen des Punks zu zeigen.
Besseren Teenpunk als von diesen beiden Bands bekommst Du heute nirgends und eines der Geheimrezepte liegt in der Abwesenheit jeglicher Gedanken an Gefälligkeit und Gefallenwollens. Hier gibt es kein Kalkül, keine Schuld, kein Wollen. Es gibt nur die Tat. Unfehlbar in ihrer unspektakulären Sensation. Ich würde gerne jedem Kind das eine Gitarre in die Hand nimmt, diese Bands als Vorbilder empfehlen. Nicht zum Nachmachen, nur als Inspiration. Nur ein Hauch davon würde die Musikszene vollkommen auf den Kopf stellen und wieder Dinge möglich machen, die seit fast 30 Jahren total stagnieren.
(Ralf, 14.10.18)

Fr. 05.10.18 The Cavemen, Jett Screams - Berlin, Tief (ca. 100 Zuschauer)
ENDLICH!! EEEEENDLICH wieder mal eine richtige und wilde Punkband. Die Cavemen aus Neuseeland bekamen über die Werbetrommel der Dirty Water Records schon ordentlich Lorbeeren vorgeschossen und sie konnten die Erwartungen erfüllen. Rasende Gitarrenriffs, die Drums mit tief durchgetretenem Gaspedal, der Sänger mit wohltuend angerotzter Kehle und dazu wildes Acting und ... ja ... es ist halt doch wichtig: Gutes Aussehen.
Die stilistische Direktheit und Geradlinigkeit ist eine Wohltat in der heutigen Ziellosigkeit vieler Interpreten des sogenannten Underground, der aber seit 25 Jahren an seiner Erfolgsstory krankt. Dieser Traurigkeit trotzend trieben mir die Cavemen soviel gute Laune ins Genick, dass ich mich fast schon umdrehen wollte, um zu prüfen, ob das hoffentlich niemandem auffiel.
Sie sind jung und haben jede Menge Energie, das sie in einem über einstündigen Set bewiesen, in einer mumpfigen Raucherhöhle, deren Decke gerade mal knapp über zwei Meter hoch ist. Wahnsinn und alle Glückwünsche! Stay wild, Punks!
Jett Screams hängen leider eher dem eben erwähnten Identifikationsproblem an. Eine sehr talentierte Band, die sich was traut, was gleichzeitig ihre grösste Stärke ist. Sie trauen sie nämlich nicht zu gefallen. Ansonsten ist mir das zu Kuddelmuddel zwischen Surf, Rock, Punk, Metal, doch dazu noch in vielen fein differenzierten Ausprägungen. Ich mag solche Cocktails nicht. Aber sie hatten ein paar super Songs dabei!!
(Ralf, 14.01.18)
Di. 02.10.18 Whiskey Daredevils - Berlin, Wild At Heart (40 Zuschauer)
Cowboy Punk aus Cowboy Land. Die echte Nummer. Eine langgediente und bewährte Band. Sehr unterhaltsam, wenn man auf Cowboy Punk steht. Leider trifft das wohl nicht mehr auf viele Menschen zu, zumindest nicht in Berlin, zumindest nicht an diesem Abend. So kam wenig Begeisterung auf, weder beim Publikum, noch bei der Band.
Sie waren wohl etwas (gelinde gesagt) enttäuscht, dass sowenig Leute da waren und die, die da waren, auch nicht komplett ausgerastet sind, ABER: Eins bedingt das andere und ich war immer schon der Meinung, dass man sein Befremden über diejenigen, die nicht gekommen sind, nicht denen vorwerfen sollte, die da sind. Und die fehlende gute Stimmung dem Publikum vorzuwerfen, ist pure Überheblichkeit. Hätte ich so von denen echt nicht gedacht. Und dass der Gitarrist noch von einem abgekrachten Schlagzeugstock "durchbohrt" wurde, trug nicht zur Rettung des Abends bei. Es war, wie Antje, die Tourbegleiterin hinterher meinte: "Heute ist der Wurm drin."
(Ralf, 21.10.18)
Do. 30.08.18 TV Crime - Köln, Sonic Ballroom (ca. 40 Zuschauer)
Man kann sich ja eine Band nicht so hinwünschen, wie man das gerne hätte. Zu Dali hat auch niemand gesagt, dass er mehr grün und viel romantischer malen sollte?
So was geht nicht. Die Kunst lebt nur dadurch, dass sie sich von den Bedürfnissen ihrer Konsumenten löst. Bands, die spielen, was die Leute hören wollen, sind künstlerisch tot.
TV Crime aus Nottingham sind ein flotter Vierer mit Punk, der Einflüsse aus dem Früh-Siebziger Rock einbaut. Da ist ein wenig Glam, auch ein wenig Jam und ... wie sagte Magnus ... die J. Geils Band.
Der Frontmann war der Rockstar, mit Schnubi, Supervokuhila, Koteletten und Punklederjacke. Der Basser ein Schönling mit einem Kostüm mit einem Blitz drauf. Der Rest leider nicht sehr glamourös, aber, wie schon gesagt, ist ja kein Wunschkonzert, hier.
Sie waren schmissig und nahmen gleich gut Fahrt auf. Wo ich zunächst etwas Gleichförmigkeit fürchtete, wurden sie dann im Laufe des Sets variabler in Tempo und Komposition, so dass man eigentlich gar nicht meckern könnte. Selten eine so angenehme Punk-Band im Ballroom gesehen.
