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Konzertbesprechungen 2018 |
1999 - 2000
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- 2017 - 2018 - Aktuell
A.R. Machines (Dortmund,
12.4.18) - Abstract Nympho (Berlin, 29.6.18) - The Act (Berlin,
10.11.18) - Ilan Amores (Köln,
11.6.18) - Jochen Arbeit (Berlin,
3.11.18) - Baby Jesus (Hamburg, 14.4.18)
- The Baron Four (Hamburg, 13.4.18)
- Beatrice (Berlin, 8.3.18, Berlin
3.3.18) - Bikini Jesus (Berlin, 3.2.18)
- Martin Bisi (Berlin,
3.11.18) - Blue Angel Lounge (Berlin,
24.11.18) - Bobcat65 (Berlin, 23.2.18) -
The Cavemen (Berlin, 5.10.18) - Chambers
(Berlin, 3.3.18) - Delphine Dora (Berlin,
24.3.18) - The Detroit Cobras (Berlin, 21.4.18) - The Embrooks (Hamburg, 14.4.18)
- The Frantic Five (Hamburg, 13.4.18)
- Garageville 2018 (Hamburg, Tag 1: 13.4.18,
Tag 2: 14.4.18) - The Gee Strings (Tübingen,
21.10.18) - Gewalt (Berlin,
23.11.18) - Derv Gordon (Berlin,
9.11.18) - Gym Tonic (Berlin,
17.2.18) - Kristof Hahn (Berlin, 3.11.18)
- Häxxan (Berlin, 23.11.18)
- Head (Berlin, 9.11.18)
- Jett Screams (Berlin, 5.10.18) - Kama (Berlin, 3.3.18) - Lau
Nau (Berlin, 24.3.18) - The Launderettes
(Hamburg, 13.4.18) - The Magnetix (Berlin,
17.2.18) - The No-Counts (Berlin,
13.10.18, Berlin, 23.2.18)
- Plattenbau (Berlin, 3.2.18) - Quallus
(Berlin, 3.3.18) - Risha (Berlin,
20.10.18) - The Royal Flares (Hamburg,
13.4.18) - The Scaners (Berlin,
9.11.18) - The Shadracks (Berlin,
1.11.18) - Shoreline (Berlin, 8.3.18)
- So What (Berlin,
9.11.18) - Spiriualized (Berlin,
23.11.18) - Strange Encounters (Berlin,
10.11.18) - Third Sound (Berlin,
23.11.18) - Trash Templars (Berlin,
7.12.18) - TV Crime (Köln, 30.8.18) - Underground Youth (Berlin,
23.11.18) - The
Walking Korpses (Berlin, 29.6.18) - Wild Billy Childish & CTMF (Berlin,
1.11.18) - Wild Evel & The Trashbones (Hamburg,
14.4.18) - Whiskey Daredevils (Berlin, 2.10.18) -
The Woggles (Hamburg, 14.4.18,
Berlin, 19.4.18) - The Wrong Society (Berlin, 13.10.18)
Sa.
07.12.18 |
The Trash Templars
- Berlin,
Phonoclub (40 Zuschauer)
Sie sind die jüngste unter den massgeblichen
60s-Garage-Acts in Deutschland zur Zeit,
Bielefelds Templer mit den Mülleimern auf
dem Kopf. Tatsächlich bersten sie vor
Schmiss und Laune, sind witzig, locker und
unverbindlich. Mit unverbindlich meine ich,
dass sie sich nicht dem Diktat der Hardliner
unterwerfen, das sagt, wie man zu sein hat,
wenn man wo dazugehört.
Und das ist gleichzeitig einer ihrer ganz
grossen Stärken. In Diva Duke-Thilo-Piepers Schule
wurden sie mit 60s Punk
infiziert, aber sie sind auch mit Grunge und
Schwedenrock gross geworden, was sie aber okay
verarbeiten und daher genehm
ist - und glaubt mir, auch meine Sinne sind geschärft
und die Augenschlitze fahren zusammen, wenn da was
nicht koscher ist, auch wenn ich bei weitem kein Hardliner
zu sein bemüht bin.
Die Covers sind immer noch zahlreich aber
bei denen geht irgendwie alles. Zudem haben
sie durchaus mehrere überraschende Hooks und
Wendungen in den Songs, die auch beim
Qualitätsgourmet die Alpha Amylase anwerfen.
Die Templars sind die Wohlfühltruppe in
unserem Sumpf und sie haben durchaus
Starqualitäten. Auf die müsste man fast
aufpassen, damit sie nicht durch die Decke
gehen. Bernd, einer meiner Begleiter sagte
schon, er würde sie mal gerne auf einer
grossen Bühne sehen, was auf mich überhaupt
nicht zutrifft, da ich nur wenig grössere
Bühnen als die im Phonoclub ertragen kann.
Im Hafenklang seinerzeit haben sie das
aber auch sehr gut gemacht. Meine
Begleiter waren auch seeeehr begeistert.
(Ralf, 18.12.18)
|
Fr.
23.11.18 und Sa. 24.11.18 |
Synästhesie IV Festival
- Berlin,
Kulturbrauerei - Kesselhaus (ca. 700
Zuschauer)
Tag 1: Auf zwei Bühnen breitete sich dieses Jahr
das Synästhesie Festival aus, das den
Krautrock der frühen 70er aufgreift und
aktuelle Bands zeigen möchte, die jenen
Geist und dessen Musik in sich tragen.
Zumindest dachte ich, hätte ich das wo
gelesen und finde die Idee natürlich
super. Dass, von den Bands, die wir sahen,
nur eine das in etwa erfüllen konnte (Camera),
störte mich ein wenig aber nicht total,
denn wir waren ja vorallem auch gekommen,
um
Spiritualized zu
sehen. Dass die meisten Bands aber stark
80er-wave-lastig waren, zog mich dann doch
ganz schön runter, denn da drauf stehe ich
überhaupt nicht. So breitete sich im Laufe der
beiden Tage vor allem Tristesse aus, denn die Bands,
die ich gut fand, konnte man an einer Hand abzählen.
Zu voll war's auch. Überall musste man sich
Rumquetschen und im oberen Raum kam man nicht mehr
rein, wenn man nicht schon das Ende der Band davor
geschickt abpasste und bereits Position bezog. Das
machte die Planung ziemlich unentspannt, dass man
hier mal spontan sein konnte, völlig undenkbar. Am
Bierstand gabs ziemliches Gedrängel, meist standen
auch die Leute im Weg rum und unterhielten sich
direkt 30 cm vom Tresen entfernt. Danke dafür. Im
Treppenhaus und dem Flur, wo man rauchen konnte,
fielen die ganze Zeit Gläser und Flaschen runter,
was so ein wenig die Coolness unterstreichen sollte.
Diese überhebliche rücksichtslose egoistische
Pseudo-Coolness einger Leute kenne ich von den
Konzerte auf denen ich sonst bin eigentlich eher
nicht. Und ich gehe weiss Gott nicht in die Oper.
Camera durfte ich zudem gleich mal
verpassen. Warum spielten die eigentlich so früh?
Und
Underground
Youth, die ich dann als erstes sah,
standen Pate
für die große Langeweile und
Eintönigkeit, die sich durch einige der
Bands des Festivals zog. Zwei Gitarren,
die sich gegenseitig mit Hall und Echo
überätherten, Bass und Schlagzeug hielten
den Krempel beisammen und bildeten
eigentlich eine Grundlage auf der man
aufbauen kann. Dazwischen die Monotonie
einer einzigen Männerstimme. Dieser New
Wave, der ganz leichte Velvets-Coolness
zitiert und sich daher Psychedelia nennt,
war die Blaupause fürs Festival, konnte
mich dann aber nur zwei oder drei Lieder
halten. Es fehlten vorallem mal gute
Songs. Das war nämlich das, was die
Velvets neben ihrer Coolness auch noch
hatten.
Die nächste Band The
Third Sound versprach
ein Gastspiel von Anton Newcombe, also
stellten wir uns brav in die von unten
schon hochgeströmte Meute. Es war supereng
und man konnte kaum atmen. Wo der erste
Song noch ganz interessant losging, indem
jeder Ton der Gitarren eiernd absackte,
was der Sache einen sehr degenerierten
Flair gab, fiel ich in das erste Loch als
der Sänger den Mund aufmachte und wir
feststellen mussten, dass der genau in die
selbe einsielbige Monotonie einstimmte, wie
den, den wir grade unten verlassen hatten.
Transusige Langweiligkeit, keine guten
Melodien, auch kaum zweiter Gesang, der
das Ganze etwas aufgelockert hätte. So
harrten wir Song für Song und es wurde
immer unerträglicher. Sie hatten auch
keinen guten Sound. Die Gitarren waberten
genauso undefiniert herum wie bei der
Untergrund Jugend. Das was irgendwie cool
sein soll ist einfach nur nervtötend.
Keine Emotion, das ist einfach nur
langsame Verwesung. Dazu das Gesicht des
Bassisten, der die Bedeutungslosigkeit des
Geschehens durch seine gelangweilte Mimik
perfekt unterstrich. Am Ende zwei etwas
bessere, längere Lieder, die vorallem
durch fast fehlenden Gesang glänzten. Und
wir fragten uns die ganze Zeit, wo den
Newcombe blieb. Unentschuldigten Fehlen
ohne Ankündigung. Ich hätte drei Bier mehr
trinken können und ein besseres
Gesamturteil abgegeben, wenn ich zu einem früheren
Zeitpunkt gegangen wäre und man mich
hiermit nicht beschissen hätte.
Wer spielte dann unten? Ich habs schon
vergessen und ich glaube, wir haben kaum
reingeschaut. Schon jetzt musste man wie
ein Fuchs das rechtzeitige Ankommen im
anderen Saal timen, um nicht auf eine Wand
von Menschen zu treffen, die nur mit
Gewalt gebrochen werden konnte, um noch
irgendwo einen Platz zu finden, wo etwas
Luft zum Stehen war.
Genau das war dann übrigens nötig, obwohl
wir uns nur kurz zum Rauchen und Meckern
zurückzogen und damit schon den Anfang von
Gewalt verpassten, die
schneller anfingen, als erlaubt. Schon von
draussen hörte man aber, dass die bislang
schlechte Soundqualität kein Fehl der
Technik war.
Die Berliner Band klang dann auch wie
ihr Name, nur dichter. Kein Hall mehr. Nur
noch Druck. Wir quetschten uns diesmal
unnachgiebig rein und fanden seitlich
vorne tatsächlich Platz, da alle ja immer
sofort stehen bleiben, wenn sie wo rein
gehen und dann gibt's Stau. Man konnte
sogar noch locker bis vor die Bühne.
Und jetzt kamen auch die Emotionen. Nach
dem Auftritt iim Schokoladen, wo ich sie
das erste Mal sah, haben sie die Bassistin
ersetzt und die ehemlige Gitarristin ist
auf deren Stelle gerückt. Sonst gleiches
Konzept, mittlerweile aber extrem gut
abgestimmt und eingespielt. Die werden
noch ganz schön Furore machen, wenn sie
wollen. Musikalisch ist es beim Big
Black/Fehlfarben-Dreieck geblieben (Dreieck?). Die
Kompositionen sind aber meist sehr sehr
gut. Super einfach auf den Punkt und die
Bassistin hält mit einer unfassbaren
Lockerheit die Atonalität der Gitarren
unter Kontrolle. Das war sehr
beeindruckend und der Hammer des Tages!
Soft Moon danach wieder New Wave.
Ahjee ... wir vertrotteten uns.
Tag 2:
Schon beim Ankommen zu Gym Tonic
quetschten sich die Leute aber wieder derart, dass
es nicht mit einem halbwegs sozialen Gewissen
vereinbar gewesen wäre, sich hier noch dazwischen zu
klemmen. Nicht, dass viele der Leute auf soziales
Verhalten Wert gelegt hätten, siehe Kommentar vom
ersten Tag.
Die Abstimmung zwischen den Bands oben, fand ich
sehr hart getaktet. Man hatte eigentlich keine
Verschnaufpause und überall war immer
Reingequetsche, Rumgequetschte, an die
Bar-Gequetsche, Wieder-weg-von-der-Bar-Gequetsche
und dann gleich wieder
Raus-oder-Rüber-Hoch-Runtergequetsche. Boah. Es
wurde so schlimm, dass ich am zweiten Tag fast nur
noch am Rauchen im Zwischenraum war und mit Lutz die
Taktik für Spiritualized entwarf.
Alles war an diesem Tag darauf ausgerichtet, das
Trauma, Spacemen 3 nie gesehen zu haben, zu
überwinden. Ich weiss noch wie heute, dass ich -
quasi noch ein Kind - mit meinem ersten Drummer im
Winter `87 nächstens durch Schnee und Wehen fuhr, um
in der Reutlinger Zelle diese Band zu sehen, doch
wehe ... kein Mensch da ... das Thekenpersonal frage
mich "Spaceman (sick!!!) was???". Und ein zwei Jahre
später ... im Longhorn ... da hatte ich's irgendwie
einfach nicht geschafft. Zudem stand die Aussicht auf
dem Programm, endlich mal Doggen live zu
sehen, den legendären langjährigen
Mitstreiter bei Pierce aber auch bei Julian
Cope.
Vor Pierce und Co war die
Blue Angel Lounge
dran, doch für mich hörte sich das wieder
total anders an, als einiges, was ich vorab gehört
hatte. Nicht psychedelisch sondern schon
wieder so scheisse-wavig. Das ist, als würde man
verschiedene Getränke probieren aber alle
haben den gleichen durchgängigen Beigeschmack von
ein und demselben, als würde der Barkeeper die
Gläser nicht gescheit ausspülen.
Mich störte schon, dass drei Musiker
anfingen, Atmosphäre aufzubauen und drei
andere irgendwann reinlatschten, ihre Jacken
auszogen und irgendwo hinwarfen (warum ziehen die
ihre Scheissjacken nicht hinter der Bühne aus?
Entweder sie tragen sie weil die dazugehören
oder sie lassen sie gleich zuhause, verdammt!) und der Sänger dabei fast den Bogen
des Cellisten umrannte ... obwohl sich hier
eine gute Chance geboten hätte, sich gemeinsam
einzustimmen und das eigene Intro
wertzuschätzen. Ich weiss nicht, warum die
Bands immer diesen Reihenfolgen-Kult
fröhnen. Warum geht denn der Chef nicht
vornedraus, wie es sich für einen Leader
gehört? Wo ist der Anstand? Wo kommt diese
eitle Gefeiertwerdenwollen-Scheisse
eigentlich her? Und dann fing der Sänger mit
seinem gutturalen Pathos an und ich wollte
nur noch weg! Was ist denn nur so
begehrenswert daran The Cure oder Joy
Division nachzumachen?
Wir sammelten uns dann rechtzeitig, gingen
alle noch ein nervöses Pipi machen und
drängelten und dann Platz an der Bar frei,
wo andauernd Leute den Weg blockierten, die gar nichts
bestellen wollten. Wir holten uns viel Bier,
stellten uns in die erste Reihe ... und
wurden für alles entschädigt.
Doggen direkt auf unserer Seite, so
nah vor uns, dass man
seine Nervosität spüren konnte. Seine
Gitarre war superlaut zu hören, fast etwas
zu laut von unserem Platz aus, doch jetzt
mussten wir da durch. Pierce nahm
direkt auf der anderen Seite Platz, naja,
die Band mit drei Sängerinnen, dem
langjährigen Drummer, einem mir nicht
bekannten Basser, den Keyboarder konnte ich
nicht sehen, ein zusätzlicher dritter
Gitarrist, der aber während des ganzen
Konzerts quasi nicht zu hören war und der
Großmeister der feinen Töne, wie gesagt,
ganz da, wo wir ihn haben wollten.
Sie spielten die ganzen Nummern des
aktuellen Albums und sonst auch eigentlich
nur ruhiges Zeug. Abwechslung fehlte ein
wenig, ansonsten war es höchst emotional,
voll feinster Details und sehr gefühlvoller
musikalischer Symmetrie. Alles! Alles da wo
es kommen musste. So meisterlich wie die
kunstvoll durchorchestrierten Songs.
Pierce latschte mit Sonnenbrille zum weissen Tshirt,
Jeans und Turnschuhen an. Der Junge hatte sich ja
quasi ins Grab gelebt und nach einigen längeren
Krankenhausaufenthalten, nun ein offensichtlich
gesundes Dasein gewählt, das uns diese neue Platte
und vielleicht noch ein paar mehr ermöglicht hat. Er
bleibt ein Held. Fehlt noch der Haken an Sonic Boom.
Das haben wir uns nach dem Konzert zur Aufgabe
gemacht! Mehr in diesem Forum! ABER halt! Als
unten alles irgendwie schon aufzubrechen gedachte,
rannte ich flott nach oben, denn ein
"Überraschungs-Act" wurde ausgerufen. Das waren
Häxxan aus Berlin und ich erinnerte
mich, sie vor den Gories gesehen und nicht geschätzt
zu haben. Das war heute anders. Die fahren schon nen
ganz eigenen Stiefel und ich frage mich, was wohl
ihre Wurzeln sind, aber was sie machen, machen sie
richtig gut. Die Jungs sind eigentlich aus Israel
und spielen eine Art Punk, keine gewöhnliche
allerdings. Sehr zappelig, mit Anleihen aus
unterschiedlichsten Stilen, aber gut ineinander
verkocht. Vom unattrativen Feeling her, würde ich
sie fast mit altem SST Kram vergleichen ... UND: Sie
brennen! Wenn ihr sie sehen wollt, seht sie euch
JETZT an!
(Ralf, 1.12.18)
|
Sa.
10.11.18 |
Strange Encounters,
The Act -
Berlin, Txxxr
(50 Zuschauer)
60s-beeinflusster Beat, Pop und Rock mit
zwei Berliner Bands, auf die ich sehr
gespannt war. Ich bin ja üblicherweise eher
den punkigeren Sachen verbunden (wobei Punk
für mich als Überbegriff für die Idee des
Subversiven steht und in jeder Stilrichtung
beheimatet sein kann), dennoch ein grosser
Liebhaber der Hippiemusik, sodenn sie nicht
allzu happy und glatt ist. Byrds, CSNY und
Co. stehen aber weit oben auf meiner
Playlist, so dass mir diese Veranstaltung
nach der Enttäuschung des Vortages einen
Abend ohne angestrengte
Hipsterpseudocoolness, in entspanntem
Ambiente mit schöner Musik versprach.
Das ist es dann auch geworden. Die Strange
Encounters scheinen die 60er mit
der Muttermilch bekommen zu haben. Dabei
decken sie den Ami-Psychedelic-Folk genauso
ab wie die britischen Modletten, ohne
allerdings deren wilden Ungezügeltheit.
Ich würde sagen ... Folk, gewürzt
mit etwas Psychedelic, gerne auch immer mal
wieder mit der Akkustigitarre. Dafür aber auch mal
ne rockige Small Faces Covernummer (Afterglow Of Your
Love) dazwischen, die mir übrigens besser gefiel als
das Original (so sehr ich SF auch mag und ich kenne
einige Leute, die mich ab sofort killen wollen, aber
Marriott war in Gestus und Gesang einfach immer "eins
drüber" ... if you know what I mean. So, jetzt ist es
raus und ich kann wieder befreit auf die Strasse.
Zurück zu den Strange Encounters:
Zuallererst ist natürlich der phantastische
zweistimmige Gesang hervorzuheben, der die
Kompositionen massgeblich prägt, die sich
eines aussergewöhnlich reichen
Harmoniespektrums bedienen, das die beiden
Gitarren und vorallem auch den Bass explizit
einbezieht, was ja wirklich nicht viele
Bands machen. Zudem sind sie auch was fürs
Auge und zwar alle vier. Für mich der
heimliche Star ganz klar der Drummer. Nicht
nur, dass er durch sein emotionales Spiel
einen ausgezeichneten Beitrag zum Gelingen
der Songs beiträgt, ist er auch der
Klassenpunk der Truppe und seine wilde
Theatralik scheint eher von Temperament und
Begeisterung angezündet und ist daher
tausendmal angenehmer als das
selbstverliebte angeberische Gebahren des
Drummers vom Vortag.
Damit ist er seinen Kollegen an der Gitarre
auch noch etwas voraus, denn diese sind doch
sehr verhalten und vorwiegend den Harmonien
gewogen. Ausbrüche gibt es leider keine und wer
Kickin Ass ein wenig verfolgt, weiss wie sehr ich sie
liebe.
Die hatten wir dafür bei The Act,
deren Stärke, so widersprüchlich es auch
klingen mag, das Unvermögen der Gitarristen
ist. Für mich ist es immer wieder einen
Augenweide, wenn ich einen Gitarristen sehe,
der ganz viel mit nur einem Finger spielt.
Auch die Gesänge entarten gerne mal in pures
Geschrei. Sehr kantig, eigenwillig und am
Rande der Kontrolle, nur durch die gute
Arbeit von Drums und Bass im Zaum gehalten.
Besonders gefallen hat mir auch die völlig
unverstellte, sympathische Begeisterung der
Akteure. Die wissen auch wo sie stehen und
das kann man ja wirklich nicht von jedem
Menschen behaupten, der sich auf einen Bühne
stellt. Ich mag The Act.
(Ralf, 14.11.18)
|
Fr.
09.11.18 |
Poor And Weird Festival
-
Berlin, Cassiopeia
(200 Zuschauer)
Poor And Weird, das Festival mit dem besten
Namen aller Zeiten hat sich dem Punk (als er
noch Punk war) verschrieben. 6 Bands, Start
um 19:30 Uhr. Das war für mich an diesem Tag
nicht zu schaffen. Da ich selbst erst um 9
zuhause ankam, schaffte ich es nicht vor 10
Uhr dort zu sein und dann passierte, was
passieren musste. Die
Scaners,
die Band No. 1 des Abends auf meiner
Deswegen-gehe-ich-hin-Liste schaffte gerade
verschwitzt ihren Krempel von der Bühne runter. Arrgh!
Die Quittung für meine Arroganz, die ja besonders weh
tut, wenn sie einem selbst in den Hintern beisst.
Keine drei Tage zuvor (gerade in Köln weilend) lehnte
ich noch missfällig ab als Bernadette mich fragte, ob
ich mit zu den Scaners nach Essen fahren möchte.