Aber wenn nicht nur der Star, sondern die anderen auch gesungen hätten, wenn er überhaupt n bisschen angepisster geklungen hätte, dann wäre das perfekt für mich gewesen. Ausserdem bin ich diese Powerdrummer langsam satt. Die hämmern sich so leidenschaftlich und hart und steady durch ihre Scheisse, immer am Limit, immer mit maximal Schmackes. Die sind gut, aber ich kann's nicht mehr hören. Zumal es dem 70er Flair der Band wesentlich besser gestanden hätte, wenn der Drummer etwas Swing gehabt hätte. Reingefallen, haha!
(Ralf, 5.9.18)
Fr. 29.06.18 The Walking Korpses, Abstract Nympho - Berlin, Loophole (50 Zuschauer)
Abstract Nympho müssten eigentlich schon aufgrund ihres Bandnamens umarmt werden. Diese Liebeserklärung an San Franciscos Legende Chrome, eine Band, die wie keine andere Punk mit Industrial vermischte und dabei so herrlich schepperte und ihre Düsternis mit soviel Humor versetzte, dass sie eigentlich immer schon jenseits jeglicher Kritik waren.
Das Berliner Duo wurzelt in teils magenumdrehender Depri-Electronika, sehr industriell klingend, angereichert mit nervenzerrenden orientalischen Bläser-Orgien und zart bis hysterischem Mädchengesang. Ich fand das teilweise extrem gut, teilweise unerträglich. Aber genau das ist der Grat, den die Freiheit des Experiments zu gehen hat. Nur so kommen wir weiter, Leute.
The Walking Korpses ist eine Band mittleren Alters, die wohl in Berlin leben, sich aber vorwiegend aus Amis zusammensetzt, wenn ich das richtig verstanden habe. Sie spielen New Wave von damals, kein aufmodernisierter Scheiss der x-ten Generation, keinen Dream-Pop-Mist oder wieauchimmer die verwöhnten Akademiker-Nachkommen von heute ihre Musik nennen. Dies ist roher, unangenehmer Wave der Schmerzen ausdrückt und alles in allem ziemlich abstossend wirkt. Genauso muss es sein. Ich weiss noch, wie sehr ich Mitte der 80er diese Bands liebte, deren Erscheinungen mir erstmal die Kotze hochkommen liessen. Da musste man sich erstmal überwinden aber trotz Ekels blieb man dran, weil man merkte, dass hier was ist, das einen erreicht. Das Geheule des Sängers der Walking Dead transportiert für mich daher schmerzhaftes Wohlgefühl. Endlich mal wieder eine angepisste Band.
Leider fand ich die Songs nicht sehr spannend, zumal nur sehr schwer bis gar nicht herauszuhören war, was der Mono-Synthie und die Gitarre spielten. Dies hätte aber sicher dazu beigetragen , die spezielle Qualität der Band wahrzunehmen. Das mag bis zu einem gewissen Grad auch so beabsichtigt sein, fiel, meiner Einschätzung nach, hier aber dem Sound des Abends zum Opfer.
Schön aber, dass das Publikum die Band schätzt. Der Laden war voll!
(Ralf, 30.6.18)
Mo. 11.06.18 Ilan Amores - Köln, King Georg (30 Zuschauer)
Der aktuelle Bassist der Argies auf Solopfaden. Nun sind die Argies ja nicht die Mütter musikalischen Erfindungsreichtums und da kann auch Ilan Amores keinen draufsetzen. Seine Botschaften sind einfach - im negativ ausgelegten Sinne - und ob das nun sympatisch ist oder schmierig, da stritten sich meine Begleiterinnen anschliessend drüber. Für mich war es einfach zu wenig. Am Ende blieb mir als einziges positives Ereignis seine gute Stimme in Erinnerung. Er spielte einige Songs alleine, einige mit Band und am Ende wurde gecovert, bspw. Ramones. Da zog man dann doch unisono schwer seufzend die Luft hoch. Seine Entertainerqualitäten verspielte er zudem dadurch, dass er viel zu viel zu quatschen hatte, nichts davon interessant und dann erstmal anfing, sich nach seinem Drink umzuschauen um dann gefühlte Minuten daran zu saugen. So standen wir da und sahen jemandem zu, der es nicht eilig hatte. Musste er wegen mir auch nicht, denn mein Interesse hatte er eh schon verloren.
(Ralf, 4.7.18)
Sa. 21.04.18 The Detroit Cobras - Berlin, Heimathafen Neukölln (ca. 600 Zuschauer)
Hm. Schwierige Nummer. Vor 15 - 20 Jahren fand ich die Detroit Cobras superklasse, obwohl sie nur Covers spielten. Aber sie spielten sie sehr rauh, groovig, rauchig, wild und sexy und, dass Greg Oblivian zu einem gewissen Grad involviert war, gab der Sache sowas wie das Gütesiegel. Partymusik für Punkrockers.
Tja, und irgendwann hatte ich genug davon. Die Welt dreht sich weiter. Ich dachte, die seien schon seit 10 oder mehr Jahren aufgelöst und irgendwie dachte ich eh, dass das nur so ein spassiges Seitenprojekt ist. Offensichtlich aber nicht, denn da sind sie wieder und zwar vor der Haustür. Hm ... un nu? Ich hatte mich erstmal gar nicht um eine Karte bemüht und bin dann fast zufällig doch noch mit reingerutscht. Und dann latscht man da eben wo rein, wo man sonst eher nicht reinlatschen würde, kriegt Bier aus Plastikbechern für das man ewig lang anstehen muss und dann ist er einfach da, der fehlende Enthusiasmus.