"ESSEN?" dachte ich, in der Hochnäsigkeit, des
Na-wenn-du's nötig-hast-Arschlochs, "die seh ich am
Wochenende vor der Haustür. Warum sollte ich heute
nach Essen fahren?" Und was lernen wir aus der
Geschichte? Leute, wenn ihr euch eine Band ansehen
könnt, dann seht euch eine Band an ... und lasst euch
keine Gelegenheit raus gehen, wenn es nicht unbedingt
sein muss!!!
In der Riege der Bands mit den schlechtesten Namen
durften wir an diesem Abend gleich zwei hochrangige
Vertreter in der Cassiodingsda begrüssen, allen voran
Head, eine legendäre
Band aus Seattle. Ihre Stärke ist ihr Ramones-Humor
an Stelle 1 und ihre Ramones-Musik an Stelle 2. Wie sagte
einer beim Rauchen vor der Tür? "Der Sänger
hat früher auf dem Schulhof bestimmt ne
Menge Keile bekommen". Das ist zumindest ihr
Image und so sehen sie auch heute noch aus.
Die Ousider auf dem Schulhof, diejenigen,
die beim Sport immer als letzte gewählt
werden, die Verlierer, die Guten. Mein
Lieblingssong: "Although I'm 35 Years Older
Than You", hahaha. Sie haben ab den frühen
90ern eine Handvoll Singles und zwei LPs im
Abstand von fast 10 Jahren veröffentlicht
und bewegen sich auf einer strikten
Dreiakkorde-No-Solos-kein-Song-über-2-Minuten-Schiene,
was ja nicht hoch genug wertzuschätzen ist.
Schön und gut, aber leider nur auf dem Papier. Irgendwie langweilig und ohne
Druck. Das Verlierertum lässt auch ihre Show
ein wenig zerfallen. Da gibt es keine
Energie, keine Ausstrahlung. Es tut etwas
weh, sie zu sehen.
So What aus Oakland mit
wesentlich mehr Kraft und einem sehr guten
Sänger. Wo man das jetzt musikalisch
einordnen soll, ist schwierig. Power-Pop,
wie auf dem Etikett stand, hab ich anders im
Ohr. Da ist viel mehr Roots-Musik drin,
Soul, Blues aber natürlich auch Punk,
vorallem über den stets
aggressiv-emotionalen Gesang. Die kaum
verzerrtem SG-Gitarren klangen sehr
merkwürdig aber der Basser und Drummer waren
supergut. Zunächst fand ich die auch fürs
Auge wirklich eher schwer goutierbar, doch
nach ner Weile hatte die über ihre
Leidenschaft mein Herz und damit auch mein
Auge gewonnen, auch wenn der Drummer mit
seinem Overacting eher ein Wegschauer war.
Musikalisch wirklich nicht mein Ding, aber
die brachten die Sache wirklich ins Rollen
und am Ende war ich fast begeistert.
Sie waren dann auch die Backing Band für Derv
Gordon, Sänger der legendären 60s
Band
The Equals. Da waren die Leute dann
auch foxy am Start. Kaum mehr ein Reinkommen
möglich, da auch im Kellerraum des
Kassiopeia erstmal eine Flaschenhals-Ecke, in der
immer die Leute stecken bleiben, zu bewältigen
ist, bevor man richtig in den Raum reinkommt. Es
interessierte mich aber auch nicht mehr, ob
weiter hinten noch Platz war, da mir eine
halbe Stunde von einem bequemeren Platz in
der Nähe der Tür und mit direktem Zugang zu
alkoholisierten Getränken reichte.
Schade. Schlechtes Timing für mich heute.
Mir ist das Kassiopeia aber auch kein
besonders feiner Laden. Je länger es ging,
desto mehr musste ich zum Rauchen hoch und
desto schlimmer wurde die Disco im oberen
Teil. So wurde am Ende eine Band zum Gewinner des
Abends, die ich mir unter anderen Umständen nicht
angesehen hätte. (Ralf, 23.3.19)
|
Sa.
03.11.18 |
Martin Bisi,
Jochen Arbeit,
Kristof Hahn (Foto) -
Berlin, Schokoladen
(ca. 100
Zuschauer) Martin Bisi ist der Eigner des
berühmrten BC Studios in New York, der mehr oder
weniger zufällig zu der Ehre kam, ne Menge tolle
Sachen aufzunehmen, bspw. Sonic Youth. Bisi hat auch
immer selber Musik gemacht und ist heuer mit neuer
Platte unterwegs gewesen. Mir gefällt ja seine
schüchterne Art. Der ist der totale Anti-Rockstar und
zwar nicht aus Attitüde, wie das heute ja wieder mal
gerade schick ist, sondern er is halt so, er kann
nicht anders. Aber, selbst wenn man bedenkt, dass
ich wenig goutierbare Musik schon mal vom Grundsatz
her eine ansprechende Idee finde, gerne ein Ohr dafür
gebe und ja auch einiges gewöhnt bin - bei Martin Bisi
hab ich mich selber gekrümmt und nach dem Ende
gesehnt. Dass die Musik jegliche Klischees sprengte,
ist ja noch ok, dass das kalkulierte Chaos zwar tief
im Noise stand auch, dass es aber eigentlich näher
denn erwartet am Free-Jazz oder Heavy-Prog-Rock
verweilt, dann aber doch nicht. Bisi live zu sehen,
tut fast weh. Er ist definitiv niemand, der auf eine
Bühne gehört und das ständige Drehen an irgendwelchen
Geräten wirkte weder attraktiv noch waren die
Resultate wirklich hörbar (ich denke dabei bspw daran,
dass er mehrmals versuchte, direkt etwas vom Drum
aufzunehmen und vermutlich irgendwie zu loopen, was aber im Soundgewitter überhaupt nicht
auszumachen und insofern völlig zwecklos war). Das
Ausbreiten seines Schweißrands auf dem Hemd zu
beobachten war allerdings dann doch nicht
uninteressant. Jochen Arbeit mit
den beiden Cellistinnen
Martina Bertoni und
Munsha
sowie dem verrückten Bassisten Hopek Quirin,
der schon seit den frühen 80ern bspw. in Bands wie Die
Ich's auf sich aufmerksam machte - bei denen auch ein
Arbeit seine ersten genial
dilettantischen Schritte unternahm. Das Quartett
begeisterte mich leider wenig. Man kann sich das
eigentlich auch ohne es zu hören sehr gut vorstellen,
wenn man die Beschreibungen der einzelnen Künstler
liest, wie sie bspw. bei Arbeits Initiative
Soundscapes beschrieben werden. Da werden
Klangwelten abseits des ursprünglichen Territoriums
erforscht, mit Recordings, Beats und Noise vermischt,
auseinandergenommen und wieder neu zusammengesetzt und
komplexe Soundscapes erschaffen. Aha! Viermal
komplexe Klanglandschaften, jeder für sich und dann
doch wieder zusammengesetzt. Genauso klingt das dann
auch. Ein wenig differenzierbares Irgendwas an
Geräuschen, das frei improvisiert vor sich hin wabert.
Das geht so eine halbe Stunde. Am Ende schwillt es
etwas an. Aber emotional ist es leer. Und genauso kam
es bei mir leider an, was ich wirklich schrecklich
traurig fand, da ich sehr sehr gespannt auf dieses
Konzert war. Dafür konnte Kristof Hahn
den Abend bereits als Opener retten. Erstens mit
seiner sympathischen nahbaren Art, was ich als
Mitglied der raubeinigen New Yorker Swans nicht von
ihm erwartet hätte. Die Swans waren durch die 80er
eine meiner ganz großen Lieblingsbands und ich werde
das erste Konzert, auf dem ich sie im Stuttgarter Maxim
sah, niemals vergessen. Es waren etwa 20 oder 30 Leute
da und am Eingang wurden Ohrschützer verteilt und
jedem einzelnen Gast persönlich gesagt, dass der
Veranstalter keine Haftung für Hörschäden übernehmen
würde. Es war die Phase der Live LP "Public Castration
is a Good Idea" mit zwei Schlagzeugern. Die PA im
Maxim ging fast bis unter die Decke, wurde also für
die Swans sicher um mindestens das Doppelte
aufgestockt. Vorne im Moshpit standen vielleicht 3
oder 4 Leute. Ich traute mich erst im letzten Drittel
nach vorne. Der Schalldruck war so enorm, dass meine
Hose an den Beinen flatterte als würde ich gegen eine
Bö laufen. Man musste sich fast ein wenig dagegen
lehnen. Kristof ist seit der Spätphase ab 2009 oder
so dabei, meine ich und tatsächlich haben die Swans
seitdem auch wiirklich gute Arbeit geleistet. Es
ging los mit seiner Pedal Steel Guitar, die auch bei
den Swans gerne zum Einsatz kommt. Die meisten Songs
spielte er allerdings mit Gitarre und sein einziger
Begleiter spielte Fagott! Und wie! Die Kombination ist
ungesehen und ziemlich irre. Sie beschränkten sich
auch nicht auf Improvisation sondern alle
Lieder waren durchkomponiert, oft auch mit Text und,
auch wenn diese ein- oder zweimal sogar in ein
bluesiges Schema verfielen, so brachen sie plötzlich
wieder in ein kompositorisches Scharmützel aus, das
uns
staunen machte. Bester Act des Abends! Den Umstand
bedenkend, dass Konzete im Schokoladen um 20h losgehen
müssen, durfte man während des Konzerts der beiden
jede Menge neuankommende Gäste beobachten, die sich
auf alle möglichen Arten versuchten, vor der Bühne
vorbeizudrücken, bspw. auf den Knien. Trotzdem fand
ich am Ende interessant, dass überraschend viele
Zuhörer, gerne auch mal direkt neben mir, in
unverschämter Lautstärke ihre Alltäglichkeiten
austauschten. Gerade während der eher leisen
Performance von Jochen Arbeits Quartett empfand ich
das als wirklich als beschämend. Glücklicherweise ist
das Publikum im Schokoladen sonst tatsächlich ziemlich
schokoladig und weiss zu schätzen, was hier für sie
getan wird. (Ralf, 6.2.19)
|
Do.
01.11.18 |
Wild Billy Childish &
CTMF,
The Shadracks - Berlin, Lido
(ca. 500 Zuschauer)
Er ist der Gottvater des Garage der
Neuzeit. In den 70ern direkt in die
Punkszene eingestiegen, blieb er dennoch
vorwiegend dem schwarzen Blues und dem
wilden Früh- bis Mittsechzier-Sound
verbunden und wurde damit zur Stil-Ikone
und obwohl er viel kopierte, blieb er
selbst immer völlig unkopierbar. Wieviele
Platten er mit seinen vielen Bands
rausgebracht hat, dürfen die
Statistik-Fans aufzählen. Es sind
hunderte. Den gleichen Output
hat er auch als Maler, wo er sich
mittlerweile einen grösseren Ruf, wenn
auch in anderen Kreisen, erarbeitet hat. Da
eine neue Ausstellung in einer Galerie in
der Stadt stattfand, wurde auch ein
Konzert organisiert, was uns total
entrückte und panisch Karten einkaufen
liess. Der Laden war denn auch brechend voll.
Die meisten der Kids, schätze ich mal, hatten
Childish noch nie live erlebt, denn seit einigen
Jahren sind seine Liveauftritte wird sehr rar
geworden. Als grummliger aber gerechter
Miesepeter bekannt, bewahrt er wie kein anderer
seine Integrität und alle Idioten, die es sich
gerade zur Mode gemacht haben, mit dem
Authentizitäts-Etikett zu wedeln, tritt ein Billy
Childish wild und wiederholt in den Allerwertesten.
Er ist und bleibt er selbst und lässt sich von
niemandem gerne vor den Karren spannen, weder damit
die Reichen sich cooler machen können (J. White, K.
Minogue, etc.), noch damit die Armen auf sein
Trittbrett aufspringen können. Alle bekommen die
gleiche Sense. Billies aktuelle Kombo nennt sich
CTMF und besteht aus seiner Frau Julie und Drummer
Wolf Howard, der bereits so mancher Garage-Band
diente, davon auch in mehreren Childish
Inkarnationen und mit dem Meister die
Künstler-Gemeinschaft The Stuckists aus der Traufe
hob. Kauz der er ist, wunderte es schon fast,
dass er sich von seiner gut gelaunten Seite zeigte
und schalldend lachte, wenn seine Kumpanen die
Einsätze verpassten. Es gibt vermutlich wenig, das
als Gesamtwerk, als Mensch, als Musik, Ausdruck,
Gedanken und Handlung mehr Punk ist als Wild Billy
Childish. Und das ist mittlerweile auch beim
25-jährigen-Mittelklasse-Punk angekommen. Das
Konzert war der Hammer! Auch die
Shadracks kommen aus der selben Tüte, ist
doch der Hosenmatz des Chefs mit dabei und weil
gerade so ein Gedränge herrschte und uns einige
schon kopfschüttelnd entgegen kamen, besorgten wir
uns die ersten Biere am Schnellausschank und
rauchten ein paar Stengel, denn das Lido ist halt
mal wieder eines jener ungeliebten Establissements,
wo man diesbezüglich verbannt wird. Sorry,
Shardracks. (Ralf, 15.5.19)
|
So.
21.10.18 |
The Gee Strings
- Tübingen, Münzgasse
(ca. 70 Zuschauer)
Ordentlich was los hier an einem Sonntag
mitten im Jahr in der Münzgasse.
Heuer können die Gee Strings auch ihre ganze
Klasse auffahren ... nicht, wie zuletzt in
Berlin, wo der Sound sich andauernd
veränderte, was wirklich für Band und
Publikum extrem irritierend war. Es fühlt
sich heute so an als hätten die eben noch
mal 15 neue Songs geschrieben.
Das grösste Manko von zeitgenössischen
Punkbands ganz allgemein ist in meinen Augen
die fehlende Variation im Tempo. Manchmal
fühlt sich das so an, wie die Wasserfolter.
Nicht so die Gee Strings. Hier gibt es eine
ganz feine Variationspalette an Tempi und
schon alleine das sorgt für viel
Abwechslung. Doch auch die Akkordfolgen sind
sehr aufwändig, was man im Fluß des Songs
aber nur merkt, wenn man genau hinhört.
Diese Kunst, so wenig Abwechslung wie nötig
einzubringen, aber genug, dass einem nicht
langweilig wird, beherrschen die Gee Strings
mit hohem Feingefühl. Dazu haben sie ne
Menge Pfiff und Leichtigkeit. Es wirkt, als
würden sie alles eben mal so aus dem Ärmel
schütteln und das geht nur mit ner Menge
handwerklicher Qualität ...f und einer
Sängerin wie Ingi, die mit ihrer lockeren
Art die Meute mobilisiert und das Geschehen
im Raum kontrolliert. Da gibt es keine
peinlichen Momente. Sie weiss ihr Publikum
zu nehmen.
Und wenn wir über den Gesang reden, reden
wir natürlich auch über das was diesem
Magazin gefällt. Punky klassisch, mit
rotzigem Männerchor -> so wie es sich
gehört. Und wir lernen mal wieder, was es
bedeutet, eine Band am richtigen Tag am
richtigen Platz zu sehen. Und da kann ein
Sonntagabend in Tübingen durchaus Ungeahntes
bewirken.
(Ralf, 24.10.18)
|
Sa.
20.10.18 |
Risha
- Berlin,
Lido (ca. 300 Zuschauer)
... und da verschwand er im Soundgewitter
...
Die Rede ist von David Eugene Edwards, einer
der wenigen wirklichen Rockstars der
heutigen Alternative-Musikszene. Während
unser Begleiter Heinz (Namen wurden nicht
von der Redaktion gefälscht) meinte, das
wäre ja schon fast Gruft und die sähen aus
wie Fields of the Nephilim, empfand ich das
natürlich gar nicht so. Wer will schon auf
einem Konzert sein, wo Leute auf der Bühne
stehen, die aussehen wie Fields of the
Nephilim und dazu noch Gruft-Musik machen.
Düster war Edwards schon immer und so ist
das natürlich auch sein neustes Projekt, mit
dem allerliebsten Alex Hacke von den
Neubauten. Eine logische Folge, haben sie
doch schon für einen Soundtrack zusammen
gearbeitet, genauso wie bei der ins Klo
gegangenen Reunion der Crime And The City
Solution.
Da Edwards seit mehr als 15 Jahren in der
Schaffenskrise steckt und Hacke ein wirklich
logischer Partner ist, stellt sich mir
eigentlich nur die Frage, warum sie solange
damit gewartet haben.
Grosses habe ich nicht erwartet und genauso
ists gekommen. Edwards, der schon mit Woven
Hand viele Klangkollagen eingefügt hat, hat
diesen Teil diesmal outgesourced. Hacke
macht sowas gerne und gut, trifft meistens
Edwards Sinn für mahlende, jammernde,
orientalisch, indianisch vermischte
Ethnoklänge. Da hatten wir dann auch die
besten Momente. Manchmal ist er dann aber
einfach nicht mehr zu bremsen und lässt ein
Disco-Drums-Gewitter los, dass man fast
anfängt die versteckte Kamera zu suchen.
Und nach dem eher verhaltenen Anfang wurde
das immer doller, so dass Edwards im letzten
Drittel des Konzerts quasi verschwindet. Ist
er anfangs noch der totale Blickfang (und
ich steh einfach total auf diese irre
Gestik, diese Göttlichkeit, mit der er fast
schon über uns thront) und proklamiert seine
Klagen an die Rückwand des Lido, so werden
Hackes Discoattacken immer wilder und walzen
den armen Gott ins Dunkel. Irgendwann fällt
mir auf, dass er sogar ein paar Schritte aus
dem Licht gegangen ist und sprichwörtlich im
Schatten steht.
Bei der Zugabe bin ich dann kurz davor sogar
wütend zu werden, als wir fast beim
Ambient-Techno ankommen. Gut, dass sie mit
dem letzten Stück, dem besten des Abends,
wieder alles gerettet haben. Hacke zurück
zur Einfühlsamkeit, Edwards wird wieder
Edwards pur, dann ganz ohne Gitarre, aber
mit wundervollem Handfächeln und
grossartigem Gesang. Ich mag die beiden
einfach, egal was sie machen. Auch wenn ich
mal wütend mit ihnen werde.
Wie toll wäre das gewesen, hätten sie einen
Percussionisten dabei gehabt, der mal ein
richtiges Drumset bedient und mal in seinen
afrikanischen Trommeln rührt. Und noch einen
Multiinstrumentalisten, der hier eine Flöte,
da ein Krummhorn, was auch immer auspackt.
Dann hätte Hacke auch ein ehrenwertes
Instrument zur Hand nehmen können, denn was
der da macht, das kann ich gar nicht mehr
beurteilen. Kann man dazu musizieren sagen?
Knöpfe drücken? Wieviel davon ist noch
handgesteuert? Das obligatorische Laptop auf
einer Bühne, kann ich nicht weit genug in
die Hölle wünschen. Nein, was ich mir
wirklich wünsche, ist dass dieser digitale
Wahnsinn endlich aufhört. Ich habe Charles
Mansons Satz heuer jeden Nacht vor dem
Einschlafen in meinen Ohren: "Go back to the
horse!"
(Ralf, 21.10.18)
|
Sa.
13.10.18 |
The Wrong Society,
The No-Counts
- Berlin,
PhonoClub (ca. 100 Zuschauer)
Wenn sie nicht die unschuldigsten Menschen
wären, die ich kenne, würde ich ihnen ein
cleveres Konzept unterstellen. Denn wenn
sich vier Herren mittleren Alters mit
griesgrämigen Gesichtern auf eine Bühne
stellen und in der Ich-Form Lieder darüber
singen, wie ihnen von den Schulmädchen
eine Klasse über ihnen, "die nur schwarz
aber niemals ein Lächeln tragen" in allen
vorstellbaren Varianten das Herz
herausgerissen wird, dann machen sie sich
per se schon unangreifbar.
Wenn sie sich dann noch "The Wrong
Society" nennen und ihre erste
Single "Hey Hey Hate", dann ist bereits
bei weitem übertroffen was man von einem
Künstler als Gesamtwerk überhaupt erwarten
darf. Alleine das Cover
dürft Ihr Euch gerne noch mal zu Gemüte
führen, um nur den Hauch einer Vorstellung
zu bekommen, was Euch entgeht, wenn ihr
dieses Meisterwerk nicht auf Euren Altar
nagelt.
Wenn man noch berücksichtigt, dass Kai
Becker bereits zu prä-Wrong Society Zeiten
mit seinen Flashjunkies einen Song namens
"Durch die Tür" aufgenommen hat, ein
unfassbares Stück deutscher
Musikgeschichte, das ich mir wenigstens
einmal die Woche anhöre, dann würde man
ihnen zweifelsohne gestatten, sich jetzt
schon zur Ruhe zu setzen. Aber nein, nicht
so unsere Hamburger Jungs: Mit akribischem
Feingefühl servieren sie uns eine Platte
nach der anderen und sinken dabei nicht
einen Millimeter auf der selbstaufgelegten
Qualitätsskala.
Nun kamen sie am heutigen Abend durchaus
abgekämpft zur letzten Show einer
einwöchigen Tour in Berlin an. Akustik und
Technik im PhonoClub sind zudem nicht
wirklich geeignet, um die Soundqualität
angemessen zu zerstören. Ein mehrfaches
Störfeuer also, das unsere tapferen Helden
vor unmenschliche Prüfungen stellen
wollte. So war der Sound etwas
zurückhaltend, etwas Hall für den Gesang
wäre hilfreich gewesen, um die
Ungerechtigkeit dieser Welt vernünftiger
in den verhangenen Himmel zu klagen. Wobei
darüber hinaus nicht unerwähnt bleiben
sollte, dass der neue Bassist Jörg, der
auch bei den Vice Royce den Viersaiter
zupft, zwar eine Besetzung ist, die die
Wrong Society in ihrer Erscheinung
vollkommen macht, doch als Sänger kann er
seinen Vorgänger zum heutigen Zeitpunkt
nicht ganz ersetzen.