Und auch die Band tat nichts, diesen wieder aufzubauen. Sängerin Rachel Nagy taumelte schon auf die Bühne während das Saallicht noch an war und machte einen irgendwie derangierten Eindruck, der dann auch während der ganzen Show über anhielt, so dass alle Leute nur noch darüber rätselten, was sie sich wohl eingepfiffen haben könnte. Darüber zu spekulieren, finde ich langweilig, denn sie sang eigentlich gut (wenn auch meist neben das Mikro) und desolates Auftreten ist nun mal als Grundbestandteil des Rock'n'Roll stets gern gesehen. Aber sie waren auch einfach lahm und das ist NICHT Grundbestandteil des Rock'n'Rolls.
Dazu scheint mir die Lokation, so schön das Theatergebäude auch sein mag, nicht für ein derartiges Rockkonzert ausgelegt. Es mag sehr schwierig sein, hier einen guten Sound reinzukriegen und wer weiss, ob die Beschallungsanlage für diese Art von Veranstaltung konzipiert ist. Nachdem was man zu hören bekam, Lautstärke inbegriffen, befürchte ich nein.
Nun bin ich möglicherweise tatsächlich schwer zu begeistern in meinem fortgeschrittenen Dasein. Ihr kennt das ja, so diese herablassende Art des ... Habichallesschongesehen/Hautmichjetztauchnichtum, das manche Leute im Alter entwickeln - und ich schmücke mich damit, diese Haltung perfektionieren zu wollen - aber an diesem Abend war ich ausnahmsweise nicht der einzige, dem es nicht gefallen hat.
(Ralf, 22.4.18)
Do. 19.04.18 The Woggles - Berlin, Cortina Bob (ca. 70 Zuschauer)
Nochmal eine wunderbare Show dieser Alltime-Faves. Ich kann eigentlich die Stunden puren Glücks kaum zählen, die diese Band mir mit ihren Live-Shows verschafft hat.
Nach 30 Jahren immer noch in Flammen, wer schafft das schon? Dazu sind ihre Kompositionen reichhaltig und feinfühlig orchestriert, was sie von vielen Bands ihres Genres abhebt, die oft ihre besten Momente mit Coverversionen haben. Auch in Berlin also die Woggles wieder in typischer Bestform. Wie halten die das nur durch?
(Ralf, 16.5.18)
Sa. 14.04.18 Garageville Tag 2 mit Baby Jesus, The Embrooks (Foto), Wild Evel & The Trashbones and The Woggles - Hamburg, Hafenklang (ca. 300 Zuschauer, ausverkauft)
Wie im letzten Jahr als erstes eine Hippie-Band, Baby Jesus aus Schweden. Waren aber richtig geil, sehr hypnotischer, dichter und wütender Sound, eigentlich wie extrem verwüstete Miracle Workers. Die Embrooks aus England danach mit dem Schlagzeuger-Tausendsassa der Baron Four an Gesang und Bass sind rockiger als ich dachte und für meinen Geschmack deutlich zu viel Gekniedel an der Gitarre. Dennoch ganz gute Kompositionen und ne richtig überdosierte Show. Das war dann zunächst auch etwas problematisch, denn sie hatten mit ihrer Übermotivation zu kämpfen. Die Drummerin brauchte ein paar Songs, um sich richtig einzugrooven und der hippelige Gitarrist pluggte sich ein paarmal aus bzw. vertrat sich bei seinen vielen Schaltern auf dem Boden. Aber als sie sich nach 4, 5 Songs dann eingekriegt hatten, wurde das eine furiose Show, nicht ganz meins, aber schon richtig top Entertainment, allerdings ohne Spoiler und dicke Hosen, ganz sympathisch eigentlich.
Wild Evel ist der mexikanische Frontmann der österreichischen Trashbones, eine recht bunte Truppe aus Kaffeeröstern und Abiturienten, die es aber ziemlich drauf haben und sehr sehr engagiert sind. Da der Wild Evel schon am Vorabend mit einer Performance glänzen konnte, die im Rauswurf aus dem Molotow gipfelete, waren wir natürlich bester Erwartungen. Mit seinem Graveyard-Kostüm, dem Zylinder und den schwarzen langen Haaren hinter einer riesigen Sonnenbrille ist er schon ganz schön überzogen und auch seine Sprüche und Texte greifen tief in die Klischeekiste. Dennoch sind sie gut genug und er ist auch abwechslungsreich genug, um den Unterhaltungsfaktor oben zu halten. Zudem wusste er sich durchaus bei den richtigen Leuten zu bedanken und tat dies in absolut angemessener Art und Weise. Auch am Ende, als Tripsi auf die Bühne musste, sprang er helfend dazu und nutzte sein Showtalent, um die Leute auf die Fortsetzung der Party im Obergeschoss aufmerksam zu machen. Da ist schon alles, wo's hingehört, bei dem. Sauber!