Aber wenn man dann beobachtet, wie sie
zwei drei Songs brauchen, um sich ein
wenig mit der Situation vertraut zu
machen, dass sie auf einer Bühne stehen -
und sie sehen eigentlich immer so aus, als
würden sie sich auf der Bühne extrem
unwohl fühlen, was meine Sympathie für sie
fast schon unerträglich macht, denn, auch
wenn sie phantastisch aussehen, sie wissen
es nicht!!!! - also, wenn sie sich dann
nach zwei drei Songs damit abgefunden
haben, dann fallen sie in ihre wunderbare
Musik und nehmen uns mit in das
entsetzliche Drama der vollkommenen
Nichterfüllung. Alles darum herum
verschwindet. Und dazu gehört eben auch,
dass man sich von irgendwelchen
Vorstellungen löst, wie ein
masstabsgetreues Konzert zu klingen und
abzulaufen hat. The Wrong Society steht
jenseits alberner Gesetze. Erscheinung,
Auftreten, Songs und Klang sind stets von
erhaben perfekter Unperfektion. Es ist der
Wahnsinn und da lasse ich nicht mit mir
diskutieren: The Wrong Society can never
fail!
Auch diesmal hat sich die
Topveranstalterin Pleasure Seekers Club
das Package mit den No-Counts
ausgedacht und das ist natürlich als
Gesamtwerk völlig unschlagbar. Diese
Miesniks stehen an der Spitze der
Unterhaltsamkeitsverweigerung, was
natürlich genau in die andere Richtung
ausschlägt. Je muffliger sie werden, desto
sensationeller sind sie. Auch bei ihnen
hätte mehr Keller im Klang jegliche
Unzulänglichkeiten ins rechte Bild
gesetzt. Selbstverständlich liessen sie
sich aber nicht im Geringsten davon
abhalten, allen Nichtanwesenden das
tatsächliche Wesen des Punks zu zeigen.
Besseren Teenpunk als von diesen beiden
Bands bekommst Du heute nirgends und eines
der Geheimrezepte liegt in der Abwesenheit
jeglicher Gedanken an Gefälligkeit und
Gefallenwollens. Hier gibt es kein Kalkül,
keine Schuld, kein Wollen. Es gibt nur die
Tat. Unfehlbar in ihrer unspektakulären
Sensation. Ich würde gerne jedem Kind das
eine Gitarre in die Hand nimmt, diese
Bands als Vorbilder empfehlen. Nicht zum
Nachmachen, nur als Inspiration. Nur ein
Hauch davon würde die Musikszene
vollkommen auf den Kopf stellen und wieder
Dinge möglich machen, die seit fast 30
Jahren total stagnieren.
(Ralf, 14.10.18)
|
Fr.
05.10.18 |
The Cavemen, Jett Screams -
Berlin,
Tief (ca. 100 Zuschauer)
ENDLICH!! EEEEENDLICH wieder mal eine
richtige und wilde Punkband. Die Cavemen aus
Neuseeland bekamen über die Werbetrommel der
Dirty Water Records schon ordentlich
Lorbeeren vorgeschossen und sie konnten die
Erwartungen erfüllen. Rasende Gitarrenriffs,
die Drums mit tief durchgetretenem Gaspedal,
der Sänger mit wohltuend angerotzter Kehle
und dazu wildes Acting und ... ja ... es ist
halt doch wichtig: Gutes Aussehen.
Die stilistische Direktheit und
Geradlinigkeit ist eine Wohltat in der
heutigen Ziellosigkeit vieler Interpreten
des sogenannten Underground, der aber seit
25 Jahren an seiner Erfolgsstory krankt.
Dieser Traurigkeit trotzend trieben mir die
Cavemen soviel gute Laune ins Genick, dass
ich mich fast schon umdrehen wollte, um zu
prüfen, ob das hoffentlich niemandem
auffiel.
Sie sind jung und haben jede Menge Energie,
das sie in einem über einstündigen Set
bewiesen, in einer mumpfigen Raucherhöhle,
deren Decke gerade mal knapp über zwei Meter
hoch ist. Wahnsinn und alle Glückwünsche!
Stay wild, Punks!
Jett Screams hängen leider eher dem eben
erwähnten Identifikationsproblem an. Eine
sehr talentierte Band, die sich was traut,
was gleichzeitig ihre grösste Stärke ist.
Sie trauen sie nämlich nicht
zu gefallen. Ansonsten ist mir das zu
Kuddelmuddel zwischen Surf, Rock, Punk,
Metal, doch dazu noch in vielen fein
differenzierten Ausprägungen. Ich mag solche
Cocktails nicht. Aber sie hatten ein paar
super Songs dabei!!
(Ralf, 14.01.18)
|
Di.
02.10.18 |
Whiskey Daredevils
- Berlin,
Wild At Heart (40
Zuschauer)
Cowboy Punk aus Cowboy Land. Die echte
Nummer. Eine langgediente und bewährte Band.
Sehr unterhaltsam, wenn man auf Cowboy Punk
steht. Leider trifft das wohl nicht mehr auf
viele Menschen zu, zumindest nicht in
Berlin, zumindest nicht an diesem Abend. So
kam wenig Begeisterung auf, weder beim
Publikum, noch bei der Band.
Sie waren wohl etwas (gelinde gesagt)
enttäuscht, dass sowenig Leute da waren und
die, die da waren, auch nicht komplett
ausgerastet sind, ABER: Eins bedingt das
andere und ich war immer schon der Meinung,
dass man sein Befremden über diejenigen, die
nicht gekommen sind, nicht denen vorwerfen
sollte, die da sind. Und die fehlende gute
Stimmung dem Publikum vorzuwerfen, ist pure
Überheblichkeit. Hätte ich so von denen echt
nicht gedacht. Und dass der Gitarrist noch
von einem abgekrachten Schlagzeugstock
"durchbohrt" wurde, trug nicht zur Rettung
des Abends bei. Es war, wie Antje, die
Tourbegleiterin hinterher meinte: "Heute ist
der Wurm drin."
(Ralf, 21.10.18)
|
Do.
30.08.18 |
TV Crime
- Köln, Sonic Ballroom
(ca. 40 Zuschauer)
Man kann sich ja eine Band nicht so
hinwünschen, wie man das gerne hätte. Zu
Dali hat auch niemand gesagt, dass er mehr
grün und viel romantischer malen sollte?
So was geht nicht. Die Kunst lebt nur
dadurch, dass sie sich von den Bedürfnissen
ihrer Konsumenten löst. Bands, die spielen,
was die Leute hören wollen, sind
künstlerisch tot.
TV Crime aus Nottingham sind ein flotter
Vierer mit Punk, der Einflüsse aus dem
Früh-Siebziger Rock einbaut. Da ist ein
wenig Glam, auch ein wenig Jam und ... wie
sagte Magnus ... die J. Geils Band.
Der Frontmann war der Rockstar, mit Schnubi,
Supervokuhila, Koteletten und
Punklederjacke. Der Basser ein Schönling mit
einem Kostüm mit einem Blitz drauf. Der Rest
leider nicht sehr glamourös, aber, wie schon
gesagt, ist ja kein Wunschkonzert, hier.
Sie waren schmissig und nahmen gleich gut
Fahrt auf. Wo ich zunächst etwas
Gleichförmigkeit fürchtete, wurden sie dann
im Laufe des Sets variabler in Tempo und
Komposition, so dass man eigentlich gar
nicht meckern könnte. Selten eine so
angenehme Punk-Band im Ballroom gesehen.
Aber wenn nicht nur der Star, sondern die
anderen auch gesungen hätten, wenn er
überhaupt n bisschen angepisster geklungen
hätte, dann wäre das perfekt für mich
gewesen. Ausserdem bin ich diese
Powerdrummer langsam satt. Die hämmern sich
so leidenschaftlich und hart und steady
durch ihre Scheisse, immer am Limit, immer
mit maximal Schmackes. Die sind gut, aber
ich kann's nicht mehr hören. Zumal es dem
70er Flair der Band wesentlich besser
gestanden hätte, wenn der Drummer etwas
Swing gehabt hätte. Reingefallen, haha!
(Ralf, 5.9.18)
|
Fr.
29.06.18 |
The Walking Korpses,
Abstract Nympho - Berlin,
Loophole (50
Zuschauer)
Abstract Nympho müssten
eigentlich schon aufgrund ihres Bandnamens
umarmt werden. Diese Liebeserklärung an San
Franciscos Legende Chrome, eine Band, die
wie keine andere Punk mit Industrial
vermischte und dabei so herrlich schepperte
und ihre Düsternis mit soviel Humor
versetzte, dass sie eigentlich immer schon
jenseits jeglicher Kritik waren.
Das Berliner Duo wurzelt in teils
magenumdrehender Depri-Electronika, sehr
industriell klingend, angereichert mit
nervenzerrenden orientalischen Bläser-Orgien
und zart bis hysterischem Mädchengesang. Ich
fand das teilweise extrem gut, teilweise
unerträglich. Aber genau das ist der Grat,
den die Freiheit des Experiments zu gehen
hat. Nur so kommen wir weiter, Leute.
The Walking Korpses ist
eine Band mittleren Alters, die wohl in
Berlin leben, sich aber vorwiegend aus Amis
zusammensetzt, wenn ich das richtig
verstanden habe. Sie spielen New Wave von
damals, kein aufmodernisierter Scheiss der
x-ten Generation, keinen Dream-Pop-Mist oder
wieauchimmer die verwöhnten
Akademiker-Nachkommen von heute ihre Musik
nennen. Dies ist roher, unangenehmer Wave
der Schmerzen ausdrückt und alles in allem
ziemlich abstossend wirkt. Genauso muss es
sein. Ich weiss noch, wie sehr ich Mitte der
80er diese Bands liebte, deren Erscheinungen
mir erstmal die Kotze hochkommen liessen. Da
musste man sich erstmal überwinden aber
trotz Ekels blieb man dran, weil man merkte,
dass hier was ist, das einen erreicht. Das
Geheule des Sängers der Walking Dead
transportiert für mich daher schmerzhaftes
Wohlgefühl. Endlich mal wieder eine
angepisste Band.
Leider fand ich die Songs nicht sehr
spannend, zumal nur sehr schwer bis gar
nicht herauszuhören war, was der
Mono-Synthie und die Gitarre spielten. Dies
hätte aber sicher dazu beigetragen , die
spezielle Qualität der Band wahrzunehmen.
Das mag bis zu einem gewissen Grad auch so
beabsichtigt sein, fiel, meiner Einschätzung
nach, hier aber dem Sound des Abends zum
Opfer.
Schön aber, dass das Publikum die Band
schätzt. Der Laden war voll!
(Ralf, 30.6.18)
|
Mo.
11.06.18 |
Ilan Amores
- Köln, King Georg
(30 Zuschauer)
Der aktuelle Bassist der Argies auf
Solopfaden. Nun sind die Argies ja nicht die
Mütter musikalischen Erfindungsreichtums und
da kann auch Ilan Amores keinen draufsetzen.
Seine Botschaften sind einfach - im negativ
ausgelegten Sinne - und ob das nun
sympatisch ist oder schmierig, da stritten
sich meine Begleiterinnen anschliessend
drüber. Für mich war es einfach zu wenig. Am
Ende blieb mir als einziges positives
Ereignis seine gute Stimme in Erinnerung. Er
spielte einige Songs alleine, einige mit
Band und am Ende wurde gecovert, bspw.
Ramones. Da zog man dann doch unisono schwer
seufzend die Luft hoch. Seine
Entertainerqualitäten verspielte er zudem
dadurch, dass er viel zu viel zu quatschen
hatte, nichts davon interessant und dann
erstmal anfing, sich nach seinem Drink
umzuschauen um dann gefühlte Minuten daran
zu saugen. So standen wir da und sahen
jemandem zu, der es nicht eilig hatte.
Musste er wegen mir auch nicht, denn mein
Interesse hatte er eh schon verloren.
(Ralf, 4.7.18)
|
Sa.
21.04.18 |
The Detroit Cobras
- Berlin, Heimathafen
Neukölln (ca. 600
Zuschauer)
Hm. Schwierige Nummer. Vor 15 - 20 Jahren
fand ich die Detroit Cobras superklasse,
obwohl sie nur Covers spielten. Aber sie
spielten sie sehr rauh, groovig, rauchig,
wild und sexy und, dass Greg Oblivian zu
einem gewissen Grad involviert war, gab der
Sache sowas wie das Gütesiegel. Partymusik
für Punkrockers.
Tja, und irgendwann hatte ich genug davon.
Die Welt dreht sich weiter. Ich dachte, die
seien schon seit 10 oder mehr Jahren
aufgelöst und irgendwie dachte ich eh, dass
das nur so ein spassiges Seitenprojekt ist.
Offensichtlich aber nicht, denn da sind sie
wieder und zwar vor der Haustür. Hm ... un
nu? Ich hatte mich erstmal gar nicht um eine
Karte bemüht und bin dann fast zufällig doch
noch mit reingerutscht. Und dann latscht man
da eben wo rein, wo man sonst eher nicht
reinlatschen würde, kriegt Bier aus
Plastikbechern für das man ewig lang
anstehen muss und dann ist er einfach da,
der fehlende Enthusiasmus.
Und auch die Band tat nichts, diesen wieder
aufzubauen. Sängerin Rachel Nagy taumelte
schon auf die Bühne während das Saallicht
noch an war und machte einen irgendwie
derangierten Eindruck, der dann auch während
der ganzen Show über anhielt, so dass alle
Leute nur noch darüber rätselten, was sie
sich wohl eingepfiffen haben könnte. Darüber
zu spekulieren, finde ich langweilig, denn
sie sang eigentlich gut (wenn auch meist
neben das Mikro) und desolates Auftreten ist
nun mal als Grundbestandteil des Rock'n'Roll
stets gern gesehen. Aber sie waren auch
einfach lahm und das ist NICHT
Grundbestandteil des Rock'n'Rolls.
Dazu scheint mir die Lokation, so schön das
Theatergebäude auch sein mag, nicht für ein
derartiges Rockkonzert ausgelegt. Es mag
sehr schwierig sein, hier einen guten Sound
reinzukriegen und wer weiss, ob die
Beschallungsanlage für diese Art von
Veranstaltung konzipiert ist. Nachdem was
man zu hören bekam, Lautstärke inbegriffen,
befürchte ich nein.
Nun bin ich möglicherweise tatsächlich
schwer zu begeistern in meinem
fortgeschrittenen Dasein. Ihr kennt das ja,
so diese herablassende Art des ...
Habichallesschongesehen/Hautmichjetztauchnichtum,
das manche Leute im Alter entwickeln - und
ich schmücke mich damit, diese Haltung
perfektionieren zu wollen - aber an diesem
Abend war ich ausnahmsweise nicht der
einzige, dem es nicht gefallen hat.
(Ralf, 22.4.18)
|
Do.
19.04.18 |
The Woggles -
Berlin, Cortina Bob
(ca. 70 Zuschauer)
Nochmal eine wunderbare Show dieser
Alltime-Faves. Ich kann eigentlich die
Stunden puren Glücks kaum zählen, die diese
Band mir mit ihren Live-Shows verschafft
hat.
Nach 30 Jahren immer noch in Flammen, wer
schafft das schon? Dazu sind ihre
Kompositionen reichhaltig und feinfühlig
orchestriert, was sie von vielen Bands ihres
Genres abhebt, die oft ihre besten Momente
mit Coverversionen haben. Auch in Berlin
also die Woggles wieder in typischer
Bestform. Wie halten die das nur durch?
(Ralf, 16.5.18)
|
Sa. 14.04.18 |
Garageville
Tag 2 mit Baby
Jesus, The
Embrooks (Foto), Wild
Evel & The Trashbones and The
Woggles - Hamburg,
Hafenklang (ca. 300 Zuschauer, ausverkauft)
Wie im letzten Jahr als erstes eine Hippie-Band, Baby Jesus
aus Schweden. Waren aber richtig geil, sehr hypnotischer, dichter
und wütender Sound, eigentlich wie extrem verwüstete Miracle
Workers. Die Embrooks aus England danach mit dem
Schlagzeuger-Tausendsassa der Baron Four an Gesang und Bass sind rockiger
als ich dachte und für meinen Geschmack deutlich zu viel Gekniedel
an der Gitarre. Dennoch ganz gute Kompositionen und ne richtig überdosierte
Show. Das war dann zunächst auch etwas problematisch, denn sie
hatten mit ihrer Übermotivation zu kämpfen. Die Drummerin
brauchte ein paar Songs, um sich richtig einzugrooven und der hippelige
Gitarrist pluggte sich ein paarmal aus bzw. vertrat sich bei seinen
vielen Schaltern auf dem Boden. Aber als sie sich nach 4, 5 Songs
dann eingekriegt hatten, wurde das eine furiose Show, nicht ganz meins,
aber schon richtig top Entertainment, allerdings ohne Spoiler und
dicke Hosen, ganz sympathisch eigentlich. Wild Evel ist
der mexikanische Frontmann der österreichischen Trashbones,
eine recht bunte Truppe aus Kaffeeröstern und Abiturienten, die
es aber ziemlich drauf haben und sehr sehr engagiert sind. Da der
Wild Evel schon am Vorabend mit einer Performance glänzen konnte,
die im Rauswurf aus dem Molotow gipfelete, waren wir natürlich
bester Erwartungen. Mit seinem Graveyard-Kostüm, dem Zylinder
und den schwarzen langen Haaren hinter einer riesigen Sonnenbrille
ist er schon ganz schön überzogen und auch seine Sprüche
und Texte greifen tief in die Klischeekiste. Dennoch sind sie gut
genug und er ist auch abwechslungsreich genug, um den Unterhaltungsfaktor
oben zu halten. Zudem wusste er sich durchaus bei den richtigen Leuten
zu bedanken und tat dies in absolut angemessener Art und Weise. Auch
am Ende, als Tripsi auf die Bühne musste, sprang er helfend dazu
und nutzte sein Showtalent, um die Leute auf die Fortsetzung der Party
im Obergeschoss aufmerksam zu machen. Da ist schon alles, wo's hingehört,
bei dem. Sauber!
Dann die Woggles und ich war ziemlich aufgeregt,
ob sie's noch bringen, denn ich meine, dass es schon mehr als 10 Jahre
her ist, dass ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Aber nach diesem
Abend denke ich, ein paar Jahre geht es noch. Eigentlich sind die
fast völlig unverändert, voller Esprit und Sympathie, lustiger
Ideen, Schwung, tollen Kompositionen und ausgezeichnetem musikalischen
Könnens. Anders als viele Bands im Garagenland leben sie von
ihrer expliziten Eigenwilligkeit in Klang und Komposition. Dazu haben
sie diese umwerfend tanzbare Rhythmik, die sich durch ihr komplettes
Schaffen zieht.
Und so wurde das ein extrem runder Abend, vielleicht der beste komplette
Tag auf einem der letzten 3-4 Garagevilles. (Ralf, 29.4.18)
|
Fr. 13.04.18 |
Garageville
Tag 1 mit The
Royal Flares, The
Launderettes, The
Baron Four (Foto), The
Frantic Five - Hamburg,
Molotow (ca. 250 Zuschauer, ausverkauft)
Erstmal eine sehr positive Änderung im Molotow: Mehrere Bars.
Das leidige Drängeln am einzigen Getränkeausschank hat ein
Ende! Den Backyard mit Beschallung fand ich mit fortlaufender Dauer
des Abends dann aber sehr unangenehm, da es keinen einzigen Platz
im Haus gab, wo man etwas Ruhe hatte und sich unterhalten konnte,
ohne zu schreien.
Dafür ging es mit den Royal Flares aus München
aber sehr amtlich los. Im Bassy hatten sie mir zuletzt nicht so gefallen.
Heute fand ich sie klasse, insbesondere die Gitarrensounds. Sie sind
recht melodiös, manchmal fast byrds-like und eigentlich auch
kein Punk. Das alles allerdings ist ein hervorragendes Alleinstellungsmerkmal.
Die Kompositionen sind gut, der Gesang exzellent, für meine Begriffe
höchstens etwas zu lange Solis. Aber ich sagte ja bereits: Kein
Punk! The Launderettes, eine Fast-All-Girl-Band
aus Oslo, mit stompy-surfy Sound, was mir an sich nicht so gefällt
und so taten sich auch die Launderettes schwer, mir zu gefallen. Insgesamt
wirkten sie aber auch etwas müde, Insbesondere die Sängerin.
Sie tat mir ein wenig leid, hatte wohl irgendwie mit ihren Energien
zu kämpfen, was natürlich sehr schade ist an einem solchen
Abend, wenn man von so weit hergereist ist.
Dieses Problem hatten The Baron Four aus England
nicht, denn die platzten geradewegs aus den Nähten
vor Ehrgeiz und gefielen mir wie so oft tausendmal besser als vorher
im Bassy. Der Schlagzeuger ist wirklich unfassbar gut und ich bin
der grösste Fan des blonden Gitarristen. Wie der sich so in seine
Rolle reinstoffelt und von nichts aus der Ruhe bringen lässt,
nur er und seine Musik, das ist einfach grandios. Die besondere Stärke
der Baron Four sind die Arrangements. Sie sind die Meister der Spannungsverlagerung
und schaffen es, in jeden Song eine Passage einzubauen, die geradezu
explodiert. An diesem Abend haben sie ein paar Covers gespielt, die
sie so gut arrangiert hatten, dass sie die Highlights der Show waren.
Dadurch verblassten die eigenen Sachen ein wenig, was ich keine gute
Idee finde. Aber ihre neue Platte brauche ich unbedingt, denn sie
scheint sehr gut zu klingen. Sehr gut = wüst, wild, ungehobelt!
The Frantic Five aus Griechenland am Ende des Abends
waren prinzipiell ganz ok. Nicht spektakulär aber solide 60s
Kost. Leider war es nach dem furiosen Auftritt der Baron Four schwierig,
hier noch mal die totale Begeisterung zu entfachen. Der Abend war
durch die Tür. (Ralf, 28.4.18)
|
Do. 12.04.18 |
A.R.
& Machines - Dortmund,
Konzerthaus (paarhundert Leute, wen interessierts
...)
"Ein Kindheitstraum wird wahr!" So dachte ich, wird die
Überschrift lauten. Doch daraus wurde: "Der grösste
Beschiss, den ich jemals über mich ergehen lassen musste!"