Dann die Woggles und ich war ziemlich aufgeregt, ob sie's noch bringen, denn ich meine, dass es schon mehr als 10 Jahre her ist, dass ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Aber nach diesem Abend denke ich, ein paar Jahre geht es noch. Eigentlich sind die fast völlig unverändert, voller Esprit und Sympathie, lustiger Ideen, Schwung, tollen Kompositionen und ausgezeichnetem musikalischen Könnens. Anders als viele Bands im Garagenland leben sie von ihrer expliziten Eigenwilligkeit in Klang und Komposition. Dazu haben sie diese umwerfend tanzbare Rhythmik, die sich durch ihr komplettes Schaffen zieht.
Und so wurde das ein extrem runder Abend, vielleicht der beste komplette Tag auf einem der letzten 3-4 Garagevilles.
(Ralf, 29.4.18)
Fr. 13.04.18 Garageville Tag 1 mit The Royal Flares, The Launderettes, The Baron Four (Foto), The Frantic Five - Hamburg, Molotow (ca. 250 Zuschauer, ausverkauft)
Erstmal eine sehr positive Änderung im Molotow: Mehrere Bars. Das leidige Drängeln am einzigen Getränkeausschank hat ein Ende! Den Backyard mit Beschallung fand ich mit fortlaufender Dauer des Abends dann aber sehr unangenehm, da es keinen einzigen Platz im Haus gab, wo man etwas Ruhe hatte und sich unterhalten konnte, ohne zu schreien.
Dafür ging es mit den Royal Flares aus München aber sehr amtlich los. Im Bassy hatten sie mir zuletzt nicht so gefallen. Heute fand ich sie klasse, insbesondere die Gitarrensounds. Sie sind recht melodiös, manchmal fast byrds-like und eigentlich auch kein Punk. Das alles allerdings ist ein hervorragendes Alleinstellungsmerkmal. Die Kompositionen sind gut, der Gesang exzellent, für meine Begriffe höchstens etwas zu lange Solis. Aber ich sagte ja bereits: Kein Punk!
The Launderettes, eine Fast-All-Girl-Band aus Oslo, mit stompy-surfy Sound, was mir an sich nicht so gefällt und so taten sich auch die Launderettes schwer, mir zu gefallen. Insgesamt wirkten sie aber auch etwas müde, Insbesondere die Sängerin. Sie tat mir ein wenig leid, hatte wohl irgendwie mit ihren Energien zu kämpfen, was natürlich sehr schade ist an einem solchen Abend, wenn man von so weit hergereist ist.
Dieses Problem hatten The Baron Four aus England nicht, denn die platzten geradewegs aus den Nähten vor Ehrgeiz und gefielen mir wie so oft tausendmal besser als vorher im Bassy. Der Schlagzeuger ist wirklich unfassbar gut und ich bin der grösste Fan des blonden Gitarristen. Wie der sich so in seine Rolle reinstoffelt und von nichts aus der Ruhe bringen lässt, nur er und seine Musik, das ist einfach grandios. Die besondere Stärke der Baron Four sind die Arrangements. Sie sind die Meister der Spannungsverlagerung und schaffen es, in jeden Song eine Passage einzubauen, die geradezu explodiert. An diesem Abend haben sie ein paar Covers gespielt, die sie so gut arrangiert hatten, dass sie die Highlights der Show waren. Dadurch verblassten die eigenen Sachen ein wenig, was ich keine gute Idee finde. Aber ihre neue Platte brauche ich unbedingt, denn sie scheint sehr gut zu klingen. Sehr gut = wüst, wild, ungehobelt!
The Frantic Five aus Griechenland am Ende des Abends waren prinzipiell ganz ok. Nicht spektakulär aber solide 60s Kost. Leider war es nach dem furiosen Auftritt der Baron Four schwierig, hier noch mal die totale Begeisterung zu entfachen. Der Abend war durch die Tür.
(Ralf, 28.4.18)
Do. 12.04.18

A.R. & Machines - Dortmund, Konzerthaus (paarhundert Leute, wen interessierts ...)
"Ein Kindheitstraum wird wahr!" So dachte ich, wird die Überschrift lauten. Doch daraus wurde: "Der grösste Beschiss, den ich jemals über mich ergehen lassen musste!"
Doch zurück zum Anfang: Wir schreiben etwa das Jahr 1979. Onkel Ralf sitzt mit seinen damaligen Kinderkumpels in abgedunkelten Kellern und hört wilde Musik. Damals allerdings noch keinen Punk sondern eher Rock, aber niemals das Gewöhnliche. Eines der absolut markantesten Werke ist dabei "Die grüne Reise" aus dem Jahr 1971 von Achim Reichel, in den 60ern als Rattles Frontmann bekannt geworden, später Betreiber des legendären Star-Clubs in Hamburg, danach und bis heute Schlagersänger und dazwischen, versteckt hinter dem Pseudonym A.R. Machines, tüftelte er sich bleibend in das internationale Gedächtnis, durch den Zufall einer Fehlbedienung. Beim Aufnehmen einer neuen Idee auf einem Reel-to-Reel Tonband, nahm er versehentlich einen Loop auf, was ihn aber auf die Idee brachte, damit zu experimentieren. Die grüne Reise hat er im Alleingang eingespielt und wer es nicht kennt, der besorge es sich. Als heranwachsende Kinder jedenfalls ermöglichte uns diese Platte, auf Drogen zu verzichten und dem Reichel nach Wiederaufflammen des Frühsiebziger Krautrocks, nachhaltige Popularität, die darin gipfelte, dass das Ding jetzt tatsächlich wieder auf die Bühne kommt, nachdem der gute Herr sich jahrzehntelang dafür schämte.