Doch zurück zum Anfang: Wir schreiben etwa das Jahr 1979. Onkel
Ralf sitzt mit seinen damaligen Kinderkumpels in abgedunkelten Kellern
und hört wilde Musik. Damals allerdings noch keinen Punk sondern
eher Rock, aber niemals das Gewöhnliche. Eines der absolut
markantesten Werke ist dabei "Die grüne Reise" aus
dem Jahr 1971 von Achim Reichel, in den 60ern als Rattles Frontmann
bekannt geworden, später Betreiber des legendären Star-Clubs
in Hamburg, danach und bis heute Schlagersänger und dazwischen,
versteckt hinter dem Pseudonym A.R. Machines, tüftelte er sich
bleibend in das internationale Gedächtnis, durch den Zufall
einer Fehlbedienung. Beim Aufnehmen einer neuen Idee auf einem Reel-to-Reel
Tonband, nahm er versehentlich einen Loop auf, was ihn aber auf
die Idee brachte, damit zu experimentieren. Die grüne Reise
hat er im Alleingang eingespielt und wer es nicht kennt, der besorge
es sich. Als heranwachsende Kinder jedenfalls ermöglichte uns
diese Platte, auf Drogen zu verzichten und dem Reichel nach Wiederaufflammen
des Frühsiebziger Krautrocks, nachhaltige Popularität,
die darin gipfelte, dass das Ding jetzt tatsächlich wieder
auf die Bühne kommt, nachdem der gute Herr sich jahrzehntelang
dafür schämte.
Und dieses Schämen hält offensichtlich bis heute an ...
irgendwie ... denn für den Live-Auftritt wurde es nicht nur
abgeschlichtet, fadgeglättet, die Originale weit runtergemischt
und ein Haufen lahmer Klangteig darüber gelegt. Ein einziges
gähnendes Gewaber, das nichts mit der liebevollen Frechheit
der damaligen Aufnahmen zu tun hat. Die grüne Reise kam kaum
darin vor.
Zudem wurden keine Loops live gespielt, es wurde eigentlich fast
gar nichts live gespielt, von den Percussion und dem Bass abgesehen.
Dem Schöpfer gegenüber befand sich sein Adjudant, der
den ganzen digitalisieren Wahnsinn startete und ein wenig die Trommler
dirigierte. Manchmal zog er etwas an den Saiten, um nicht ganz aufs
Knöpfedrücken reduziert zu sein. Reichel spielte ganz
leise etwas Rhythmusgitarre dazu. Ich denke, die dachten, das Publikum
merkt nicht, dass die kaum spielen (zu hören war was und man
sah auch was sie spielten und was vom Computer kam. Was mich aber
noch ärgerte war, dass die sogar zu faul waren, Amps herzuschleppen.
Kein einziger Amp auf der Bühne!). Da Reichel auch nicht sang
und auf der grünen Reise wird durchaus gejauchzt, was die Lunge
hergab, hätte man auf ihn eigentlich komplett verzichten können.
Ohne Witz, der eine drückte die Knöpfe und der andere
machte gar nichts. Und das ist, was ich Beschiss nenne. Fragt mich
nicht, was ich erwartet hatte, aber die Platten kann ich mir zuhause
anhören. Immerhin hatte ich 50 (in Worten: fünfzich) beschissene
Taler hingelegt und zwar dafür, dass mir das Herz rausgerissen
wurde. Im Gegensatz zu dem Herrn im weissen Schlafanzug auf der
Bühne, liebe ich sein Werk bis ins kleinste Detail und konnte
schon mit 15 Jahren die grüne Reise auswendig hoch- und runtersingen.
Ich bin nicht enttäuscht, ich bin zutiefst getroffen!!!
Das Publikum bedankte sich fürs Verarschtwerden mit stehenden
Ovationen, weshalb ich sie damit aburteilte, dass das doch eh alles
CD-Käufer sind und deswegen ist diese beschissene neue Box,
die neben allen AR Machines Platten, Liveaufnahmen aus den 70ern
und eben die aufbereiteten Klänge denen man an diesem und ein
paar anderen Abenden in Deutschland lauschen durfte, auch nur auf
CD erschienen. Da ich nur eine der 5 AR Machines Platten habe und
alles andere nicht mehr bezahlbar ist, hätte ich das sogar
gekauft, würde ich mir diese Musik jemals wieder anhören
können, ohne die Bilder dieses schrecklichen Abends vor Augen
zu haben. Ich habe aber schon 50 Euro für nichts bezahlt. Wer
sie nachweisbar geklaut hat, von dem würde ich sie gerne mal
ausleihen.
(Ralf, 18.4.18)
Wir wurden beraubt! |
Sa. 24.03.18 |
Lau
Nau, Delphine
Dora - Berlin,
Ausland (ca. 30 Zuschauer) Foto
von Arve Knudsen, ohne Erlaubnis von der Website von LauNau kopiert.
Tja, hmmm ... weiss noch nicht, wie ich mich aus dieser Nummer rausstehlen
soll. Ich fand's einen ungemütlichen, beklemmenden Abend. Einmal
unser erster Besuch im Ausland, in dem ich mich fast schon eingekerkert
fühlte. Der Kellerraum ist eigentlich supercool und ich bin total
mit den Veranstaltern, die nett sind und sich hier viel Mühe
machen. In dem bestuhlten Raum kann man sich aber kaum bewegen. Trotz
der Enge fühlte ich mich total distanziert zu allen anderen Menschen,
die da waren. Es herrschte eine betreten verklemmte Atmosphäre
wie bei einem Schulkonzert und man traut sich kaum den Kopf zu bewegen,
damit das Knacksen der Halswirbel nicht die Performance stört.
Ich weiss, ist alles MEIN Problem. Aber die Möglichkeit, sich
ein bisschen zu bewegen, und auch mal unauffällig den Platz zu
wechseln, ev. mal aufs Klo zu gehen, noch ein weiteres Getränk
zu kaufen, egal was, hätte ich extrem erleichternd empfunden.
Zu hören und zu sehen und im wahrsten Sinne ihre extreme Durchlässigkeit
zu fühlen, gab es die Französin Delphine Dora,
eine Pianistin, die mir schon nach den ersten Tönen Panikattacken
ins Nervensystem trieb. Meine idiotisch höflich-respektvolle
Haltung gegenüber jeder Art von Musikern liess mich jedoch zu
einem Stein erstarren, der den Holocaust über sich ergehen lassen
muss. Als die Dame dann zu ihrem verkennbar ausdruckslosen Gesang
ansetzte, wusste ich nicht mehr, ob ich mitleidvoll oder empört
über soviel Selbstvertrauen sein sollte und ich wusste es nicht,
bis zum Ende dieser entsetzlichen Stunde ... denn, wie alle Künstler,
deren Schaffen auf einem anderen Niveau steht als ihr Selbstbewusstsein,
wusste sie nicht, wann die richtige Zeit für das Ende ist. Ich
mag ein Kunstbanause sein - und es ist nicht, dass sie sich versungen
oder verspielt hat, denn das ist in diesem Forum kein Abwertungskriterium
- aber für mich überwog eine ganz hinterhältige Art
von als schüchtern-dezent getarnter Aufdringlichkeit, die mich
verärgerte und meine Begleiterin aggressiv machte, wie sie mir
hinterher erzählte.
Die Finnin Lau Nau war da weit weniger anstrengend,
wirkte weniger offensiv und ruhte sehr angenehm ihr ihrem Selbstvertrauen.
Was ich zunächst vermisste, war ein Instrument. In der Beschreibung
stand was von Gitarre. Vor ihr befand sich allerdings nur ein Koffer
mit Kabeln und Steckern, eine mittlere Armada von Effektgeräten
und Loopern aber immerhin KEIN Laptop. Ihr elektrischer Klangerzeuger
oszillierte also die melancholischen Harmonien, zu denen sie sich
dann teils am Klavier begleitete (von dessen Anwesenheit sie aber
wohl vorher gar nicht wusste - was ich doch sehr beachtlich fand,
denn offensichtlich stellte sie sofort ihr Programm daraufhin um,
wozu so kurzfristig nicht jeder Musiker in der Lage ist) und sang,
mal ohne Text, mal mit.
Nun hätte ich mir nichts mehr gewünscht als, dass sie sich
erspart hätte, uns den Inhalt der Texte zu erklären, denn
dies würgte nicht nur die Atmosphäre ab, die sie immerhin
- ganz anders als ihre Vorsängerin - aufgebaut hatte, sondern
stahl sich selbst den Zauber. Wem zur Hölle, muss denn ich, als
Analphabet, das Wesen der Wirkung der Kunst nahebringen, das den Inhalt
zwar transportiert, aber die Farben und die Emotionen und die Worte
und die Klänge auf Schwingen in die Herzen trägt, und so
diesen Rausch erzeugt, der uns erstarren und leben lässt. Und
das mit dem Herzen ist nur ein Beispiel. Der Ebenen gibt es viele
und es gibt nichts Tödlicheres, als ein Teil des Ganzen herauszunehmen
und erklären zu wollen ... nur weil sie eben auf finnisch singt
und das keiner versteht. Herrgott, das war der erste Todesstoss und
der zweite kam, als sie Delphine Dora fragte, ob diese Lust hätte,
mit ihr zusammen noch ein Stück zu improvisieren. Hatte sie vorher
nicht zugehört? Das ist ja quasi, als hätte Da Vinci dem
ersten Möchtegern, der vor seinem Haus rumlief, einen Pinsel
in die Hand gedrückt, um bei seinem noch nicht fertig gestellten
Werk mit Hand anzulegen. Eine unglaubliche Dummheit, die man ihr mal
vor Augen halten müsste.
Meine Begleiterin stob angesichts dieser Ankündigung sofort nach
draussen und ich bewunderte ihren Mut und träumte von Freiheit,
einem neuen Bier, einer Zigarette. Tja, MEIN Problem.
So wurden wir alle Zeugnis einer nicht gewollten und unbeholfenen
Zugabe. Lau Nau steckte Kabel und drehte Knöpfe. Was dabei aus
den Lautsprechern knarzte, klang soweit gut. Delphine aber tippte
dazu auf dem Klavier rum , wie eine unsensible Sekretärin auf
der mechanischen Schreibmaschine und ... entdeckte in einem Moment
unheilvoller Berufung, dass da noch das Mikrofon hingt, direkt vor
ihrem Kopf. Da Lau Nau sehr gut singen kann, auch wenn sich das am
Ende auf wenig mehr als tausend Mal gehörtes Mädchen-Gejammer
beschränkte (nein, jetzt ist Schluss, es war eigentlich ziemlich
gut), war ab diesem Moment klar, dass das Selbstbewusstsein von Delphine
Dora unter Fehlschaltungen leidet. Ich fühlte mich gefangen und
erniedrigt, meine Rezeptoren, mein Empfinden, meine Sinne wurden beleidigt
und ich kann kaum glauben, dass ich der einzige im Raum war, dem das
so ging.
Und doch erhoben wir am Ende unsere schreck-erstarrten Glieder und
begannen in genauso fehlgeleiteter Höflichkeit zu klatschen,
die DD nur zu weiteren Untaten anstiften wird. Quasi sind wir schuld
daran, dass hunderte Menschen nach uns das gleiche Schicksal ereilen
wird. Eine Unverantwortlichkeit, durch die ich sämtliche Achtung
vor mir selbst verloren habe. Offensichtlich hab ich aber noch nie
welche besessen, denn tatsächlich fühle ich nur eine leichte
Reue, jetzt wo ich genauer drüber nachdenke. Zur Hölle mit
mir! Wie kommt es eigentlich, dass jeder in diesem verfluchten Internet
ablassen kann, was er will. Wie kommt es, dass Leute wie ich Konzerte
besuchen dürfen? Brauchen wir hier nicht Regeln, die Leute wie
mich einsperren, um Leute wie Delphine daran zu hindern, weitere Leute
zu foltern?