Und dieses Schämen hält offensichtlich bis heute an ... irgendwie ... denn für den Live-Auftritt wurde es nicht nur abgeschlichtet, fadgeglättet, die Originale weit runtergemischt und ein Haufen lahmer Klangteig darüber gelegt. Ein einziges gähnendes Gewaber, das nichts mit der liebevollen Frechheit der damaligen Aufnahmen zu tun hat. Die grüne Reise kam kaum darin vor.
Zudem wurden keine Loops live gespielt, es wurde eigentlich fast gar nichts live gespielt, von den Percussion und dem Bass abgesehen. Dem Schöpfer gegenüber befand sich sein Adjudant, der den ganzen digitalisieren Wahnsinn startete und ein wenig die Trommler dirigierte. Manchmal zog er etwas an den Saiten, um nicht ganz aufs Knöpfedrücken reduziert zu sein. Reichel spielte ganz leise etwas Rhythmusgitarre dazu. Ich denke, die dachten, das Publikum merkt nicht, dass die kaum spielen (zu hören war was und man sah auch was sie spielten und was vom Computer kam. Was mich aber noch ärgerte war, dass die sogar zu faul waren, Amps herzuschleppen. Kein einziger Amp auf der Bühne!). Da Reichel auch nicht sang und auf der grünen Reise wird durchaus gejauchzt, was die Lunge hergab, hätte man auf ihn eigentlich komplett verzichten können. Ohne Witz, der eine drückte die Knöpfe und der andere machte gar nichts. Und das ist, was ich Beschiss nenne. Fragt mich nicht, was ich erwartet hatte, aber die Platten kann ich mir zuhause anhören. Immerhin hatte ich 50 (in Worten: fünfzich) beschissene Taler hingelegt und zwar dafür, dass mir das Herz rausgerissen wurde. Im Gegensatz zu dem Herrn im weissen Schlafanzug auf der Bühne, liebe ich sein Werk bis ins kleinste Detail und konnte schon mit 15 Jahren die grüne Reise auswendig hoch- und runtersingen.

Ich bin nicht enttäuscht, ich bin zutiefst getroffen!!!

Das Publikum bedankte sich fürs Verarschtwerden mit stehenden Ovationen, weshalb ich sie damit aburteilte, dass das doch eh alles CD-Käufer sind und deswegen ist diese beschissene neue Box, die neben allen AR Machines Platten, Liveaufnahmen aus den 70ern und eben die aufbereiteten Klänge denen man an diesem und ein paar anderen Abenden in Deutschland lauschen durfte, auch nur auf CD erschienen. Da ich nur eine der 5 AR Machines Platten habe und alles andere nicht mehr bezahlbar ist, hätte ich das sogar gekauft, würde ich mir diese Musik jemals wieder anhören können, ohne die Bilder dieses schrecklichen Abends vor Augen zu haben. Ich habe aber schon 50 Euro für nichts bezahlt. Wer sie nachweisbar geklaut hat, von dem würde ich sie gerne mal ausleihen.
(Ralf, 18.4.18)
Wir wurden beraubt!

Sa. 24.03.18 Lau Nau, Delphine Dora - Berlin, Ausland (ca. 30 Zuschauer) Foto von Arve Knudsen, ohne Erlaubnis von der Website von LauNau kopiert.
Tja, hmmm ... weiss noch nicht, wie ich mich aus dieser Nummer rausstehlen soll. Ich fand's einen ungemütlichen, beklemmenden Abend. Einmal unser erster Besuch im Ausland, in dem ich mich fast schon eingekerkert fühlte. Der Kellerraum ist eigentlich supercool und ich bin total mit den Veranstaltern, die nett sind und sich hier viel Mühe machen. In dem bestuhlten Raum kann man sich aber kaum bewegen. Trotz der Enge fühlte ich mich total distanziert zu allen anderen Menschen, die da waren. Es herrschte eine betreten verklemmte Atmosphäre wie bei einem Schulkonzert und man traut sich kaum den Kopf zu bewegen, damit das Knacksen der Halswirbel nicht die Performance stört. Ich weiss, ist alles MEIN Problem. Aber die Möglichkeit, sich ein bisschen zu bewegen, und auch mal unauffällig den Platz zu wechseln, ev. mal aufs Klo zu gehen, noch ein weiteres Getränk zu kaufen, egal was, hätte ich extrem erleichternd empfunden.
Zu hören und zu sehen und im wahrsten Sinne ihre extreme Durchlässigkeit zu fühlen, gab es die Französin Delphine Dora, eine Pianistin, die mir schon nach den ersten Tönen Panikattacken ins Nervensystem trieb. Meine idiotisch höflich-respektvolle Haltung gegenüber jeder Art von Musikern liess mich jedoch zu einem Stein erstarren, der den Holocaust über sich ergehen lassen muss. Als die Dame dann zu ihrem verkennbar ausdruckslosen Gesang ansetzte, wusste ich nicht mehr, ob ich mitleidvoll oder empört über soviel Selbstvertrauen sein sollte und ich wusste es nicht, bis zum Ende dieser entsetzlichen Stunde ... denn, wie alle Künstler, deren Schaffen auf einem anderen Niveau steht als ihr Selbstbewusstsein, wusste sie nicht, wann die richtige Zeit für das Ende ist. Ich mag ein Kunstbanause sein - und es ist nicht, dass sie sich versungen oder verspielt hat, denn das ist in diesem Forum kein Abwertungskriterium - aber für mich überwog eine ganz hinterhältige Art von als schüchtern-dezent getarnter Aufdringlichkeit, die mich verärgerte und meine Begleiterin aggressiv machte, wie sie mir hinterher erzählte.