Nein, denn Ihr nehmt mich hoffentlich nicht ernst, hehehe. 28 von
30 Leuten hat es an diesem Abend vielleicht gefallen. Ich hoffe auf
25.
(Ralf, 25.3.18)
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Do. 08.03.18 |
Shoreline,
Béatrice - Berlin,
Schokoladen (ca. 50 Zuschauer)
Noch mal Béatrice (Foto). Is ja immer gut,
ne Band mehrmals zu sehen, auch in so kurzer Zeit und mit veränderten
räumlichen Gegebenheiten. Man kommt der Band und ihren Intentionen
etwas näher und der Sound im Schokoladen ja immer auch schoko-like.
Naja, manchmal ist ja auch ein schrottiger Sound besser und es gibt
auch Bands, da fallen erst bei guten Bedingungen gewisse Schwierigkeiten
auf. Nicht so bei Béatrice. Auch hier wieder ein bemerkenswert
lockerer und trotz aller Ernsthaftigkeit vergnüglicher Auftritt.
Shoreline aus Münster danach ebenfalls mit
was ich als Emo-Punk bezeichnen würde, allerdings im Gegensatz
zu Béatrice ohne einen einzigen Hook, den man nicht genau
an dieser Stelle erwartet hätte. Keine Note, keine Bewegung
barg Überraschung und daher auch keine Inspiration. Radio-Musik.
(Ralf, 18.4.18)
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Sa. 03.03.18 |
Quallus,
Chambers,
Béatrice,
Kama
- Berlin, Scharni 38 (ca. 50 Zuschauer)
Kama würde ich mal als modischen und melodischen
Punk mit deutschen Texten über Hass und Nazis bezeichnen, vielleicht
nicht mit kommerziellen Gedanken, aber dennoch gar nicht mein Ding.
Béatrice ist leidenschaftlicher Emo-Punk mit
Kontergesang und viel musikalischer Komplexität. Vielleicht einen
Tick ZU viel, denn manchmal holpert es ein wenig. Doch das wird mit
einem Lachen quittiert. Eine verdammt lockere und sympathische Band
aus Berlin.
Dann schwenkte der Abend über zum Metal. Hab mich da noch nicht
so mit klargefunden, dass der Metal die Jugendhäuser, vorallem
auch die selbstverwalteten, erobert, aber nachdem das vor 12-13 Jahren
anfing, hat die ganze Szene entdeckt, dass der Weg zur grossen Bühne
manchmal schwer ist und vielleicht ist es doch auch ganz cool, es
mal wieder dem Punk nachzumachen und in den Keller zu gehen. Chambers
bezeichnen sich sogar als Punk, nämlich Dark Hardcore Punk, wo
ich dann doch lachen muss, aber kein böses Lachen. Die sind wohl
schon ok, aber das ist Dark und das ist Metal, Leute. Also wem die
Decke fast zu niedrig ist, um seine Amps darin zu stapeln, wer breitbeinig
mosht wie geisteskrank, wer seine Gitarren tiefer stimmt, wer langsamen
mahlenden Doom mit weiblichen Schrei- bzw. Grunz-Vocals bringt, wer
ist denn da nicht Metal? Die Einstellung mag ja Punk sein, Leute,
aber es geht ja hier auch um Musik, hahaha.
Die bärtigen Kameraden mit Glatzen kommen natürlich aus
Friedrichshain. Die sehen genauso aus, wie Nelson von Curlee Wurlee
mein Gesicht mit Edding im Proberaum auf die Tafel gemalt hat, in
der Voraussicht, dass ich bald so aussehen werde, wenn ich nach Berlin
gehe, hahaha. Quallus aus Leipzig, die denn als
letzte antreten mussten und in sofern auch nur noch die Hälfte
der Leute hatten, sind an der Stelle wenigstens ehrlich. Sludge Doom
Metal. Das was die Melvins 86 angefangen haben, mit "Ozma".
Das findet heute noch seine Erben in Bands wie Quallus und das ist
total ok. Ich hab ihnen ne ganze Weile zugeschaut. Die grunzen zwar
nur, aber das Drumming war schon extrem geil. Die Gitarren spielten
quasi kaum. Nur mal hier, mal da nen Wechsel, und dann ewig stehen
lassen. Mir hats gefallen, auch wenn ich mir zuhause dann doch Ozma
auflegen würde. Wahrscheinlich gibts da ja auch noch viel andere
Geschichte dazwischen. Und da sehe ich dann ja doch auch die Verbindung
zum Punk. Ist ja nicht so, dass die ganzen Poser-Bands mit Kalendergirls
im Spint jetzt in die besetzten Häuser drücken.
Schöner Abend, angenehme Location. (Ralf, 18.4.18)
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Fr. 23.02.18 |
Bobkat
65, The
No-Counts - Berlin,
Schokoladen (ca. 50 Zuschauer)
Wow, ich war spät dran und der Laden halbleer, dafür waren
die No-Counts besser als ich sie je gesehen habe. Endlich knallt ihr
Teen-Punk auf die eins und im Schokoladen ist der Sound ja ohnehin
immer super. Perfekt!
Bobkat 65 haben ihre Schüchternheit noch nicht abgelegt. Bin
mal gespannt, was passiert, wenn das passiert. Im Moment ziehen sie
daraus ihren Charme. Doch auch die Songs sind super. Ihre besondere
Stärke liegt in den sanfteren Momenten. Stärkste Nummer
definitiv: "If You Want Me By Your Side". (Ralf,
18.4.18)
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Sa. 17.02.18 |
The
Magnetix, Gym
Tonic - Berlin,
Urban Spree (ca. 80 Zuschauer)
Ich hatte mich sooo gefreut, die Magnetix mal wieder
zu sehen. Ist schon ein paar
Jahre her, aber in allerbester Erinnerung geblieben. Leider
ist davon in 2018 nicht mehr viel übrig. Vielleicht hat an
dem damaligen Abend einfach alles gestimmt, vielleicht sind aber
auch 13 Jahre vergangen und die Magnetix schaffen es nicht wirklich
sich zu erneuern oder weiter gute Songs zu schreiben. Kompositorisch
war das extrem dünn. Ausser ein paar experimentelleren Passagen
zwischendurch und zwei drei der kantigeren Songs gab es nichts Ansprechendes.
Die meisten Riffs gingen da rein und da wieder raus, um das Geraunze
am Gesang zu reproduzieren, hätte man jeden einzelnen im Saal
auf die Bühne stellen können und das übertriebene
Gehabe wirkte extrem bemüht und schwach. Das fühlte sich
bei denen 2005 noch sehr natürlich an.
Jeder Künstler hat mal eine Phase, wo er eine Erschöpfung
spürt, wo seine Kunst nicht mehr die ursprüngliche Kraft
hat. Der eine kann sich neu erfinden oder nach einer Erfrischung,
egal welcher Art, wieder mit voller Vitalität einsteigen ...
und manche können das nicht oder wissen nicht wie. Alles hört
sich gleich an, die Riffs, die Rhythmen, die Sprache, der Tonfall.
Was jetzt?
Die Erneuerung von aussen zu suchen, bspw. über ein neues Effektgerät
für die Gitarre oder in dem man versucht den eigenen Loops
hinterherzuhetzen, die ein angereichertes Klangbild produzieren
sollen ... das ist doch alles Quatsch. Das ist doch keine Erneuerung
der Kunst. Die Kunst wohnt in einem drin und wenn die Kunst stimmt,
dann ergibt sich die Technik dazu von selbst. Aber Du kannst nicht
versuchen, mit Äusserem Deine innere Leere aufzufüllen.
Das Publikum fühlt das.
Und das hat auch das Publikum an diesem Abend in Berlin gemerkt.
Die Verzweiflung des Magnetix Gitarristen war so offensichtlich,
dass man ihm gerne eine Suppe gekocht hätte (danke Antje für
diesen Spruch, den ich immer wieder gerne verwenden möchte),
hätte er sich nicht durch aggressive, überheblich wirkende
Gesten und Sprüche selbst aus dem Saal getreten und so fielen
unsere Münder wieder zu, die schon geöffnet waren um ihm
Hilfe anzubieten und wir sahen ihn achselzuckend entschweben. Autokruxifizierung.
Ein probates Mittel. Schade für den Moment, vielleicht wird
es ja beim nächsten Mal wieder besser. Erneuerung braucht manchmal
etwas Zeit. Ob ich dann wieder hingehen werde, ist allerdings leider
fraglich.
Aber der Abend hatte davor ja noch eine Band zu bieten, die gerade
brennt. Gym Tonic lieferten einen lebendigen Auftritt
mit Inbrunst und Spielfreude ab, der ihrer geneigten Berliner Hörerschaft
ebenso viel Spass machte. Daran tat auch der basseitig übersteuerte
Sound keinen Abbruch. Als ich sie das erste Mal sah, waren die Gitarren
nicht zu hören, weil der Synthie zu laut war. Dieses mal war
es genau andersrum. Lässt sich nicht immer von aussen beantworten
woran es lag. Ich hab im Urban Spree mehr Bands mit schlechtem als
mit gutem Sound gehört, ABER: nicht alle!!! Es ist zu einfach,
das nur auf den Raum und die Technik zu schieben.
(Ralf, 23.2.18)
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Sa. 03.02.18 |
Bikini
Jesus, Plattenbau
- Berlin,
Schokoladen (ca. 100 Zuschauer)
Dream Pop nennt man das heute, was Bikini Jesus machen.
Das ist leider überhaupt nicht meins. Leise düstere klare
Wavegitarren, mit Hall und Echo und den dazu passenden Basslinien
kann ich noch hören sodenn sie eine gewisse Spannung haben. Alles
andere ist für mich nur noch Langeweile. Keine Variation, auch
nicht in der Atmosphäre. Es bleibt gleich tranig von Anfang bis
Ende. Und diese Art von Frauengesang kommt aus einem Lager um das
ich immer einen weiten Bogen gemacht habe. Ich mag dem jetzt wirklich
nichts absprechen. Es gibt Schlimmeres. Bestimmt sind die total nett
aber ihre Musik liegt mir gar nicht. Die Bezeichnung DreamPop gibt
mir dabei den Rest. Ich weiss schon, dass die Bezeichnung Kickin Ass
für unsere Herangehensweise nach jetzt schon über 20 Jahren
auch nicht mehr ganz korrekt ist, aber Dream Pop und Kickin Ass ...
das fällt ja wohl auf, dass wir die Beine nicht unter demselben
Tisch haben. Plattenbau davor waren erstmal durchaus
passabel. Ich vernahm positive Kenntnis von subversiven Tönen
in ihrem DAF-Aggro-Synthie-Style, aber wie die drauf sind, konnte
ich leider nicht beurteilen, da ich zu wenig davon mitbekommen habe.
Prinzipiell war ihr Auftreten eher ätzender Art. Aber das muss
nichts heissen. Es gibt ätzend gut und ätzend ätzend.
Müsste man noch mal sehen. Sorry fürs Zuspätkommen.
Ich klage meine Fehlbarkeit an. (Ralf, 23.2.18)
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