Die Finnin Lau Nau war da weit weniger anstrengend, wirkte weniger offensiv und ruhte sehr angenehm ihr ihrem Selbstvertrauen. Was ich zunächst vermisste, war ein Instrument. In der Beschreibung stand was von Gitarre. Vor ihr befand sich allerdings nur ein Koffer mit Kabeln und Steckern, eine mittlere Armada von Effektgeräten und Loopern aber immerhin KEIN Laptop. Ihr elektrischer Klangerzeuger oszillierte also die melancholischen Harmonien, zu denen sie sich dann teils am Klavier begleitete (von dessen Anwesenheit sie aber wohl vorher gar nicht wusste - was ich doch sehr beachtlich fand, denn offensichtlich stellte sie sofort ihr Programm daraufhin um, wozu so kurzfristig nicht jeder Musiker in der Lage ist) und sang, mal ohne Text, mal mit.
Nun hätte ich mir nichts mehr gewünscht als, dass sie sich erspart hätte, uns den Inhalt der Texte zu erklären, denn dies würgte nicht nur die Atmosphäre ab, die sie immerhin - ganz anders als ihre Vorsängerin - aufgebaut hatte, sondern stahl sich selbst den Zauber. Wem zur Hölle, muss denn ich, als Analphabet, das Wesen der Wirkung der Kunst nahebringen, das den Inhalt zwar transportiert, aber die Farben und die Emotionen und die Worte und die Klänge auf Schwingen in die Herzen trägt, und so diesen Rausch erzeugt, der uns erstarren und leben lässt. Und das mit dem Herzen ist nur ein Beispiel. Der Ebenen gibt es viele und es gibt nichts Tödlicheres, als ein Teil des Ganzen herauszunehmen und erklären zu wollen ... nur weil sie eben auf finnisch singt und das keiner versteht. Herrgott, das war der erste Todesstoss und der zweite kam, als sie Delphine Dora fragte, ob diese Lust hätte, mit ihr zusammen noch ein Stück zu improvisieren. Hatte sie vorher nicht zugehört? Das ist ja quasi, als hätte Da Vinci dem ersten Möchtegern, der vor seinem Haus rumlief, einen Pinsel in die Hand gedrückt, um bei seinem noch nicht fertig gestellten Werk mit Hand anzulegen. Eine unglaubliche Dummheit, die man ihr mal vor Augen halten müsste.
Meine Begleiterin stob angesichts dieser Ankündigung sofort nach draussen und ich bewunderte ihren Mut und träumte von Freiheit, einem neuen Bier, einer Zigarette. Tja, MEIN Problem.
So wurden wir alle Zeugnis einer nicht gewollten und unbeholfenen Zugabe. Lau Nau steckte Kabel und drehte Knöpfe. Was dabei aus den Lautsprechern knarzte, klang soweit gut. Delphine aber tippte dazu auf dem Klavier rum , wie eine unsensible Sekretärin auf der mechanischen Schreibmaschine und ... entdeckte in einem Moment unheilvoller Berufung, dass da noch das Mikrofon hingt, direkt vor ihrem Kopf. Da Lau Nau sehr gut singen kann, auch wenn sich das am Ende auf wenig mehr als tausend Mal gehörtes Mädchen-Gejammer beschränkte (nein, jetzt ist Schluss, es war eigentlich ziemlich gut), war ab diesem Moment klar, dass das Selbstbewusstsein von Delphine Dora unter Fehlschaltungen leidet. Ich fühlte mich gefangen und erniedrigt, meine Rezeptoren, mein Empfinden, meine Sinne wurden beleidigt und ich kann kaum glauben, dass ich der einzige im Raum war, dem das so ging.
Und doch erhoben wir am Ende unsere schreck-erstarrten Glieder und begannen in genauso fehlgeleiteter Höflichkeit zu klatschen, die DD nur zu weiteren Untaten anstiften wird. Quasi sind wir schuld daran, dass hunderte Menschen nach uns das gleiche Schicksal ereilen wird. Eine Unverantwortlichkeit, durch die ich sämtliche Achtung vor mir selbst verloren habe. Offensichtlich hab ich aber noch nie welche besessen, denn tatsächlich fühle ich nur eine leichte Reue, jetzt wo ich genauer drüber nachdenke. Zur Hölle mit mir! Wie kommt es eigentlich, dass jeder in diesem verfluchten Internet ablassen kann, was er will. Wie kommt es, dass Leute wie ich Konzerte besuchen dürfen? Brauchen wir hier nicht Regeln, die Leute wie mich einsperren, um Leute wie Delphine daran zu hindern, weitere Leute zu foltern?
Nein, denn Ihr nehmt mich hoffentlich nicht ernst, hehehe. 28 von 30 Leuten hat es an diesem Abend vielleicht gefallen. Ich hoffe auf 25.
(Ralf, 25.3.18)
Do. 08.03.18

Shoreline, Béatrice - Berlin, Schokoladen (ca. 50 Zuschauer)
Noch mal Béatrice (Foto). Is ja immer gut, ne Band mehrmals zu sehen, auch in so kurzer Zeit und mit veränderten räumlichen Gegebenheiten. Man kommt der Band und ihren Intentionen etwas näher und der Sound im Schokoladen ja immer auch schoko-like. Naja, manchmal ist ja auch ein schrottiger Sound besser und es gibt auch Bands, da fallen erst bei guten Bedingungen gewisse Schwierigkeiten auf. Nicht so bei Béatrice. Auch hier wieder ein bemerkenswert lockerer und trotz aller Ernsthaftigkeit vergnüglicher Auftritt.
Shoreline aus Münster danach ebenfalls mit was ich als Emo-Punk bezeichnen würde, allerdings im Gegensatz zu Béatrice ohne einen einzigen Hook, den man nicht genau an dieser Stelle erwartet hätte. Keine Note, keine Bewegung barg Überraschung und daher auch keine Inspiration. Radio-Musik.
(Ralf, 18.4.18)

Sa. 03.03.18 Quallus, Chambers, Béatrice, Kama - Berlin, Scharni 38 (ca. 50 Zuschauer)
Kama würde ich mal als modischen und melodischen Punk mit deutschen Texten über Hass und Nazis bezeichnen, vielleicht nicht mit kommerziellen Gedanken, aber dennoch gar nicht mein Ding.
Béatrice ist leidenschaftlicher Emo-Punk mit Kontergesang und viel musikalischer Komplexität. Vielleicht einen Tick ZU viel, denn manchmal holpert es ein wenig. Doch das wird mit einem Lachen quittiert. Eine verdammt lockere und sympathische Band aus Berlin.
Dann schwenkte der Abend über zum Metal. Hab mich da noch nicht so mit klargefunden, dass der Metal die Jugendhäuser, vorallem auch die selbstverwalteten, erobert, aber nachdem das vor 12-13 Jahren anfing, hat die ganze Szene entdeckt, dass der Weg zur grossen Bühne manchmal schwer ist und vielleicht ist es doch auch ganz cool, es mal wieder dem Punk nachzumachen und in den Keller zu gehen.
Chambers bezeichnen sich sogar als Punk, nämlich Dark Hardcore Punk, wo ich dann doch lachen muss, aber kein böses Lachen. Die sind wohl schon ok, aber das ist Dark und das ist Metal, Leute. Also wem die Decke fast zu niedrig ist, um seine Amps darin zu stapeln, wer breitbeinig mosht wie geisteskrank, wer seine Gitarren tiefer stimmt, wer langsamen mahlenden Doom mit weiblichen Schrei- bzw. Grunz-Vocals bringt, wer ist denn da nicht Metal? Die Einstellung mag ja Punk sein, Leute, aber es geht ja hier auch um Musik, hahaha.
Die bärtigen Kameraden mit Glatzen kommen natürlich aus Friedrichshain. Die sehen genauso aus, wie Nelson von Curlee Wurlee mein Gesicht mit Edding im Proberaum auf die Tafel gemalt hat, in der Voraussicht, dass ich bald so aussehen werde, wenn ich nach Berlin gehe, hahaha.
Quallus aus Leipzig, die denn als letzte antreten mussten und in sofern auch nur noch die Hälfte der Leute hatten, sind an der Stelle wenigstens ehrlich. Sludge Doom Metal. Das was die Melvins 86 angefangen haben, mit "Ozma". Das findet heute noch seine Erben in Bands wie Quallus und das ist total ok. Ich hab ihnen ne ganze Weile zugeschaut. Die grunzen zwar nur, aber das Drumming war schon extrem geil. Die Gitarren spielten quasi kaum. Nur mal hier, mal da nen Wechsel, und dann ewig stehen lassen. Mir hats gefallen, auch wenn ich mir zuhause dann doch Ozma auflegen würde. Wahrscheinlich gibts da ja auch noch viel andere Geschichte dazwischen. Und da sehe ich dann ja doch auch die Verbindung zum Punk. Ist ja nicht so, dass die ganzen Poser-Bands mit Kalendergirls im Spint jetzt in die besetzten Häuser drücken.
Schöner Abend, angenehme Location.
(Ralf, 18.4.18)
Fr. 23.02.18 Bobkat 65, The No-Counts - Berlin, Schokoladen (ca. 50 Zuschauer)
Wow, ich war spät dran und der Laden halbleer, dafür waren die No-Counts besser als ich sie je gesehen habe. Endlich knallt ihr Teen-Punk auf die eins und im Schokoladen ist der Sound ja ohnehin immer super. Perfekt!
Bobkat 65 haben ihre Schüchternheit noch nicht abgelegt. Bin mal gespannt, was passiert, wenn das passiert. Im Moment ziehen sie daraus ihren Charme. Doch auch die Songs sind super. Ihre besondere Stärke liegt in den sanfteren Momenten. Stärkste Nummer definitiv: "If You Want Me By Your Side".
(Ralf, 18.4.18)

Sa. 17.02.18

The Magnetix, Gym Tonic - Berlin, Urban Spree (ca. 80 Zuschauer)
Ich hatte mich sooo gefreut, die Magnetix mal wieder zu sehen. Ist schon ein paar Jahre her, aber in allerbester Erinnerung geblieben. Leider ist davon in 2018 nicht mehr viel übrig. Vielleicht hat an dem damaligen Abend einfach alles gestimmt, vielleicht sind aber auch 13 Jahre vergangen und die Magnetix schaffen es nicht wirklich sich zu erneuern oder weiter gute Songs zu schreiben. Kompositorisch war das extrem dünn. Ausser ein paar experimentelleren Passagen zwischendurch und zwei drei der kantigeren Songs gab es nichts Ansprechendes. Die meisten Riffs gingen da rein und da wieder raus, um das Geraunze am Gesang zu reproduzieren, hätte man jeden einzelnen im Saal auf die Bühne stellen können und das übertriebene Gehabe wirkte extrem bemüht und schwach. Das fühlte sich bei denen 2005 noch sehr natürlich an.
Jeder Künstler hat mal eine Phase, wo er eine Erschöpfung spürt, wo seine Kunst nicht mehr die ursprüngliche Kraft hat. Der eine kann sich neu erfinden oder nach einer Erfrischung, egal welcher Art, wieder mit voller Vitalität einsteigen ... und manche können das nicht oder wissen nicht wie. Alles hört sich gleich an, die Riffs, die Rhythmen, die Sprache, der Tonfall. Was jetzt?
Die Erneuerung von aussen zu suchen, bspw. über ein neues Effektgerät für die Gitarre oder in dem man versucht den eigenen Loops hinterherzuhetzen, die ein angereichertes Klangbild produzieren sollen ... das ist doch alles Quatsch. Das ist doch keine Erneuerung der Kunst. Die Kunst wohnt in einem drin und wenn die Kunst stimmt, dann ergibt sich die Technik dazu von selbst. Aber Du kannst nicht versuchen, mit Äusserem Deine innere Leere aufzufüllen. Das Publikum fühlt das.
Und das hat auch das Publikum an diesem Abend in Berlin gemerkt. Die Verzweiflung des Magnetix Gitarristen war so offensichtlich, dass man ihm gerne eine Suppe gekocht hätte (danke Antje für diesen Spruch, den ich immer wieder gerne verwenden möchte), hätte er sich nicht durch aggressive, überheblich wirkende Gesten und Sprüche selbst aus dem Saal getreten und so fielen unsere Münder wieder zu, die schon geöffnet waren um ihm Hilfe anzubieten und wir sahen ihn achselzuckend entschweben. Autokruxifizierung. Ein probates Mittel. Schade für den Moment, vielleicht wird es ja beim nächsten Mal wieder besser. Erneuerung braucht manchmal etwas Zeit. Ob ich dann wieder hingehen werde, ist allerdings leider fraglich.

Aber der Abend hatte davor ja noch eine Band zu bieten, die gerade brennt. Gym Tonic lieferten einen lebendigen Auftritt mit Inbrunst und Spielfreude ab, der ihrer geneigten Berliner Hörerschaft ebenso viel Spass machte. Daran tat auch der basseitig übersteuerte Sound keinen Abbruch. Als ich sie das erste Mal sah, waren die Gitarren nicht zu hören, weil der Synthie zu laut war. Dieses mal war es genau andersrum. Lässt sich nicht immer von aussen beantworten woran es lag. Ich hab im Urban Spree mehr Bands mit schlechtem als mit gutem Sound gehört, ABER: nicht alle!!! Es ist zu einfach, das nur auf den Raum und die Technik zu schieben.
(Ralf, 23.2.18)

Sa. 03.02.18 Bikini Jesus, Plattenbau - Berlin, Schokoladen (ca. 100 Zuschauer)
Dream Pop nennt man das heute, was Bikini Jesus machen. Das ist leider überhaupt nicht meins. Leise düstere klare Wavegitarren, mit Hall und Echo und den dazu passenden Basslinien kann ich noch hören sodenn sie eine gewisse Spannung haben. Alles andere ist für mich nur noch Langeweile. Keine Variation, auch nicht in der Atmosphäre. Es bleibt gleich tranig von Anfang bis Ende. Und diese Art von Frauengesang kommt aus einem Lager um das ich immer einen weiten Bogen gemacht habe. Ich mag dem jetzt wirklich nichts absprechen. Es gibt Schlimmeres. Bestimmt sind die total nett aber ihre Musik liegt mir gar nicht. Die Bezeichnung DreamPop gibt mir dabei den Rest. Ich weiss schon, dass die Bezeichnung Kickin Ass für unsere Herangehensweise nach jetzt schon über 20 Jahren auch nicht mehr ganz korrekt ist, aber Dream Pop und Kickin Ass ... das fällt ja wohl auf, dass wir die Beine nicht unter demselben Tisch haben.
Plattenbau davor waren erstmal durchaus passabel. Ich vernahm positive Kenntnis von subversiven Tönen in ihrem DAF-Aggro-Synthie-Style, aber wie die drauf sind, konnte ich leider nicht beurteilen, da ich zu wenig davon mitbekommen habe. Prinzipiell war ihr Auftreten eher ätzender Art. Aber das muss nichts heissen. Es gibt ätzend gut und ätzend ätzend. Müsste man noch mal sehen. Sorry fürs Zuspätkommen. Ich klage meine Fehlbarkeit an.
(Ralf, 23.2.18)

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